zwd Berlin. Vor dem Hintergrund der neuesten Maßnahmen der US-Regierung als „beispiellose(m) Angriff auf die Freiheit von Bildung und Wissenschaft“ hat die Grünenfraktion am Donnerstag einen Antrag (Drs. 21/ 582) zum weltweiten Schutz von Forschung und Lehre in den Bundesstag eingebracht. Die systematische Demontage von US-Bildungsministerium und NASA, Eingriffe in Inhalte der Lehre und Gleichstellungs-Förderung, massive Mittelkürzungen für moderne Forschungszweige, Visa-Entzug für ausländische Gastschüler:innen und Student:innen würden nicht nur die amerikanische Wissenschaft, sondern auch „die wissenschaftliche Freiheit, den Fortschritt und die Lösung globaler Herausforderungen insgesamt“ gefährden.
Die Grünen-Politiker:innen sehen die aktuelle Situation jedoch auch als Chance für bundesdeutsche und europäische Forschung, die es durch vertiefte Kooperation, Fördern von Kenntniszirkulation und nachhaltiges Stärken des Wissenschaftssystems zu nutzen gelte. Sie plädieren für rasche, entschiedene Maßnahmen, „ernsthafte Wissenschaftsdiplomatie“ ebenso wie Einsatz von zusätzlichen, planungssicheren Ressourcen. Die Grünen treten dafür ein, strukturelle Defizite des bundesdeutschen Forschungssystems zu beseitigen und sich der über die jüngsten grundgesetzlichen Änderungen geschaffenen „neuen finanziellen Spielräume“ zu bedienen.
Die Grünen: Angriffe richten sich gegen freies, kritisches Denken
Die Antragsteller:innen konstatieren, dass auch in der Bundesrepublik und Europa „rechtsextreme Parteien und verschwörungsideologische Bewegungen“ die Wissenschaftsfreiheit bedrohten, wobei sich die autoritären Angriffe nicht allein gegen spezielle Inhalte, z.B. „der Medizin, Klima-, Rassismus- oder Geschlechterforschung“ richteten, sondern allgemein gegen freies, kritisches Denken sowie das wissenschaftliche Erkenntnisprinzip als „Grundlage und Bedingung des demokratischen Miteinanders“. Dabei betonen sie, Schutz und nachhaltige Stärkung der Wissenschaft seien gemeinsame Aufgabe vom Bund und den Ländern sowie der EU. Der Antrag wurde im vereinfachten Verfahren an den federführenden Ausschuss für Forschung und Technologie überwiesen.
Wie die ARD am 28. Mai berichtete, hat die US-Regierung vorläufig Aufnahmeverfahren für ausländische Studierende, Austauschschüler:innen und Au-pairs gestoppt. Diese erklärte die Maßnahmen damit, sie wolle das Überprüfen von Äußerungen der Kandidat:innen auf sozialen Medien ausweiten. Bereits zuvor hatten Mitarbeiter:innen der Regierung mitgeteilt, dass Inhaber:innen studentischer Visa und Green Cards, die Palästinenser:innen unterstützen oder Israels Vorgehen in Gaza kritisieren, außer Landes verwiesen werden könnten. Noch im März habe die US-Regierung erste Schritte unternommen, das Bildungsministerium zu zerschlagen, und massiv Stellen abgebaut. Lehrkräfte und Schüler:innen sorgten sich um den Erhalt sozialer Förderprogramme. Anfang desselben Monats hatte die Regierung durch Einsparungen und Entlassungen ihrer Ideologie widersprechende Forschungsfelder, wie Klimaforschung oder Politikwissenschaften, aber auch lebenswichtige Disziplinen der Gesundheitsforschung geschädigt.
Hilfsprogramme für Studierende und Angebote für Forscher:innen
Konkret fordern die Grünen vom Parlament ein Nothilfeprogramm für von Visa-Entzug, Stipendienstreichungen oder anderen Einschränkungen akademischer Freiheit betroffene Studierende. Sie rufen dazu auf, Forscher:innen in der Bundesrepublik Perspektiven zu bieten und ihnen neue Karrieremöglichkeiten zu eröffnen, wofür schon ab dem Bundeshaushalt 2025 dauerhaft die nötigen Finanzmittel für den DAAD, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und weitere Wissenschaftsorganisationen bereitzustellen seien. Darüber hinaus empfehlen sie dem Bundestag, sich in den Verhandlungen zum Mehrjahres-Finanzrahmen der EU für Stärkung der Erasmus+-Förderung und ein eigenständiges Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe einzusetzen.
Die Grünen-Abgeordneten schlagen ebenfalls ein Sofortprogramm vor, um gefährdete Datenbestände zu sichern. Durch Verfügbarmachen erforderlicher Ressourcen sowie Sensibilisieren von Forschung und Sicherheitsbehörden sei die Freiheit bundesdeutscher Wissenschaft vor zunehmendem Einfluss autoritärer Staaten, ausländischer Spionage und vor Cyberattacken zu bewahren. Hackerangriffe und Sabotage gegen Forschungseinrichtungen würden, wie es in der Antragsbegründung heißt, vor allem von russischen, chinesischen und iranischen Geheimdiensten verübt.
Wissenschaft verlässlich finanzieren, gute Arbeitsbedingungen schaffen
Die Grünen appellieren an den Bundestag, das Fundament der deutschen Wissenschaft zusammen mit den Bundesländern durch verlässliche Finanzen, gute Arbeitsbedingungen, moderne Infrastruktur und vereinfachte Verfahren zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse abzusichern. Sie unterstreichen, man solle zugunsten des Ausbaus von Forschungsinstitutionen auf echten Mehrwert für die Wissenschaft setzen und die von der Koalition angekündigte, auf Technik fokussierte Hightech-Agenda um weitere Themenfelder, wie „Klima, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitsforschung, Erdbeobachtung, (…) globale() Gesundheit oder Sozialwissenschaften", erweitern.
Die Verfasser:innen setzen sich beim Parlament dafür ein, mit den Bundesländern Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit entgegenzuwirken und Angebote zur Unterstützung von Forscher:innen und Studierenden zu erweitern, die Anfeindungen ausgesetzt sind. Sie mahnen an, über alle vorhandenen diplomatischen Kanäle einen „kritischen Dialog“ mit der US-amerikanischen Regierung und anderen, Forschungsfreiheit einschränkenden Staaten über die Wirkung dieser Politik auf globale Wissenschaft zu führen. Außerdem schlagen sie vor, europäische Exzellenzuniversitäten zu gründen und für die Vertiefung institutioneller Zusammenarbeit ein Programm zur Förderung transatlantischer „Campus at Risk“ einzurichten, durch die amerikanische und bundesdeutsche Universitäten für bedrohte Forschungsgebiete kooperativ gemeinsame Strukturen aufbauen können.