In seinem Beschluss stützt sich der Frauenrat auf die Ergebnisse der Wissenschaftlichen Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin sowie der sogenannten ELSA-Studie. Wörtlich heißt es dann:
"Jede Frau, die sich für ein Kind entscheidet, muss die dafür individuell notwendige Unterstützung erhalten und darf für diese Entscheidung keine Nachteile erfahren. Werdende Eltern müssen soziale und ökonomische Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, sich auch dann für ein Kind entscheiden zu können, wenn die Schwangerschaft ungeplant war. Aber selbst unter besten Rahmenbedingungen kann es Lebensumstände geben, unter denen Frauen sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Neben Maßnahmen zur Prävention wie Sexualaufklärung in der Schule, dem kostenlosen Zugang zu (Not-)Verhütungsmitteln, dem Rechtsanspruch auf eine psychosoziale Beratung sowie einem flächendeckenden Angebot von Einrichtungen, in denen ambulant und stationär Schwangerschaftsabbrüche von qualifizierten Ärzt*innen durchgeführt werden können, heißt dies auch: Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden und Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht zu stigmatisieren und zu kriminalisieren.
Beratung und Information
- Ungewollt Schwangere müssen eine gut informierte Entscheidung treffen können. Dies erfordert evidenzbasierte, niedrigschwellige, mehrsprachige und barrierefreie Informationen zum Schwangerschaftsabbruch, inkl. zu verschiedenen Abbruchmöglichkeiten und -abläufen.
- Es muss ein flächendeckendes, plurales, kostenloses und wohnortnahes Beratungsangebot gewährleistet werden.
- Der Erhalt und Ausbau von Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen sowie die Fortführung einer zuverlässigen und auskömmlichen Finanzierung ist sicherzustellen.
- Ein Rechtsanspruch auf qualifizierte, anonyme, kostenlose, ergebnisoffene und barrierefreie Beratung insbesondere zu Aspekten von Sexualität, Familienplanung, Verhütung, Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch in staatlich anerkannten Beratungsstellen muss beibehalten werden.
- Bei der Feststellung einer Schwangerschaft durch eine*n Ärzt*in ist die Schwangere auf vorhandene Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen und Kontaktdaten staatlich anerkannter regionaler Beratungsstellen auszuhändigen.
Versorgung
- Schwangere müssen einen flächendeckenden, barrierefreien und wohnortnahen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen erhalten. Dazu müssen die Bundesländer den Versorgungsauftrag gemäß § 13 Absatz 2 SchKG durch ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen erfüllen. Dies setzt die Ermittlung und Bewertung der Versorgungssituation vor Ort, im Hinblick auf die Gewährleistung einer ausreichenden, flächendeckenden Versorgung voraus.
- Schwangerschaftsabbrüche gehören zur medizinischen Grundversorgung – im ambulanten und stationären Bereich. Dies müssen einerseits die Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Sicherstellung der Versorgung und andererseits die Länder bei den Krankenhausbedarfsplänen berücksichtigen.
Medizinische Aus- und Weiterbildung
- Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der medizinischen Ausbildung und in der Weiterbildung für die gynäkologische Fachärzt*innenausbildung werden.
Kostenübernahme
- Der sichere und kostenfreie Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen muss gewährleistet werden.
- Kosten für Schwangerschaftsabbrüche sollen von der GKV, die finanziell entsprechend auszustatten ist, bzw. durch die PKV übernommen werden.
Rechtliche Weiterentwicklung
- Der Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne den Willen der Schwangeren bleibt weiterhin strafbar. Ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Schwangeren soll mit einer Fristenlösung außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden.
- Der von einem*einer Ärzt*in vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist straffrei (bis zur 22. Schwangerschaftswoche) bzw. nicht rechtswidrig (nach der 22. Schwangerschaftswoche), wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden. "
DF-Vorsitzende "Beschluss ist historisch"
In einer Pressemitteilung bezeichnete die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats Dr. Beate von Miquel den Beschluss zu Paragraf 218 als "historisch". Der DF als Dachverband von rund 60 gleichstellungspolitischen Organisationen bilde die ganze Breite des frauenpolitischen zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland ab. Respektvolle Diskussionen und wertschätzender Umgang hätten den Weg zu diesem Konsens geebnet. "Das ist ein gutes Beispiel für gelebte Demokratie – jetzt ist die Bundespolitik gefragt, eine Neuregelung anzustoßen,“ fügte die DF-Vorsitzende hinzu. Der Deutsche Frauenrat veröffentlichte zugleich mit seinem Beschluss die abweichenden Voten der Frauenunion der CDU Deutschlands sowie der Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauenverbände. Sie haben folgenden Wortlaut:
"Erklärung der Frauen Union zum Beschluss der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats zum § 218 Strafgesetzbuch
Die Frauen Union sieht beim sieht beim § 218 keinen Handlungsbedarf: Das Selbstbestimmungsrecht der Frau und das Lebensrecht des Kindes sind gleichwertige Rechtsgüter. Die Kollision dieser Grundwerte wurde lange diskutiert und im § 218 rechtlich geregelt. In der Praxis hat sich der § 218 bewährt. Dass die Frauen Union Frauen bei einer ungewollten Schwangerschaft oder deren Verhinderung unterstützen will, ist selbstverständlich. Darüber muss die Debatte geführt werden. "
"Erklärung der AG Kath zum Beschluss der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats zum § 218 Strafgesetzbuch
Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauenverbände und -gruppen (AG Kath)1 ist ein plurales Netzwerk katholischer Frauenverbände und -gruppen auf Bundesebene. Sie setzt sich für Gerechtigkeit für Frauen und deren Gleichstellung in Kirche und Gesellschaft ein und versteht sich als Anwältin des Lebens. Für die AG Kath gilt die ungeteilte und unantastbare Würde des Menschen für das ungeborene Leben von Beginn an. Für Frauen ist eine ungewollte Schwangerschaft ein Konflikt, in dem sich die Schwangere für oder gegen das Leben ihres Kindes entscheiden muss. Das Zusammenspiel von Fristen- und Beratungsmodell im § 218a Abs. 1 StGB erkennt diese Situation an und stellt einen wichtigen verfassungsrechtlichen Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens dar. Es ist uns wichtig, dass jede Frau weiterhin wie bisher die Möglichkeit hat, innerhalb der ersten 12 Wochen straffrei eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen. Wir sehen, dass es hier noch Lücken in der Versorgungslage gibt, die verbessert werden muss. Dazu müssen die Bundesländer den Versorgungsauftrag zur Sicherstellung des Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche gemäß § 13 Absatz 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz erfüllen. Unabdingbar für uns ist im Schwangerschaftskonflikt für alle Frauen nicht nur das Recht auf Beratung, sondern die Pflicht, vor einem Abbruch eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass jede Frau unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und persönlichen Lebensumständen von ihrem Recht auf Beratung Gebrauch machen und zu einer informierten und selbstverantworteten Entscheidung kommen kann. Die Mitgliedsverbände der AG Kath"
1 Der BDKJ-Bundesverband ist Mitglied der AG Kath, schließt sich jedoch dieser Stellungnahme nicht an, da der Verband hierzu über keine Beschlusslage verfügt und sich daher als Verband zu der Fragestellung aktuell inhaltlich nicht positioniert