
Wer das Wahlprogramm der Partei in Sachsen-Anhalt, aber auch die etwas moderateren Versionen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ansieht, weiß, wes Geistes Kind die Feder dieser Partei führt. Da werden unverblümt deutschnationale und völkisch-nationalistische Parolen zur Wahrung der „deutschen Leitkultur“ verbreitet, die mit den unseligen Tiraden der NSDAP der Weimarer Zeit mühelos mithalten können. Und damit keine Zweifel an der „Verfassungstreue“ aufkommen, verkündet die AfD ihre eigene Verfassungsauslegung: „Wir stehen zu Art. 3 des Grundgesetzes, der eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts verbietet und sind demnach gegen jede Quotenregelung“ (AfD Rheinland-Pfalz).
Die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall hat das Strickmuster des aktuellen Vorgehens der deutschen Rechtspopulisten herausgearbeitet. Ausgehend von einem moralischen Alleinvertretungsanspruch, dem zufolge die AfD die „wahren Interessen des Volkes“ vertrete, wird eine rückwärts gewandte, antiliberale Weltsicht entfaltet, die von „völkischen, nationalistisch-identitären und rechtspopulistischen Inhalten und Rhetoriken getragen“ wird. Dazu benutze die AfD als Leitnarrativ drastischer Elitenkritik die Diffamierung des „linken Zeitgeistes“ sowie der „Kaste von (vom Volk – Red.) abgehobenen Berufspolitikern“.
In der Person von Kanzlerin Angela Merkel wird ein persönlich identifizierbares Feindbild benutzt (wobei die Seehofers in der Union wesentliche Steilvorlagen dazu liefern). Und die Flüchtlingskrise bietet der AfD jene gesellschaftspolitische Problemkonstellation, die keine einfachen Lösungen zulässt, sich aber trefflich dazu eignet, das Volk – und gerade die bürgerliche Mittelschicht – vor sozialem Abstieg oder vor dem Verlust der (vermeintlich) exklusiven Homogenität zu ängstigen („Der grün-roten Multi-Kulti-Ideologie“ setzt die AfD ein Bekenntnis zur „Heimat - für Einheimische und gut integrierte Eingewanderte – mit deutscher Leitkultur entgegen“ [AfD BaWü, SnA]).
Auserkoren hat sich die AfD als Feindbild die – wie sie es nennt – „Gender-Ideologie“, der sie „lebensfremde Gesellschaftsexperimente“ unterstellt mit dem Ziel, „den Wandel der Geschlechterrollen (zu) manipulieren und einen neuen, geschlechtsneutralen Menschen erschaffen (zu) wollen.“ Wenn diese unsinnige Behauptung für sich stehen würde, wäre sie leicht als spinnerter Gender-Wahn in den Papierkorb zu werfen. Doch es folgen für die AfD in Baden-Württemberg (und ähnlich in den anderen beiden Ländern) daraus praktische Handlungsmaximen: Abschaffung von Gender Mainstreaming („als Norm zur Dekonstruktion der Geschlechterordnung und Auflösung der Ehe von Mann und Frau“), Streichung aller Gender-Lehrstühle, Streichung der Frauenquote und der Gleichstellungsbeauftragen (weil sie „regelmäßig zur Diskriminierung von männlichen Stellenbewerbern führen“).
Schließlich wünscht sich die AfD das Ende der „strukturellen Benachteiligung“ von Jungen in der Schule, die „auf Mädchen zugeschnitten“ sei (vgl. die Auszüge aus dem Wahlprogrammen ab Seite 10 der Ausgabe 337 des zwd-POLITIKMAGAZINs). Auch andere AfD-Formulierungen – wie der Kampf gegen die „Planierung des leistungsorientierten mehrgliedrigen Schulsystems zur semi-sozialistischen Gleichmacherei der Gemeinschaftsschule“ – erinnern mit ihrem Rückgriff auf die bildungspolitischen Debatten der 60er Jahre an die geistig-rückwärtige Herkunft vieler Funktionäre der AfD.
Was besonders auffällt, ist die Zurückhaltung der von Stimmenverlusten bedrohten Parteien gegenüber dieser Entwicklung. Noch im letzten Herbst schien die etablierte Politik schon vorschnell geglaubt zu haben, das Problem AfD habe sich durch die Parteispaltung selbst zerlegt. Unterschätzt wurde hingegen das auf der äußersten Rechten angesiedelte Wählerpotenzial, das sich in Deutschland jetzt Gehör verschafft, wie wir dies in den letzten Jahrzehnten auf europäischer Ebene mit der Mobilisierung und Radikalisierung von der rechtem Szene in Österreich, den Niederlanden und Frankreich kennen gelernt haben.
Gegen diese Entwicklung wirken alle im Bundestag vertretenen Parteien geradezu sprach- und wohl auch phantasielos. Statt entschlossen im Sinne einer wehrhaften Demokratie den dumpfen Parolen der Rechtspopulisten entgegen zu treten, versuchten sich die Spitzenfunktionäre der Parteien in allerlei Versuchen. Auch die Verbände, Gewerkschaften und selbst die Frauenorganisationen blieben lange, allzu lange stumm. In Antworten zu Wahlprüfsteinen, zeigte unsere Recherche, kommt die AfD gar nicht erst vor. Erst nicht beachten, dann mit Ignorieren strafen? Das ist sicherlich kein richtiges Rezept, um diesen Menschenfischern entgegen zu treten.
Entschlossener Widerstand und klare Positionierung in der politischen Auseinandersetzung mit geistigen Brandstiftern in der kaum verhüllten Maske von Biederfrauen und -männern ist das Gebot der Stunde. Sie schlägt aber wohl erst nach dem 13. März.