GESETZENTWUrF KOALITION 2./ 3. LESUNG : Fristenaufschub für Ganztag – Höhere Investitionen gefordert

3. Juli 2025 // Ulrike Günther

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung soll zu gleichen Chancen und Bildungsgerechtigkeit für alle beitragen. Um zu vermeiden, dass aufgrund von Planungsunsicherheiten, Fachkräftemangel und Lieferengpässen in Ländern die Fördersummen ungenutzt bleiben, hat der Bundestag für eine Verlängerung der Fristen gestimmt. Grüne und Linke fordern höhere Ganztags-Investitionen. Die Grünen möchten mit Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur die Qualität des Ganztags absichern, die Linken mahnen gleichwertige Lebensverhältnisse an.

Um den Rechtsanspruch zu garantieren, müssen Länder in Ganztagsausbau investieren. - Bild:  Needpix
Um den Rechtsanspruch zu garantieren, müssen Länder in Ganztagsausbau investieren. - Bild: Needpix

zwd Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Infrastruktur bewilligt, das nach Angaben des Bundesfinanzministeriums Ländern und Kommunen breite finanzielle Spielräume eröffnet, u.a. um in Bildung und in Betreuung zu investieren, Schulen und Kitas zu modernisieren. Die Grünen-Bundestagsfraktion schlug schon in der Parlaments-Debatte zur Änderung von Fristen im Investitionsprogramm Ganztagsausbau vom 26. Juni mit einem Entschließungsantrag (Drs. 21/ 641) vor, einen Teil der Mittel dafür einzusetzen, um nach den Empfehlungen der Länder gute Qualität bei der Ganztagsbetreuung von Grundschüler:innen umzusetzen.

Investitionen in den Ganztagsausbau seien „gute Investitionen in Bildung, Elternunterstützung und in die Zukunft unseres Landes“, betonte die Sprecherin für Bildungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion Jasmina Hostert in ihrer zu Protokoll gegebenen Rede zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (Drs. 21/ 216). Die Bedingungen zum Aufwachsen bundesdeutscher Kinder seien sehr unterschiedlich, von finanziellen Verhältnissen der Eltern, dem Wohnort und sozialen Umfeld abhängig. Länder und Kommunen hätten jedoch gemeldet, die Fristen für den zur Umsetzung des Rechtsanspruches erforderlichen Ausbau der Betreuungsangebote seien zu knapp bemessen.

SPD: Durch Gesetzesänderung Projekte erfolgreich umsetzen

Mit dem Gesetzentwurf von Union und SPD zur Verlängerung der Laufzeiten (gleichlautend mit dem Regierungsentwurf Drs. 21/ 514) sorge man nun dafür, dass „gute Konzepte (…) erfolgreich realisiert“ und die gewährten Finanzmittel „auch vollumfänglich ausgeschöpft“ werden können. Durch die Fristverlängerung gebe man „Ländern, Kommunen und Trägern die Zeit, die sie brauchen", um Projekte zu verwirklichen, erklärte auch der Obmann des Bildungsausschusses Wolfgang Dahler (Union). Der Ausbau der Ganztagsangebote müsse „mit flexiblen, passgenauen Lösungen umgesetzt werden“, unterstrich Dahler, wozu von Schulen gestalteter „gebundener Ganztag“ ebenso gehöre wie im Verbund aus Schule, Vereinen und anderen Trägern gemeinsam ermöglichte „qualifizierte Bildung und Betreuung“

Verzögerte Mittelabfrage durch Fachkräftemangel und Lieferengpässe

In Hinsicht auf die von SPD-Bildungspolitikerin Hostert angesprochene Problemlage heißt es im Entwurfstext, die Mittelabrufe durch Länder und Kommunen seien bisher zögerlich erfolgt. Als Investitionshemmnisse nennen die Koalitionsparteien vor allem „bei großen Bauvorhaben (Planungs-) Unsicherheiten“, teilweise seien Länderprogramme zur konkreten Regelung von Förderanträgen erst seit 2024 in Kraft. „Umfangreiche() Planungsprozesse, aktuelle() und erwartete() Fachkräfteengpässe in Bau(planungs)berufen sowie Lieferengpässe()“ machten es ungewiss, ob man die fraglichen Maßnahmen bis zu dem vorgegebenen Termin fertigstellen könne.

Laut Gesetzesvorlage müssen die Maßnahmen zum Ausbau von Ganztagsangeboten für Grundschulkinder nun bis zum Dezember 2029 abgeschlossen und bis zur Jahresmitte 2030 abgerechnet sein. Das Sondervermögen zur Umsetzung des über das Ganztagsfördergesetz (GaFöG) stufenweise ab dem Schuljahr 2026/ 27 geltenden Rechtsanspruchs wird demnach bis zum Dezember 2030 aufgelöst. Bislang mussten die nach dem Ganztagsfinanzhilfegesetz (GaFinHG) förderfähigen Projekte bis zum Dezember 2027 durchgeführt sein. Seit Dezember 2020 stellt der Bund über das Ganztagsfinanzierungsgesetz (GaFG) ein Sondervermögen von insgesamt 3,5 Mrd. Euro zur quantitativen wie qualitativen Erweiterung der Angebote, z.B. durch Neubau, Umbau, Sanierung oder verbesserte Ausstattung, bereit.

Die Grünen fordern Erhöhung der Ganztags-Investitionsmittel

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion Dr. Anja Reinalter gab zu bedenken, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Ganztagsbetreuung, der Kindern, Eltern und der Wirtschaft zugutekomme, noch nicht dessen praktische Verwirklichung garantieren könne. Der Rechtsanspruch leiste ein Versprechen „für Bildungsgerechtigkeit, für Entlastung im Alltag“ und biete eine wirksame Maßnahme „gegen die Fachkräftekrise“. Die Fristverlängerung sei zwar ein nötiger Schritt, doch ergebe noch keine „gute Bildungspolitik“. Ähnlich den Linken forderte Reinalter daher neben dem Fristenaufschub, entsprechend den Plänen von Union und SPD im Koalitionsvertrag, eine Erhöhung der den Ländern und Kommunen gewährten Fördermittel.

Wie im am selben Tag ins Parlament eingebrachten Entschließungsantrag ihrer Fraktion formuliert, trat Reinalter dafür ein, die Finanzhilfen aus dem Investitionsprogramm Ganztagsausbau auf mindestens 5 Mrd. Euro anzuheben, die Bundes-Zuschüsse zu den laufenden Betriebskosten der Ganztagseinrichtungen ab 2030 (von 1,3 Mrd. Euro) auf 2 Mrd. Euro aufzustocken und das von Union und SPD neu aufgelegte, 100 Milliarden-schwere Infrastruktur-Sondervermögen für die Länder und Kommunen für „Investitionen in die Qualität des Ganztags“ zu nutzen. Im Koalitionsvertrag stellen die Regierungsparteien außer der Verlängerung des Finanzprogrammes in Aussicht, „die Investitionsmittel für den Ganztag“ zu erhöhen.

Die Linke: Koalition soll gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke unterstrich, dass mit den per Gesetzesänderung verlängerten Fristen „weder die finanziellen noch die bürokratischen Probleme“ der Kommunen beseitigt seien, z.B. steigende Kosten bei Bauen und Energie. Gohlke mahnte die Koalitionsregierung, den Kommunen für die Ganztags-Vorhaben mehr und ausreichende Fördermittel zur Verfügung zu stellen. Als eine noch größere Schwierigkeit erachtet die Linken-Politikerin den Personalbedarf, um hochwertige Bildungsangebote zu gewährleisten. Darüber hinaus verlangte Gohlke „für alle Kinder (…) gleich gute Standards“.

Unter Rückgriff auf Statistiken, wonach die ostdeutschen Länder zwar voraussichtlich innerhalb des Jahrzehnts, anders als die westdeutschen, für jedes Kind einen Ganztagsplatz anbieten können, der Personalschlüssel im Osten andererseits mit 1 : 14 mehr als doppelt so hoch liege wie im Westen (1 : 6), rief die Linken-Politikerin die Bundesregierung auf „gleichwertige Lebensverhältnisse“ und „flächendeckend Bildungsgerechtigkeit“ zu schaffen. Der Gesetzentwurf der Koalition wurde gemäß Beschlussempfehlung (Drs. 21/ 630) einstimmig angenommen, der Entschließungsantrag der Grünen mit der Mehrheit von Union und SPD gegen das Votum der Opposition abgewiesen. Der Bundesrat hatte bereits in seiner Sitzung vom 13. Juni beschlossen, den Koalitionsentwurf ohne Einwendungen (Drs. 215/ 25) zu bewilligen.

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