WOMEN-ON-BOARD-STUDIE 2025 [UPDATE] : FidAR fordert für mehr Frauen in Führungsriegen erweiterte Gesetze

17. August 2025 // Ulrike Günther

Der Verein Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) möchte Koalition und Kanzler an ihren Worten messen, besonders hinsichtlich Plänen, mehr Frauen in die Chefetagen zu bringen. Wie der aktuelle Women-on-Board-Index (WoB) zeigt, stagnieren die Fortschritte bei Frauen in Führungspositionen, in Aufsichtsräten ist sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) ruft Unternehmen auf, Frauen weiter gezielt zu fördern, FidAR schlägt erhöhte Quoten und Sanktionen gegen Firmen mit unbegründeten Zielgrößen Null vor.

In Quoten-Unternehmen sind fast 39 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. - Bild: pixabay/ M. Hassan
In Quoten-Unternehmen sind fast 39 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. - Bild: pixabay/ M. Hassan

zwd Berlin. Die 100-Tage-Bilanz von FidAR zur Gleichstellungspolitik von Union und SPD fällt zurückhaltend aus. Von der im Koalitionsvertrag als „zentrales Anliegen“ der gesamten Regierungsarbeit hervorgehobenen „tatsächliche(n) Gleichstellung von Frauen und Männern in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft und deren Durchsetzung“ ist aus Sicht von FidAR-Präsidentin Prof.in Anja Seng bisher „wenig zu spüren“. Als positiv wertete Seng in ihrer Stellungnahme vom 15. August, dass sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für die Initiative Chef:innensache engagiere und dafür die Schirmherrschaft übernommen habe. Merz habe in einer Rede zur Jahreskonferenz des Führungskräfte-Programms betont, Chancengerechtigkeit steigere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Er habe eingeräumt, mit unter einem Viertel Frauen in Chef:innenpositionen gebe es „eben immer noch ziemlich viel zu tun“. FidAR-Präsidentin Seng forderte, auf die Äußerung von Merz müssten „nun konkrete Taten folgen“. Viele Unternehmen würden nur insoweit handeln, „wie es die Gesetze von ihnen verlangen“, beanstandete Seng und setzte sich für „verbindliche politische Schritte“ zur Ausweitung der Regelungen ein.

Immer noch unter einem Fünftel Frauen in Vorständen

Erstmalig seit dem Inkrafttreten des FüPoG vor zehn Jahren verzeichnet der WoB-Index einen geringfügigen Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Laut der am 16. Juli veröffentlichten FidAR-Studie sank der Anteil von Frauen in den Aufsichtsratsgremien börsennotierter Betriebe leicht um 0,3 Prozent auf 37 Prozent. Statt vorher 19,3 Prozent besetzten Frauen nun mit 19,9 Prozent immer noch nur ein knappes Fünftel der obersten Führungspositionen. Die vom FüPoG auf 30 Prozent weibliche Mitglieder festgelegte Geschlechterquote in Aufsichtsräten paritätisch mitbestimmter Börsenkonzerne verwirklichten nach Angaben von FidAR fast 80 Prozent der untersuchten 179 Unternehmen.

Prien: Firmen sollen weibliche Talente weiter gezielt fördern

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) lobte anlässlich der Veröffentlichung der WoB-Studie die Fortschritte, welche das FüPoG in der Privatwirtschaft erzielt habe. Den über die Jahre deutlichen Anstieg des Frauenanteils in Vorständen und Aufsichtsräten hätten „die gesetzlichen Rahmenbedingungen (…) maßgeblich“ beeinflusst. Prien nannte es entscheidend, dass Unternehmen „weiterhin gezielt weibliche Talente fördern“. Mehr Frauen auf den Führungsetagen würden nicht bloß Chancengerechtigkeit stärken, sondern auch „wesentlich zum nachhaltigen unternehmerischen Erfolg“ beitragen. In 43,6 Prozent der Betriebe (78) sind mindestens 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten vertreten, ca. 14 Prozent (25) sind sogar mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Von den derzeit 60 großen Börsenunternehmen mit mehr als drei Personen im Vorstand, für die seit 2022 das vom FüPoG II vorgeschriebene Mindestbeteiligungsgebot gilt, erfüllen fast alle (59) die Vorgabe von mindestens einer Frau in der Chef/innenriege. Seit Einführung der Quotenregelung 2015 hat sich damit nach Angaben von FidAR der Frauenanteil in Aufsichtsräten von anfänglich 19,9 Prozent annähernd verdoppelt, in Vorständen sogar von erst 5,0 Prozent fast vervierfacht.

FidAR fordert höhere Quoten für mehr Börsenbetriebe und Sanktionen

FidAR-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow erkennt zwar an, dass sich seit der mit dem FüPoG II eingeführten Begründungspflicht für die Zielgröße Null die Zahl der mit keiner Frau in Vorstand, Aufsichtsrat und oberem Management kalkulierenden Betriebe auf 23 (von vorher 46) halbiert habe. Doch die Pflicht reiche „alleine offensichtlich nicht aus, die Unternehmen zu einer strategischen Planung mit Frauen in der Führung zu bewegen“, monierte Schulz-Strelow und plädierte dafür, solche Firmen, die Zielgrößen Null „nicht nachvollziehbar begründen“, konsequent zu sanktionieren. Die „individuelle Selbstverpflichtung“ werde bislang „nicht von allen Unternehmen vollumfänglich umgesetzt“, stellte die Studien-Projektleiterin fest. „Ohne spürbaren Druck wird die Zielgrößenverpflichtung nicht ernst genommen“, so Schulz-Strelow. FidAR-Präsidentin Seng schlug vor, um die Reichweite zu erhöhen, sollte man die Frauenquote in Aufsichtsräten aller börsennotierten Unternehmen mit über 500 Beschäftigten auf 40 Prozent anheben.

Seng: Mindestbeteiligungsgebot in Frauenquote umwandeln

Ebenso sollte nach Auffassung von Seng das Mindestbeteiligungsgebot auf mehr Unternehmen ausgeweitet und in eine festgelegte Quote umgewandelt werden. „Erst wenn mehr Frauen in Leitungspositionen sind, wird die gleichberechtigte Teilhabe zur gesellschaftlichen Normalität“, erklärte Seng. Die seit 2022 gültige EU-Führungspositionen-Richtlinie, die bis 2026 eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten bzw. 33 Prozent in Vorstand und Überwachungsgremium vorsieht, werde in anderen europäischen Ländern bereits umgesetzt. Die Gesellschaft könne es sich nicht leisten, dass die „deutsche Wirtschaft bei der gleichberechtigten Teilhabe zurückfällt“. Die Koalition hat im Regierungsvertrag festgeschrieben, gesetzliche Schritte zur Erhöhung der Frauenrate in Führungspositionen von Bundesunternehmen zu prüfen. Im Absatz zum FüPoG heißt es weiter: „Wir werden sicherstellen, dass Verstöße gegen die Vorgaben zu Zielgrößen – sei es durch das Fehlen von Zielgrößen oder Fristen oder durch unzureichende Begründungen bei einer Zielgröße von Null – künftig konsequent und spürbar sanktioniert werden.“

Unternehmen ohne Quote mit Zielgrößenpflicht im Fokus

Auffällig an der WoB-Statistik ist, dass paritätisch mitbestimmte Börsenbetriebe, die der Geschlechterquote unterliegen, eine erkennbar höhere Frauenbeteiligung im Überwachungsgremium und auch in Vorständen aufweisen als die nicht davon betroffenen Firmen. In den 101 quotenregulierten Unternehmen stieg der Frauenanteil in Aufsichtsräten seit 2015 auf 38,6 Prozent, in den 78 nicht paritätisch mitbestimmten Betrieben lediglich auf 34,1 Prozent. Bei den Quotenunternehmen haben Frauen 22,9 Prozent der obersten Leitungspositionen inne, bei den anderen, nicht unter die Quote fallenden Firmen lediglich 14,7 Prozent. Insgesamt ziehen FidAR-Präsidentin Seng und Gründungspräsidentin Schulz-Strelow ein gemischtes Resümee der Entwicklung bei der Frauen-Mitbestimmung auf den Leitungsebenen der bundesdeutschen Unternehmen.

Die Quotenregelung habe in den zehn Jahren seit Inkrafttreten des FüPoG deutliche Erfolge erzielt, dennoch verbleibe der Frauenanteil in Vorständen auf (zu) geringem Level, urteilen Seng und Schulz-Strelow im Vorwort des Berichts. Insbesondere Betriebe, auf die weder die Quotenregelung noch das Mindestbeteiligungsgebot anwendbar ist und die stattdessen obligatorisch Zielgrößen für die Frauenraten in Überwachungsgremium, Vorständen sowie erster und zweiter Managementebene festsetzen, spielen nach Ansicht von Seng und Schulz-Strelow bei der Steigerung weiblicher Teilhabe an Führungspositionen eine herausragende Rolle. Viele Unternehmen würden weiterhin keine Zielgrößen festlegen und somit „noch nicht die vorgesehene Wirkung für eine deutlich höhere Repräsentanz von Frauen“ erfüllen.

Geschlechtervorgabe sorgt für bessere Ergebnisse in Führungsgremien

Für den leicht gesunkenen Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Börsenunternehmen sind der Studie zufolge die nicht unter die Quotenregelung fallenden Betriebe verantwortlich: Während der WoB-Index für die 101 paritätisch mitbestimmten, börsennotierten Konzerne im Vergleich zum Vorjahr einen geringfügigen Zuwachs um 0,1 Prozent berichtet, nahm die Frauenbeteiligung in den Überwachungsgremien der 78 nicht in die Quote einbezogenen Firmen im selben Zeitraum um 1 Prozent ab. Als Ursache vermerkt die Studie die auf acht (von vorher sechs) erhöhte Zahl frauenfreier Aufsichtsräte. Außerdem sind 29 der 37 Betriebe mit weniger als 30 Prozent weiblichen Mitgliedern im Überwachungsgremium nicht durch die Quote reguliert. Ähnlich stieg bei den paritätisch mitbestimmten Unternehmen die Frauenrate in den Vorständen verglichen mit 2024 um 1,2 Prozent, bei den nicht quotierten Firmen hingegen sank der Prozentsatz um 0,2 Prozent. Nach Aussagen der WoB-Studie sorgte zusätzlich zur Geschlechtervorgabe das für 59,4 Prozent (60 Börsenbetriebe) der 101 Quoten-Unternehmen seit 2022 geltende Mindestbeteiligungsgebot für eine „kräftige Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe in den Unternehmensvorständen“.


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