zwd-ANALYSE ZUR UMFRAGE DER FRAUEN UNION : Frauenquoten: Kramp-Karrenbauer pro, Merz offen, Spahn will "nichts erzwingen"

6. Dezember 2018 // Holger H. Lührig/Julia Trippo

Drei Kandidat*innen, drei Positionen. Sie alle sind sich einig: die CDU hat zu wenige Frauen. Eine Analyse des zwd-POLITIKMAGAZINs zu den wichtigsten frauen- und gleichstellungspolitischen Positionen von Kramp-Karrenbauer, Spahn und Merz.

Bild: Twitter / CDU Fotograf: Laurence Chaperon
Bild: Twitter / CDU Fotograf: Laurence Chaperon

zwd Hamburg. Jens Spahn glaubt nicht daran, Geschlechtergerechtigkeit erzwingen zu können, Friedrich Merz ist offen, über die Quote zu sprechen und Annegret Kramp-Karrenbauer fordert klar die Quote. Sie will sich nicht mit Freiwilligkeitsversprechen vertrösten lassen. Das ist eines der Ergebnisse einer Befragung der Frauenarbeitsgemeinschaft der Union an die drei Bewerber*innen für den CDU-Parteivorsitz. Mit einem 22 Punkte umfassenden Fragenkatalog hat die Frauen Union der CDU Deutschlands von den drei Bewerber*innen für den CDU-Vorsitz, Bundesgesundheitsminister Spahn, dem ehemaligen CDU-Fraktionschef Merz sowie der seitherigen CDU-Generalsekretärin und ehemaligen saarländischen Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer deren Positionen zur Gleichberechtigung der Geschlechter wie auch zu anderen gesellschaftlichen Themen abgefragt. Alle waren sich in ihren Antworten darin einig, es gelte die Gleichstellung von Mann und Frau voranzubringen und den weiblichen Anteil in der CDU-Mitgliedschaft zu erhöhen. Die Kandidat*innen haben jedoch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie dies umsetzen wollen.

Erhöhung des Frauenanteils in der CDU

Zur Frage, wie die Bewerber*innen den Frauenanteil unter den CDU-Mitgliedern stärken wollten, positionierte sich Annegret Kamp-Karrenbauer eindeutiger als ihre Mitbewerber: Ohne Frauen seien kein Staat und auch keine Volkspartei zu machen und ohne sie auch keine Wahl zu gewinnen. "Deshalb müssen wir schleunigst den Frauenanteil in unserer Partei steigern". Da sei sie in ihren Überzeugungen tief geprägt von der ehemaligen Familienministerin und Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU). Merz und Spahn hingegen wollen den Anteil von Frauen in der CDU zunächst einmal dadurch erhöhen, dass die Arbeitszeiten der Gremien auch an die Bedürfnisse von Frauen angepasst werden, um ihnen so das politische Engagement zu erleichtern. Jens Spahn betont über sich selbst, er habe auch bei der Neuaufstellung des wissenschaftlichen Beirates und bei der Besetzung von Leitungsfunktionen in seinem Ministerium auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet. Dennoch glaubt er, man könne "Geschlechtergerechtigkeit nicht erzwingen": Spahn gibt den Ball an die Frauen Union zurück: Sie solle als Expertinnen-Gremium beantworten, wo die Union besser werden könne. Er habe eigentlich "ganz viele Fragen" an die CDU-Frauenvereinigung und wolle über deren Wünsche in einer "kritisch-konstruktiven Austausch" eintreten.

Friedrich Merz geht es darum, dass Frauen keine spezifischen Nachteile bei der Besetzung von Ämtern und Mandaten erleiden. Im Vordergrund stehe dabei nicht das "Erreichen der rechnerischen Hälfte" der Frauenteilhabe. Für Merz ist klar, dass das in der CDU geltende Quorum "erkennbar nicht ausreichend" ist. „Wenn dies am Ende über eine Quote besser gelingen könnte, dass Frauen mindestens die Hälfte der Ämter und Mandate bekommen, dann bin ich offen, darüber zu sprechen“, antwortete Merz auf eine entsprechende Frage der CDU-Frauen. Für ihn als Parteivorsitzender wäre es im Übrigen selbstverständlich, eine Frau als Generalsekretärin vorzuschlagen. Die bisherige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer fand zu diesem Thema eindeutigere Worte: Sie werbe in ihrer Partei dafür, ein positives Verständnis für die Quote zu entwickeln, denn diese bedeute, dass jemand eine Chance bekomme, sich zu beweisen. Wer den Beweis schuldig bleibe, sei das Amt ganz schnell wieder los. Sie selbst habe ihren Eintritt in die Politik der Quote zu verdanken. Heute sage sie über sich selbst mit Stolz: „Ich bin eine Quotenfrau“. Denn sie habe ihre Chance genutzt. Nun möchte sie als Parteivorsitzende noch mehr Frauen in den Ämtern und Ministerien sehen. Der Frauenanteil in der Partei müsse "schleunigst" gesteigert werden, fügte Kramp-Karrenbauer hinzu. Scharfe Kritik übte die Politikerin an der "dreisten" Art, wie die bisherige Quorum-Regelung in der Partei umgangen werde, indem mehrere Wahlgänge durchgeführt würden. Sie hält da Sanktionen für vorstellbar. Mit Blick auf die Direktmandate in den Wahlkreisen befürwortet die Kandidatin eine parteiinterne Lösung. Eine gesetzliche Regelung möchte sie lieber vermeiden. Aber ohne Druck komme man nicht weiter, dass bei der Nominierung in ausreichendem Maß Frauen berücksichtigt würden. Sie wolle sich auch nicht mit dem Prinzip der Freiwilligkeit auf den St. Nimmerleinstag vertrösten lassen.

Absage an eine von Parité-Gedanken geprägte Wahlrechtsreform

Einer Wahlrechtsreform mit dem Ziel einer paritätischen Zusammensetzung der Parlamente erteilten auch die Konkurrenten von Kramp-Karrenbauer eine deutliche Absage. Nach Auffassung von Spahn sollten die Landesverbände beispielsweise selbst entscheiden, ob sie das Reißverschluss-Prinzip bei der Listenaufstellung anwenden möchten. Noch kompromissloser ablehnend antwortete Friedrich März auf die Fragen der CDU-Frauen: Er halte nichts davon, im Zuge der Wahlrechtsreform Teilhabefragen von Frauen und Männern zu erörtern. In der parlamentarischen Demokratie habe es sich bewährt, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber für einen Sitz im Bundestag gemäß den Regeln der Landesverbände einer Wahl stellen müssten. "Ich bin sehr dafür, den Anteil von Frauen im Bundestag zu erhöhen, dies kann aber nicht dadurch erreicht werden, dass der Prozess der örtlichen Kandidatenaufstellung durch Vorgaben des Wahlrechts vorherbestimmt wird."

Familienpolitik: Spahn und Merz wollen erst einmal abwarten, wie die Maßnahmen der Koalition wirken

Beim Themenkomplex Familienpolitik hatte die Frauen Union darauf verwiesen, dass mit der Brückenteilzeit, dem Familienentlastungsgesetz und dem Gute-Kita-Gesetz wichtige Maßnahmen schon zu Beginn der Legislaturperiode auf den Weg gebracht worden seien. Nun sollten die Kandidat*innen sich dazu äußern, welche familienpolitischen Maßnahmen ihnen darüber hinaus wichtig seien, um Familien zu stärken. Annegret Kramp-Karrenbauer nutzte ihre Antwort, um die von der SPD bzw. SPD-geführten Ressorts initiierten Maßnahmen als Erfolg der Frauen Union zu bescheinigen. Sie wolle die Familien noch weiter entlasten, unter anderem durch höhere Kinderfreibeträge und den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags. Die bisherigen Koalitionsbeschlüsse reichten ihr nicht, fügte Kramp-Karrenbauer hinzu, ohne konkret weitere Maßnahmen zu benennen. Dagegen möchte Friedrich Merz erst einmal abwarten, bis die beschlossenen Maßnahmen der Koalition ihre Wirkung entfalten, "bevor wir uns darüber Gedanken machen". Jens Spahn will ebenso wie sein Mitkonkurrent Merz das Land kinder- und familienfreundlicher machen, ohne konkrete Vorschläge zu machen.

Integration von Frauen aus Migrantenfamilien

Für den Bundesgesundheitsminister gelingen Integrationsbemühungen nicht immer, weil dies an der Stellung der Frau in deren Familien liegt. Hier wünsche er sich mehr Klarheit: "Wir tolerieren keine Abwertung der Frau". Er sehe ein ernstes Problem darin, dass es in Deutschland Frauen gebe, die seit Jahrzehnten hier lebten, kaum deutsch sprechen, weil sie von ihren Männern zurückgehalten würden, am breiten gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Friedrich Merz vertrat die Auffassung, dass die Lösung der Integrationsfrage im konkreten Handeln vor Ort und weniger in programmatischen Überschriften liege. Merz verwies hierzu auf Beispiele kommunaler und Stadtteilprojekte wie die "Stadtteilmütter" in Berlin-Neukölln, die seinem Integrationsverständnis entsprächen.

Gleichberechtigung in der Arbeitswelt

Unkonkret blieben Merz und Spahn bei der Frage, wie die Lohnlücke und die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen beseitigt werden könne. Während Spahn hier mit der Frauen Union "gemeinsame Lösungen" suchen möchte, zog sich Merz auf die Formel zurück, dass erst einmal das Lohntransparenzgesetz aus der vergangenen Legislaturperiode abgewartet werden solle, "ob und wie es wirkt". Die Rentenlücke entstehe unter anderem, "weil Frauen viel öfter als Männer unterbrochene Erwerbsbiografien haben". Sein Rezept: "Gelingt es uns, Familie und Arbeit immer besser in Einklang zu bringen, wird sich diese Lücke schließen." Annegret Kramp-Karrenbauer versicherte unter Hinweis auf die von der Koalition bereits eingeleiteten Maßnahmen, sie werde sich als Parteivorsitzende beharrlich dafür einsetzen, auf diesem Weg weiter voranzukommen. Konkret bedeute das, "dass wir uns nicht mehr auf dem Prinzip der Freiwilligkeit ausruhen". Nachdrücklich wandte sie sich gegen die gesellschaftliche Bankrotterklärung, wenn Unternehmen für ihre Vorstände eine Zielgröße "Null" angäben. Die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt, so das Credo von Kramp-Karrenbauer, sei der Schlüssel für die gesellschaftliche Gleichberechtigung und die soziale Absicherung von Frauen. Solche Aussagen finden sich nicht in den Antworten von Jens Spahn und Friedrich Merz.


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