Immerhin 17 Monate hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger gebraucht, um für das zentrale Projekt der Ampel-Koalition, 4.000 sozial benachteiligten Schulen mit einem "Startchancen-Programm" die konzeptionellen Grundlagen vorzulegen. Das 11-seitige Eckpunktepapier ist zuerst von der FAZ in die mediale Öffentlichkeit gerückt worden. Offiziell ist das Papier, das auch der zwd-Redaktion vorliegt, bisher nicht – wohl deshalb, weil es mit den Ressorts noch nicht abgestimmt ist und auch unter Haushaltsvorbehalt steht. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum die Ministerin mit dem Papier so zögerlich umgeht, statt damit offensiv in die öffentliche Debatte einzusteigen? Scheut sie nach den desaströsen Erfahrungen mit dem von ihr initiierten "Bildungsgipfel" einen erneuten Konflikt mit den Länderkultusminister:innen? Die Bund/Länder-Auseinandersetzung über den Modus der Finanzverteilung ist ohnehin unvermeidlich.
Aber die Ministerin steht in der Sache nicht allein. Die notwendige Abkehr vom Königsteiner Schlüssel ist im BMBF-Papier überzeugend dargelegt: Verteilt werden sollen die Mittel an die Länder entsprechend dem Anteil der unter 18-Jährigen mit nicht-deutscher Familiensprache (40 %) sowie der Armutsquote in den Ländern (40 %) und unter Berücksichtigung des länderspezifisch zu ermittelnden negativen Brutto-Inlandsprodukts (20%). Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Aushandlungsprozess zwischen dem Geldgeber (Bund) und den Geldempfängern (Länder) mit dem Ziel, Einvernehmen über die jeweils zugrunde gelegten Sozialkriterien zu erzielen. Das ist gewiss für die Bildungsbürokratie ein anstrengendes Vorhaben. Es würde aber endlich Ernst machen mit einer Benachteiligtenförderung, die an dem zentralen Problem der Abhängigkeit der Bildungschancen von der Herkunft nicht nur laboriert. Stark-Watzinger hat damit einen Trumpf in der Hand, der politisch einen echten Neuanfang eröffnet.