Leitantrag: Geschlechtsbezogene strukturelle Diskriminierung von Frauen aufgrund des Machtgefälles zwischen Frauen und Männern
Entschließung
Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) stellt fest:
- 1. Auch nach vielen Jahren gleichstellungs- und frauenpolitischer Arbeit und Erfolgen existiert in vielen Bereichen eine nach wie vor andauernde geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen.
- 2. Eine der Hauptursachen für die anhaltende geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen liegt in institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen, in denen das Machtgefälle zwischen Frauen und Männern zu Ungunsten der Frauen verankert ist.
- 3. Daher sieht die GFMK die Beendigung von struktureller Diskriminierung von Frauen als dringliche Aufgabe an und setzt sich für ein Aufbrechen geschlechterdiskriminierender gesellschaftlicher Strukturen ein.
- 4. Über das Eintreten für den Abbau struktureller Diskriminierung hinaus, hat der Staat den verfassungsrechtlichen Auftrag, auf Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinzuwirken. Er hat daher die Gestaltungspflicht, aktiv positive Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Nachteile zu ergreifen, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen zu erreichen.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und aktuelle Sexismusdebatte
Die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie geschlechtsbezogene Stereotype und Vorurteile haben einen ungleichen sozialen Status von Frauen und Männern zur Folge und werden unter dem Oberbegriff Sexismus zusammengefasst[1].
Ein Aspekt von Sexismus, der in den letzten Jahren zunehmend im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stand und nach wie vor steht, ist sexuelle Belästigung von Frauen bis hin zu sexuellen Übergriffen und sexualisierte Gewalt. Auch das Thema Gewalt in engen sozialen Beziehungen ist stärker in den Fokus gerückt. Mit dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention – mit der sich die GFMK letztes Jahr in ihrem Leitantrag befasste –, dem Gewaltschutzgesetz, aber auch der jüngsten Reform des Sexualstrafrechts haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Frauen vor (sexualisierter) Gewalt erheblich verbessert. Dass dies nur der Beginn einer Weiterentwicklung von Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt sein kann, belegen aktuelle Zahlen: Häufiger als jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet (147 Fälle in 2017[2]), jede vierte Frau hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Partnerschaftsgewalt erlebt, laut einer Studie des BMFSFJ waren insgesamt 58,2 Prozent aller befragten Frauen Situationen sexueller Belästigung ausgesetzt[3]. Nach wie vor werden trotz der veränderten Rechtslage wenige Fälle zur Anzeige gebracht und noch weniger Täter verurteilt. Dennoch: Das Thema sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen ist kein Tabu mehr. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung von geschlechtsbezogener Diskriminierung von Frauen.
Nicht zuletzt ist dieser Fortschritt auch den Debatten und erfolgreichen Kampagnen in den sozialen Netzwerken zu verdanken: Unzählige Frauen weltweit berichteten von ihren Erlebnissen, die von sexistischen Äußerungen bis hin zu sexualisierten Gewalterfahrungen reichen. Durch ihre mutigen Erfahrungsberichte brachen die Frauen das Schweigen und zeigten eindrücklich, dass es sich bei sexuellen Übergriffen und Gewalt keinesfalls um ein Randphänomen handelt.
Trotz aller erkennbarer Fortschritte manifestiert sich zugleich eine Gegenbewegung. Gleichstellungspolitik, Gleichstellungseinrichtungen und Geschlechterforschung werden in Frage gestellt und weiterhin bestehende, vor allem subtile und versteckte Formen der geschlechtsspezifischen Benachteiligung von Frauen werden geleugnet bzw. nicht als solche anerkannt. In der Forschung wird die Verleugnung der sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern als „moderner Sexismus“ bezeichnet[4]. „Moderne Sexisten“ sehen beispielsweise weder in der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern, noch in der geringeren Präsenz von Frauen in Führungspositionen oder Parlamenten eine geschlechtsspezifische Diskriminierung, sondern führen diese auf unterschiedliche Interessen von Frauen und Männern zurück. Biologistische Sichtweisen auf Geschlechterdifferenzen werden dem Ziel entgegengesetzt, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Daher werden von diesen Kräften auch Maßnahmen abgelehnt, die darauf abzielen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten abzubauen und gleiche Verwirklichungschancen für Frauen und Männer[5] zu ermöglichen.
Diese verengte Sichtweise auf die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern erschwert vor allem die Sichtbarkeit geschlechtsbezogener Diskriminierung, die von institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen ausgeht. Gerade in diesen Bereichen hat sich trotz jahrzehntelanger gleichstellungs- und frauenpolitischer Arbeit und Erfolgen bis heute noch immer nicht genug bewegt.
Gesellschaftliche Strukturen als Ursache andauernder geschlechtsbezogener Diskriminierung von Frauen
Unter dem Begriff der „strukturellen Diskriminierung“ werden Benachteiligungen verstanden, die aus existierenden gesellschaftlichen Strukturen resultieren[6]. Die jahrhundertelange auch rechtliche Benachteiligung von Frauen hat zu unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Frauen und Männer beigetragen. Bestehende stereotype Vorstellungen sind gefestigt und haben ihre Spuren in der Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebens hinterlassen. Die Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist über Jahrhunderte und Jahrzehnte gewachsen. Damit gehen Konventionen, Gebräuche und Traditionen einher, die die Privilegierung der Männer bzw. die Schlechterstellung der Frauen als „normal“ und vorgegeben erscheinen lassen[7]. Dieses Machtgefälle zwischen den Geschlechtern zu Ungunsten der Frauen wird somit immer wieder gestützt und verfestigt. Denn die Art und Weise, wie die Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – wie bspw. Arbeit, Politik, Familie, Recht – organisiert sind, stellt sich zum Teil als Hindernis für die gleichberechtigte soziale Partizipation von Frauen dar und drängt Frauen in sogenannte „Frauendomänen“. Die Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebens erfolgt dabei durch (scheinbar geschlechtsneutrale) rechtliche und politische Rahmenbedingungen, organisatorische Strukturen, Programme, Normen, Regeln und Routinen sowie kollektive Wissensrepertoires.
Diese Form der Diskriminierung[8] ist nicht immer einfach zu erkennen. Bestehende und vertraute Strukturen werden häufig nicht hinterfragt und auch von den Betroffenen selbst zum Teil nicht als diskriminierend wahrgenommen und erkannt. Strukturelle Diskriminierung wird im Folgenden anhand des Beispiels der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern aufgezeigt.
Strukturelle Diskriminierung von Frauen am Beispiel Entgeltungleichheit
Zur Lohngerechtigkeit hat die GFMK seit 1997 bereits viele wichtige Beschlüsse gefasst, u.a. 2013 den Leitantrag „Auf dem Weg zur Entgeltgleichheit – geschlechtergerechte Einkommensperspektiven schaffen“ sowie 2015 den umfassenden Beschluss „Lohngerechtigkeit“, in dem die Ergebnisse der GFMK-Arbeitsgruppe „Entgeltgleichheit“ aufgriffen wurden. Doch hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten bei der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern nur wenig getan. Dass die Entgeltungleichheit trotz politischer Maßnahmen so stabil bleibt, lässt sich vor allem auf ihre strukturellen Ursachen zurückführen.
Laut Statistischen Bundesamt beträgt der „Gender Pay Gap“ 21 Prozent, d. h. Frauen haben im Durchschnitt einen um 21 Prozent geringeren Bruttostundenlohn als Männer (Früheres Bundesgebiet: 22 Prozent; Neue Länder: 7 Prozent)[9].
Rund drei Viertel des Verdienstunterschieds zwischen Frauen und Männern ist strukturbedingt. Das heißt, sie lassen sich nicht auf eine direkte Lohndiskriminierung von Frauen zurückführen, sondern durch unterschiedliche Branchen und Berufe, differente Platzierungen in den Hierarchien der Unternehmen, unterschiedliche Erwerbsumfänge sowie unterschiedlich lange Erwerbskarrieren erklären:
- Frauen arbeiten häufig in frauendominierten Berufen. Die Berufswahl von Frauen und Männern erfolgt nicht ausschließlich entlang individueller Vorlieben und Interessen, sondern wird durch stabile geschlechtsspezifische Stereotype, die in der Gesellschaft fest verankert sind, beeinflusst. So entscheiden sich Frauen häufiger für kaufmännische und soziale Berufe (bspw. Erzieherin, Sekretärin, Verkäuferin, Pflegerin), die aufgrund männlich geprägter gesellschaftlicher Wertvorstellungen für Arbeit schlechter entlohnt werden als männerdominierte Berufe (bspw. in der IT oder im Finanzsektor). Dass die Bewertungen von Berufen auf geschlechtsspezifische Normen in der Gesellschaft zurückzuführen sind und nicht alleine auf objektiven Kriterien beruhen, zeigt sich besonders deutlich im Falle der Feminisierung eines Berufes bzw. Berufsfeldes, wie das bspw. in der PR-Branche der Fall war. Der hohe Zustrom an weiblichen Beschäftigten hat hier zu einem „Gender Switch“ geführt, der mit einem Rückgang der Gehälter einherging. Neue Impulse für eine statistische Bestätigung der geschlechterdifferenten Bewertung von Erwerbsarbeit liefert auch der „Comparable Worth-Index“ (kurz: „CW“-Index), mit dessen Hilfe Tätigkeiten erstmals geschlechtsneutral hinsichtlich ihrer Anforderungen verglichen werden können. Ergebnisse des Forschungsprojekts „Comparable Worth – Blinde Flecken in der Ursachenanalyse des Gender Pay Gaps“ zeigen[10], dass die Kriterien, nach denen Arbeit zu bewerten und zu bezahlen ist, häufig nicht diskriminierungsfrei gestaltet sind. Der CW-Index schließt somit eine wichtige Forschungslücke und belegt, dass weibliche Erwerbsarbeit trotz gleichwertiger Anforderungen geringer bewertet und bezahlt wird als männliche Erwerbsarbeit. Er schafft damit eine fundierte Argumentationsgrundlage für die Forderung nach einer Aufwertung weiblich dominierter Tätigkeiten.
- Auch dass Frauen häufiger in ihrem Lebenslauf Erwerbsunterbrechungen vorzuweisen haben, in Teilzeit arbeiten oder geringfügig beschäftigt sind, wirkt sich negativ auf ihren Stundenlohn aus. Denn ihre Einkommens- und Karrierechancen sind im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten schlechter. Berufsunterbrechungen und die Reduzierung der Arbeitszeit erfolgen meist aufgrund von familialen Sorge- und Pflegetätigkeiten, die beeinflusst von geschlechtsspezifischen Rollenbildern in erster Linie von Frauen übernommen werden. Um unbezahlte Familienarbeit leisten zu können, stecken Frauen bei der bezahlten Erwerbsarbeit zurück. Verschärft wird diese Situation von institutionellen Rahmenbedingungen wie u.a. die mangelnde Verfügbarkeit von Angeboten zur Kinderbetreuung und Pflege sowie die fehlende Flexibilität von Arbeitszeitmodellen. Des Weiteren begünstigen Gesetze und Vorschriften, dass und wie lange Frauen ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und / oder ihre Arbeitszeit reduzieren. Ein Beispiel stellt hier der § 10 SGB II dar, der beinhaltet, dass Eltern von Kindern unter drei Jahren eine Arbeitsaufnahme regelhaft nicht zumutbar ist. Vor allem für Frauen stellt diese Regelung ein Vermittlungshemmnis dar. Daher fordert die GFMK unter TOP 8.5 auch die Änderung des Paragraphen.
- Des Weiteren sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, die nicht nur mit Macht und Status einhergehen, sondern in denen auch eine bessere Vergütung gewährt wird. Dass Frauen seltener in Führungspositionen gelangen, hat auch institutionelle und gesellschaftliche Ursachen. Nach wie vor gestaltet es sich in vielen Unternehmen vor allem für Frauen schwierig, Familie und Karriere zu vereinbaren, da eine Anwesenheits- und Überstundenkultur für Führungskräfte vorherrscht. Führen in Teilzeit ist ein Randphänomen. Auch passt das kollektiv geteilte Verständnis, dass Führungskompetenz u.a. mit Machtstreben und Durchsetzungsstärke zusammenfällt, nicht zu den Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben werden. Des Weiteren entscheiden sich Führungskräfte (bei denen es sich überwiegend um Männer handelt) bei der Neubesetzung von Führungspositionen häufig für Personen, die ihnen ähnlich sind.
- Strukturen aufzubrechen, die die Benachteiligung von Frauen begünstigen, und deren Ursachen zu bekämpfen.
- Strukturen zu schaffen, die Frauen und Männern die gleichen Verwirklichungschancen ermöglichen.
Um auch diesen strukturellen Ursachen der Entgeltungleichheit entgegenzuwirken, hat sich die GFMK bereits mehrfach für ein Bündel von Maßnahmen eingesetzt, die u.a. zur Aufwertung frauendominierter Berufe, dem Aufbrechen geschlechtsspezifisch eingeschränkter Berufsorientierungen, einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben sowie einer stärkeren Transparenz von Entgeltstrukturen beitragen (siehe u.a. den Leitantrag zur Entgeltgleichheit von 2013).
Geschlechterdiskriminierende Strukturen aufbrechen!
Die GFMK hat sich in 29 Jahren durchgängig für die Rechte von Frauen eingesetzt und dies in den Mittelpunkt ihres Handels gestellt. In dieser Zeit hat sich die Situation von Frauen in etlichen Bereichen positiv entwickelt und verändert.
Dass diese Errungenschaften nicht selbstverständlich sind, zeigen uns die aktuellen Widerstände gegen die Frauen- und Gleichstellungspolitik. So gilt es, einerseits ein Rollback zu verhindern und andererseits die Frauen- und Gleichstellungspolitik weiter voranzutreiben.
Gleichzeitig sehen wir, dass geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen nach wie vor aktuell ist und sich teils verfestigt hat. Daher sieht die GFMK die Beseitigung von struktureller Diskriminierung von Frauen als weiterhin dringliche Aufgabe an. Die GFMK setzt sich dafür ein:
Die Beseitigung struktureller Diskriminierungen ist ein langwieriger und komplexer Prozess, in dem es keine einfachen Lösungen oder schnelle Erfolge gibt. Und doch ist sie elementar, um eine tatsächliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern zu erreichen. Gleichstellungspolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte braucht.
Trotz unbestreitbarer Fortschritte sind wir auch 70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und rund ein Vierteljahrhundert nach der Einführung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in vielen Bereichen noch zu weit entfernt von echter Gleichstellung. Noch zu häufig erschöpft sich Gleichstellung in dem Verbot von Diskriminierungen, was zwar in jeder Hinsicht notwendig, aber für die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht hinreichend ist. Bleiben trotz gleicher Rechte tatsächliche Benachteiligungen bestehen, muss es nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Ziel staatlichen Handelns sein, deren Ursachen zu beseitigen bzw. dort, wo dies nicht möglich oder noch nicht erfolgreich ist, diese durch Schaffung entsprechender Vorteile zu kompensieren und so die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern auch real anzugleichen.
[1] Eckes, Thomas (2010): Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In: Becker, Ruth / Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie.
[2] vgl Bundeskriminalamt (2017): Partnerschaftsgewalt: Kriminalistische Auswertung – Berichtsjahr 2017.
[3] BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland: Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland.
[4] Bundeszentrale für politische Bildung (2014), http://www.bpb.de/apuz/178674/subtile-erscheinungsformen-von-sexismus (abgerufen am 20.03.2019).
[5] Vgl. hierzu: BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2017): Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
[6] Die Abgrenzung von struktureller und institutioneller Diskriminierung ist in der Literatur uneinheitlich. Generell handelt es sich um idealtypische Konstruktionen, die sich nur analytisch trennen lassen und in der Praxis kaum in Reinform vorkommen. Denn alle institutionellen Diskriminierungen wirken sich strukturell auf die Gesellschaft aus. (Vgl. hierzu: Gomolla, Mechtild (2017): Direkte und indirekte, institutionelle und strukturelle Diskriminierung. In: Scherr, Albert et al. (Hrsg.): Handbuch Diskriminierung).
[7] Verein Humanrights.ch: https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/diskriminierungsverbot/konzept/formen/ (abgerufen am 20.03.2019).
[8] Die verschiedenen Formen der Diskriminierung – individuelle, institutionelle und strukturelle – überschneiden sich in der Praxis (vgl. Gomolla 2017).
[9] Zahlen aus dem Jahr 2018. Statistisches Bundesamt (2019), https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/03/PD19_098_621.html (abgerufen am 21.03.2019).
[10] Klammer, Ute / Klenner, Christina / Lillemeier, Sarah (2018): „Comparable worth“: Arbeitsbewertungen als blinder Fleck in der Ursachenanalyse des Gender Pay Gaps? WSI-Study Nr. 14.
Unternehmen haben es in der Hand: Auf Sexismus und Geschlechterklischees in der Werbung verzichten
Beschluss:
Die GFMK nimmt mit Sorge den nach wie vor vielfach vorhandenen Sexismus in der Werbung wahr und beobachtet den Trend, dass Produkte zunehmend über Geschlechterklischees vermarktet werden. Dieses sogenannte Gender-Marketing verfestigt tradierte Rollenzuschreibungen und kann sogar neue Geschlechterklischees produzieren. Eine weitere Entwicklung ist das „Gender Pricing“, also die Preisdifferenzierung nach Geschlecht, bei dem für das im Grunde funktionsgleiche Produkt von Frauen und Männern verschiedene Preise festgelegt werden. All das bedeutet eine Benachteiligung im Sinne des grundgesetzlichen Gleichheitsgebots.
- 1. Die GFMK appelliert daher an die Unternehmen, insbesondere der Konsumgüterindustrie und ihrer Verbände (Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Handelsverband Deutschland-HDE e. V., Markenverband e. V.) sowie an die öffentlichen Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen
- a) ihre Marktmacht verantwortungsvoll einzusetzen und in der Werbung für ihre Produkte Frauen und Männer nicht sexistisch darzustellen;
- b) sich eine Selbstverpflichtung aufzuerlegen, weder mit ihren Produkten, noch mit dem dazugehörigen Marketing und Design, Geschlechterklischees zu konstruieren und zu reproduzieren;
- c) keine Preisdifferenzierung nach Geschlecht für funktionsgleiche Produkte zu verlangen;
- d) sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen und sich noch stärker als bisher für Vielfalt und Gleichstellung zu positionieren.
- 2. Die GFMK fordert den Deutschen Werberat auf, seinen Werbekodex[1] noch weiter zu präzisieren, so dass Sexismus in der Werbung noch eher und sicherer als solcher erkannt und verfolgt werden kann, und begrüßt die bereits vorgenommene Differenzierung von sexistischer und stereotyper Werbung.
Begründung:
Geschlechterdiskriminierende Werbung und Gender-Marketing reproduzieren und manifestieren Rollenzuschreibungen. Durch eine reduzierte und in Klischees verhaftete Darstellung werden nicht nur Frauen, sondern auch Männer abgewertet. Das steht der Verwirklichung des Gleichheitsgebots entgegen. Darauf hat die GFMK mit ihren Beschlüssen von 2017 und 2018 bereits hingewiesen.
Gender-Marketing hat ursprünglich zum Ziel, Produktentwicklung, Vertrieb, Preispolitik und die Kommunikation an die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebenssituationen von Frauen und Männern anzupassen.[2] Dies kann dort sinnvoll sein, wo es tatsächlich unterschiedliche Bedürfnisse und Lebenssituationen von Frauen und Männern gibt. Ein Beispiel dafür wäre die Werbung für ein Finanzprodukt, das Rentenlücken im Alter schließen soll. Da Frauen in der Regel geringere Renten als Männer erhalten, wäre hier eine Werbung, die insbesondere Frauen anspricht, eine zielgruppengerechte Form des Gender-Marketings. Zunehmend werden unterschiedliche Bedürfnisse von Frauen und Männern aber nur behauptet oder erst geschaffen. So verstärkt Gender-Marketing Geschlechterklischees und traditionelle Rollenprägungen.
Mittlerweile wird mit Gender-Marketing nicht nur für „geschlechtertypische“ Kinderspielzeuge und Körperpflegeprodukte geworben, sondern auch für spezielle (oder speziell verpackte) Lebensmittel für Jungen/Männer und Mädchen/Frauen. Für Jungen soll Mama die Instantsuppe für „Champions“ kochen, für Mädchen wird die Suppe für „Glamour Queens“ zubereitet. Es gibt sogar Bibeln in Männer- und Frauen-Editionen sowie rosafarbene und blaue Scheren, um die Nabelschnur bei neugeborenen Mädchen oder Jungen durchzuschneiden[3].
Zudem werden einige speziell für Frauen kreierte Produkte zu einem höheren Verkaufspreis angeboten als funktionsgleiche „Männer-Produkte“ – u. a. in der Annahme, dass Frauen bereit sind, für diese Produkte mehr Geld auszugeben. Produktvarianten nach Geschlecht mit Preisunterschied machen gemäß einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zwar nur einen geringen Anteil am Gesamtsortiment aus[4], dennoch sollten solche unfairen Praktiken gänzlich unterbleiben.
Neben sexistischer Werbung für Produkte ist zu beobachten, dass öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen in einigen Fällen ebenfalls auf sexistische Motive zurückgreifen.
Fest steht: Sexistische Werbung wird nur dann produziert, wenn sie in Auftrag gegeben bzw. abgenommen wird. Das gleiche gilt für den Vertrieb von Produkten mittels eines auf Geschlechterklischees basierenden Gender-Marketings. Daher sieht die GFMK öffentliche Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen sowie Unternehmen und als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auch deren Verbände in der Verantwortung. Sie sind Auftraggeber von sexistischer Werbung und Gender-Marketing oder nehmen beides billigend in Kauf. Sie haben die Marktmacht, die Werbe- und Produktlandschaft zu beeinflussen. Mit einer Selbstverpflichtung zu diskriminierungsfreier und nicht-sexistischer Werbung sowie Vermarktung können sie Vorreiterinnen und Vorreiter für eine an Vielfalt und Gleichstellung ausgerichtete Unternehmenskultur und Wirtschaftswelt sein.
Der Deutsche Werberat ist in Deutschland die wichtigste Instanz zur Sichtbarmachung sexistischer Werbung. Je konkreter seine Prinzipien formuliert sind, desto eher kann er bei Verstößen einschreiten. In den „Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen“[5] ist, besonders in den Punkten 5 und 6, sexistische Werbung zwar beschrieben, allerdings findet sich nicht konkret der Begriff „Sexismus“. Eine explizite Benennung als Sexismus würde dem Thema aber noch mehr Sichtbarkeit geben. Die GFMK begrüßt, dass der Deutsche Werberat im Leitfaden zum Werbekodex Beispiele für sexistische Werbung gibt. Damit kann sexistische Werbung leichter als solche eingeschätzt werden und auch, ob eine Beschwerde beim Deutschen Werberat Erfolg hätte. Zudem können diese Beispiele als Orientierung für Unternehmen und ihre Verbände dienen. Oft entscheidet nämlich nur eine Nuance darüber, ob eine Werbung Sexismen vermittelt oder nicht. Die Organisation Pinkstinks Germany e. V. zeigt in ihrem Projekt Werbemelder*in [6] ebenfalls Kriterien und Beispiele für das Monitoring sexistischer Werbung auf. Sie unterscheiden drei Kategorien: sexistisch, nicht-sexistisch und stereotyp. Die dritte Kategorie trägt dem Rechnung, dass nicht jede Werbung, die Frauen oder Männer in tradierten Rollenzuschreibungen zeigt, auch direkt sexistisch ist. Damit leistet Pinkstinks Germany e. V. einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung für Sexismus in der Werbung und darüber hinaus für die Sichtbarmachung klischeehafter Werbung. Die GFMK begrüßt, dass auch der Deutsche Werberat „stereotype Werbung“ beschreibt, denn auch sexistische Werbung nutzt in der Regel Geschlechterstereotypen.
Immer wieder zeigen namhafte Unternehmen mit Werbekampagnen, dass es auch anders geht und vermarkten ihre Produkte frei von Rollenklischees. Besonders jene von weltbekannten Herstellern gehen in diesem Fall oft viral und eröffnen eine vielfältige Resonanz. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hier um eine sich abzeichnende Trendwende oder unternehmerisches Kalkül im Rahmen der #MeToo-Debatten handelt.
In jedem Fall gibt es einen großen gesellschaftlichen Bedarf nach der Sichtbarkeit vielfältiger Geschlechterrollen und Vorbilder, jenseits von Stereotypen und ohne Sexismen.
[1] https://www.werberat.de/werbekodex/herabwuerdigung-diskriminierung (Stand: 11.02.2019).
[2] Kreienkamp, Eva (Hg.) (2009): Gender-Marketing. Impulse für Marktforschung, Produkte, Werbung und Personalentwicklung, München.
[3] https://www.stern.de/familie/kinder/nabelschnurscheren-in-rosa-und-blau---k-ein-schlechter-witz-aus-dem-kreisssaal--8445476.html (Beitrag vom 13. November 2018).
[4] Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland. Eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017) von Iris an der Heiden, IF! Institut für sozioökonomische Forschung der 2HM & Associates GmbH und Prof. Dr. Maria Wersig, Fachhochschule Dortmund.
[5]https://www.werberat.de/werbekodex/herabwuerdigung-diskriminierung(Stand: 11.02.2019).
[6] https://werbemelder.in/kriterienbeispiele/(Stand: 11.02.2019).
Überprüfung von Algorithmen-basierten Entscheidungen zur Vermeidung der Diskriminierung von Frauen und Implementierung des Gender-Mainstreaming-Prinzips in der Digitalstrategie des Bundes
Beschluss:
- Die GFMK stellt fest, dass beim Einsatz von Algorithmen-basierten Entscheidungen überprüft werden muss, ob den Algorithmen Diskriminierungsmechanismen zugrunde liegen, die zu einer Benachteiligung von Frauen führen. Die GFMK fordert die federführenden Ministerien des Bundes (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) vor diesem Hintergrund auf, im Rahmen der Maßnahme ‚Algorithmen-basierte Entscheidungen überprüfbar machen‘ der Digitalstrategie des Bundes[1] hinsichtlich der Diskriminierung von Frauen spezifische Handlungsoptionen und ggf. Regulierungsmöglichkeiten zu formulieren und umzusetzen.
- Die GFMK fordert die Bundesregierung auf, ihre Digitalstrategie systematisch entsprechend des Gender Mainstreaming-Prinzips nach § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) auszurichten und umzusetzen. Dazu sollte zur Identifizierung entsprechender Ansatzpunkte und der sich daraus ergebenen Prozesse in der Digitalstrategie eine systematische gleichstellungsfachliche Einschätzung vorgenommen werden, welche Bereiche des digitalen Wandels Einfluss auf die Gleichstellung der Geschlechter haben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten auch von den Ländern bei der Weiterentwicklung ihrer Digitalstrategien genutzt werden und dadurch zu einer kohärenten Strategieentwicklung zwischen Bund und Ländern beitragen.
- Die GFMK bittet die Bundesregierung, sich ferner mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft 2020 für entsprechende spezifische Handlungsoptionen und ggf. Regulierungsmöglichkeiten für Algorithmen-basierte Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene sowie flankierende interdisziplinäre Forschungs-, Informations- und Aufklärungsangebote einzusetzen.
- Die GFMK wird den Beschluss an die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK), die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder (JuMiKO), die Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) sowie die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) übermitteln.
Begründung:
Unsere Welt ist digital vernetzt. Diese Entwicklung und damit einhergehende Verflechtungen und Interdependenzen nehmen täglich zu. Die Nutzung von Algorithmen – im Sinne von komplex programmierten digitalen Anwendungen, die eigenständig Entscheidungen generieren oder vorbereiten – schafft das Fundament, auf dem sich gesellschaftliche Realität in der digitalisierten Welt weiterentwickelt. Beispiele dafür sind Algorithmen, die u. a. Suchergebnisse generieren oder in Bewerbungsverfahren eingesetzt werden.
In diesem Kontext ist es von besonderer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, dass die strukturelle Diskriminierung, der Frauen in der analogen Welt ausgesetzt sind, nicht weiterhin in der digitalen Welt reproduziert und ggf. noch verschärft wird und bereits erreichte Errungenschaften nivelliert werden.
Die GFMK begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Bundesregierung mit ihrer Umsetzungsstrategie zur Gestaltung des digitalen Wandels‘ den Beschlüssen der 24. und 25. GFMK (1./2. Oktober 2014, TOP 5.1 ,,Bekämpfung von Cybergewalt gegen Frauen und Mädchen“ und 2./3. Juli 2015, TOP 7.7 „Cybergewalt gegen Frauen und Mädchen ist reale Gewalt“) gefolgt ist und somit den Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt als eigenständiges Handlungsfeld definiert hat. Ferner begrüßt die GFMK, dass sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht hat, grundsätzlich zu eruieren, wie „Algorithmen-basierte Entscheidungen im Hinblick auf mögliche unzulässige Diskriminierungen, Benachteiligungen und Betrügereien überprüfbar gemacht werden können“[2], um daraus Handlungsoptionen ableiten zu können.
Aus Sicht der GFMK muss indes der Diskriminierung von Frauen bei der Verwendung von Algorithmen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und diese explizit behandelt werden. Es ist beim Einsatz von Algorithmen sicherzustellen, dass kein Risiko einer Diskriminierung hinsichtlich des Merkmals Geschlecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz entsteht. An Hand des Beispiels Algorithmen wird deutlich, dass die Anwendung des Gender Mainstreaming-Prinzips entsprechend § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien in der Digitalstrategie gewährleistet sein muss und bisher nicht hinreichend sichtbar ist.
Auch Bezug nehmend auf den Beschluss der 27. GFMK ‚Gleichstellung der Geschlechter konsequent in die digitale Agenda der Bundesregierung integrieren!‘ (TOP 12.1, 7./8.6.2017) moniert die GFMK, dass andere im Kontext der Digitalisierung gleichstellungspolitisch relevante Bereiche bisher leider noch nicht konsequent mitgedacht und bei allen Maßnahmen und Planungen angemessen berücksichtigt zu sein scheinen. Vor diesem Hintergrund fordert die GFMK die Bundesregierung auf, ihre Digitalstrategie systematisch entsprechend des Gender Mainstreaming-Prinzips auszurichten und zu implementieren. Sie schlägt vor, die entsprechenden Umsetzungspunkte in der Digitalstrategie durch gleichstellungsfachliche Expertise eruieren zu lassen.
[1] Bundesregierung: Digitalisierung gestalten - Umsetzungsstrategie der Bundesregierung, S. 98; https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1552758/f7a843ad5aa07e9a25af191e8895b23f/pdf-umsetzungsstrategie-digitalisierung-data.pdf?download=1.
[2] ebd., S. 98.
Einbindung von Expertinnen sowie gleichstellungsfachlicher Kompetenz bei der Umsetzung der Strategie Künstliche Intelligenz (KI) des Bundes sicherstellen
Beschluss:
- Die GFMK fordert die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung der KI-Strategie sowie entsprechenden Prozessen an allen relevanten Stellen eine repräsentative Beteiligung von Frauen anzustreben und die Einbindung von gleichstellungspolitischer Expertise sicherzustellen.
- Die GFMK fordert die Bundesregierung auf zu berichten, wie sich der vorgesehene Rückkopplungsprozess mit Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zur Umsetzung der KI-Strategie sowie etwaige vergleichbare Prozesse gestalten und wie dabei sowohl die repräsentative Beteiligung von Frauen angestrebt als auch die Einbeziehung gleichstellungsfachlicher Expertise sichergestellt wird.
Begründung:
Die GFMK befürwortet, dass die Bundesregierung die wesentliche Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI) – im Sinne einer Erstellung ‚intelligenter‘ Computersysteme – für die Zukunftsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland formuliert hat und legt die KI-Definition der Bundesregierung zu Grunde.[1] Unter Künstliche Intelligenz (KI) ist im Sinne des Strategiepapiers der Bundesregierung ein Computersystem zu verstehen, bei welchem – auf Basis von mathematischen und informationstechnischen Methoden – Aspekte menschlicher Intelligenz nachgebildet werden, um konkrete Anwendungsprobleme zu lösen (z. B. durch die Simulation und Unterstützung menschlichen Denkens) und welches zur Selbstoptimierung fähig ist.
Die GFMK nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesregierung sich in der Pflicht sieht, „eine verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Nutzung von KI in Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und der Zivilgesellschaft voranzubringen.“ Und dass sie dieses auf der Grundlage „europäischer Werte wie der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Achtung der Privatsphäre und des Gleichheitsgrundsatzes“ zu tun gedenkt.[2]
Sie teilt ferner die Auffassung, dass die Entwicklung der KI dynamisch voranschreitet und vor diesem Hintergrund „auch die Strategie KI in ihrer Umsetzung dauerhaft mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft rückgekoppelt werden [muss], um eine vertrauens- und innovationsfördernde KI-Kultur in Deutschland zu etablieren.“[3]
Die GFMK konstatiert, dass die Nutzung von KI eine gesellschaftsverändernde, disruptive Kraft ist und zunehmend sein wird. Sie weist darauf hin, dass die Art und Weise, wie KI entwickelt und gestaltet wird, die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in Deutschland maßgeblich beeinflussen wird: „The diversity - including gender diversity - of views among innovators is vital to ensuring the economic opportunities created by AI [artificial intelligence] do not increase existing gender inequalities, and that new AI systems serve the needs of society at large. It is of critical importance to reverse these trajectories at this early stage of professional expansion for innovative sectors and ensure that Artificial Intelligence is a field that is inclusive by design.”[4]
Vor diesem Hintergrund moniert die GFMK, dass in dem bisherigen Entwicklungs- und Konsultationsprozess zur KI-Strategie Expertinnen deutlich unterrepräsentiert gewesen sind. Es fanden beratende Workshops zum Teil gänzlich ohne weibliche oder mit nur sehr geringer weiblicher Beteiligung statt.[5] Dieses drastische Missverhältnis steht im Widerspruch zu den eigens gesetzten Zielen der Bundesregierung und ist gleichstellungspolitisch nicht hinnehmbar – insbesondere hinsichtlich der zukunftsgestaltenden Relevanz Künstlicher Intelligenz in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen.
Die GFMK fordert die Bundesregierung deshalb auf, darüber zu berichten, wie der avisierte „dauerhafte Rückkopplungsprozess“ zur KI-Strategie insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs im Detail ausgestaltet werden soll und wie die Bundesregierung eine repräsentative Beteiligung von Expertinnen und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft an diesem Prozess und ggf. vergleichbaren Prozessen anzustreben sowie die Einbeziehung gleichstellungsfachlicher Expertise sicherzustellen gedenkt. Darüber hinaus fordert die GFMK die Bundesregierung ebenfalls grundsätzlich dazu auf, bei der Umsetzung bzw. Weiterentwicklung der KI-Strategie an allen relevanten Stellen die Beteiligung von Expertinnen anzustreben und die Einbeziehung gleichstellungsfachlicher Expertise sicherzustellen.
[1] Bundesregierung: Strategie Künstliche Intelligenz
der Bundesregierung, S.4 f.; https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Technologie/strategie-kuenstliche-intelligenz-der-bundesregierung.html.
[2] Bundesregierung: Eckpunkte der Bundesregierung für eine Strategie Künstliche Intelligenz, S. 1; https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/eckpu...
[3] ebd., S. 11, vgl. auch Strategie Künstliche Intelligenz, S. 45 f.
[4] World Economic Forum: The Global Gender Gap Report 2018 (GGGR), S. 32, vgl. auch S. 28 ff.; http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2018.pdf.
[5] vgl. Deutscher Bundestag: Drucksache 19/4421, S. 134.
Geschlechterparitätische Wahlgesetzgebung
Entschließung:
Das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten ist evident. Anknüpfend an die Beschlüsse der Konferenzen der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) 6.1 aus 2017 „Gleiche Repräsentanz von Frauen in Parlamenten ist längst überfällig“ und 10.4 aus 2018 „100 Jahre Frauenwahlrecht“ unterstreicht die GFMK den nach wie vor bestehenden Handlungsbedarf bezüglich der Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten.
Die GFMK begrüßt die vielfältigen Initiativen verschiedener Verbände und Organisationen sowie aus dem politischen Raum, die zeigen, dass in das Thema paritätische Politikbeteiligung von Frauen bundesweit Bewegung gekommen ist.
Sie setzt sich weiterhin dafür ein, dass auf Bundes- und Länderebene Gesetzesinitiativen zur Ausgestaltung des Wahlrechts mit dem Ziel der Schaffung von Parität in den Parlamenten ergriffen werden.
In Deutschland herrscht auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene eine ungleiche Teilhabe von Frauen in der repräsentativen Demokratie. Der Anteil von Frauen in den Parlamenten stagniert oder sinkt sogar.
Bei der Bundestagswahl 2017 sank der Frauenanteil auf 30,9 %. Der Anteil der Parlamentarierinnen in den 16 Landtagen liegt bei durchschnittlich 31,7 %. In den Kommunalparlamenten sind im Durchschnitt lediglich 25 % Frauen.
Eine moderne Demokratie muss die Bevölkerung jedoch angemessen repräsentieren. Parlamente sind die Orte politischer und gesellschaftlicher Willensbildung. Eine Erhöhung des Frauenanteils kann ein wichtiger Impuls sein, die Geschlechtergleichstellung auch in anderen Gesellschaftsbereichen voranzubringen.
Ein wesentlicher Grund für die geringe Anzahl an Mandatsträgerinnen liegt in der unterschiedlichen Berücksichtigung von Frauen und Männern bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Vertretungen durch die Parteien. Der Appell, mit freiwilligen Maßnahmen dem Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten näherzukommen, erzielt bisher leider nicht ausreichend Erfolg. Hier gilt es, weiterhin Sensibilität für das Thema zu schaffen.
Darüber hinaus muss in der Konsequenz über die Einführung gesetzlicher Maßnahmen debattiert werden. Es gilt, rechtssichere Modelle von Quoten- sowie Sanktionsregelungen im Rahmen der Wahlgesetzgebung zu entwickeln und auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen.
Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Grundgesetzes gibt einen klaren Auftrag an den Staat, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichberechtigung der Geschlechter aktiv voranzubringen. Diesem Auftrag muss insbesondere auch im Themenfeld Politikbeteiligung nachgekommen werden.
Die Herausforderung ist, eine Lösung zu finden, die das Ziel der gleichen Repräsentanz von Frauen und Männern in den Parlamenten erreicht. Insofern ist es erforderlich, alle Möglichkeiten und Ideen zu prüfen, die dazu einen Beitrag leisten können.
Für eine wegweisende und nachhaltige Europäische Gleichstellungsstrategie nach 2019
Beschluss:
(1) Die GFMK spricht sich mit Nachdruck dafür aus, dass die Europäische Union nach den Wahlen zum Europäischen Parlament und in der Amtszeit der neuen EU-Kommission wieder als eine treibende Kraft für die Gleichstellung der Geschlechter tätig und erkennbar wird. Die Europäische Union muss wieder eine wegweisende und nachhaltige Gleichstellungstrategie erhalten. Dafür hält die GFMK eine entsprechende Kommissionsmitteilung mit konkreten Maßnahmen für dringend erforderlich. Eine ausreichende Ausstattung mit Ressourcen zur Umsetzung, Begleitung und Evaluierung ist unverzichtbar.
(2) Die GFMK bittet die Bundesregierung, sich mit Blick auf die neu zu beschließende strategische Agenda für die Aufnahme des eigenständigen Schwerpunkts „wegweisende und nachhaltige Gleichstellungspolitik“ unverzüglich bei dem neuen Präsidenten bzw. der neuen Präsidentin der Europäischen Kommission für die Umsetzung dieser Anliegen einzusetzen.
(3) Die GFMK bittet die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, diese Forderungen in die Debatten über die künftige europäische Politik und bei der Vorstellung der neuen EU-Kommission einzubringen.
(4) Die GFMK begrüßt, dass Deutschland im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 und in der Triopräsidentschaft mit Portugal und Slowenien die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU weiter vorantreiben und sichtbar machen wird. Hierbei bittet die GFMK die Bundesregierung, sich für folgende Anliegen besonders einzusetzen:
- Beantragung der Einsetzung des Rates der Frauen- und Gleichstellungsministerinnen und -minister und Einsatz hierfür beim Europäischen Rat;
- Beratung gleichstellungspolitischer Themen in weiteren relevanten Ratsformationen über den Rat der Europäischen Union für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) hinaus, in dem regelmäßig Genderthemen beraten werden;
- Hinwirken auf mehr Transparenz über die tatsächliche Umsetzung des europäischen Gleichbehandlungsrechts in den Mitgliedstaaten, über Umsetzungsdefizite und Vorschläge zu deren Beseitigung. Die EU-Kommission soll hierbei in ihrer Funktion als Hüterin der Verträge - auch im Bereich Gleichstellung – verstärkt tätig werden, gerade im Hinblick auf Mitgliedstaaten, in denen das Gleichstellungsrecht nur unzureichend beachtet wird. Die GFMK spricht sich dafür aus, dass diese Fragen im Rahmen der Deutschen Ratspräsidentschaft auf Grundlage einer Vorlage der EU-Kommission beraten werden.
(5) Die GFMK bittet die Bundesregierung ebenfalls darauf hinzuwirken, dass in Gesprächen und Verhandlungen mit Beitrittskandidaten die Gleichstellung der Geschlechter als ein zentraler Bestandteil der gemeinsamen Wertegemeinschaft der Europäischen Union betont und beachtet wird. Neue Mitgliedstaaten dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie das europäische Gleichstellungsrecht in vollem Umfang umsetzen. In den Berichten zu den Beitrittsverhandlungen muss der Stand der Umsetzung deutlich werden.
(6) Die GFMK hält es für dringend erforderlich, insbesondere das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen EIGE (European Institute for Gender Equality) für eine wirkungsvolle Unterstützung und Evaluierung zeitnah personell und finanziell ausreichend auszustatten.
(7) Die GFMK bedauert, dass im Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Dachverordnung zu den europäischen Strukturfonds die bisherigen Querschnittsziele „Gleichstellung/Chancengleichheit“ und „Nicht-Diskriminierung“ nicht im Umfang der vorherigen Förderperiode enthalten sind, sondern nur noch in wesentlich schwächerer Form, indem z. B. die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht mehr ausdrücklich als Ziel aufgeführt wird. Sie begrüßt, dass das Europäische Parlament in seinem Bericht zur Dachverordnung die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung als Voraussetzung für EU-Förderung betont hat. Die GFMK bittet die Bundesregierung, sich im Rat der Europäischen Union für die Aufnahme der genannten Querschnittsziele in der Dachverordnung einzusetzen.
Begründung:
Zu 1. bis 3.:
Gleichstellungspolitik wird von einer großen Mehrheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger als ein vordringliches Betätigungsfeld der EU-Politik wahrgenommen, wie auch jüngste Umfragen belegen.[1]
Die gleichstellungspolitischen Erfolge der EU-Kommission in der letzten Amtszeit waren begrenzt und zudem erst nach zähem Ringen erreicht - wie die noch zum Ende der jetzigen Amtszeit bzw. Legislaturperiode erzielte Einigung von Parlament, Rat und Kommission zur EU-Richtlinie "Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige". Dafür trägt nicht allein die EU-Kommission die Verantwortung. Es besteht auch ein unübersehbarer Zusammenhang mit den politischen Veränderungen in einigen Mitgliedstaaten. Gleichstellungspolitik wird immer stärker auf eine Politik für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf reduziert.
Dabei sind die gleichstellungspolitischen Handlungsbedarfe noch immer enorm - mit deutlichen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten. Der vom Europäischen Institut für Gleichstellung (EIGE) veröffentlichte "Gender Equality Index 2017" ermittelte für 2015 einen EU-weiten Index von durchschnittlich 66,2 Punkten - nur 4,4 Punkte höher als 2005. Mit diesem Index wird der Abstand zur vollständigen Gleichstellung (=100) anhand der Positionen von Frauen gegenüber Männern in den Bereichen Erwerbsleben, Geld, Wissen, Zeit, Macht/Power und Gesundheit dargestellt. Den höchsten Wert erzielte zuletzt Schweden mit 82,6 Punkten. Schlusslicht war Griechenland mit 50 Punkten, Deutschland lag nahe dem Durchschnitt.
Einen beachtlichen Handlungsbedarf sehen auch die 47 Staaten, die dem Europarat angehören. Das Ministerkomitee des Europarates hat daher am 7. März 2018 eine Gleichstellungsstrategie für 2018 - 2023 verabschiedet, die folgende strategische Bereiche aufweist: (1) Prävention und Bekämpfung von Geschlechterstereotypen und Sexismus, (2) Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (insbesondere im Hinblick auf die Vorgaben der Istanbul-Konvention), (3) Sicherstellung des gleichen Zugangs von Frauen zur Justiz, (4) Gewährleistung einer ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern an politischen und öffentlichen Entscheidungen, (5) Schutz der Rechte von Migrantinnen, geflüchteten und asylsuchenden Frauen und Mädchen unter Einbeziehung der Gleichstellungsfragen in die gesamte Politik und alle Maßnahmen. Eine solche eigenständige und übergreifende Strategie hat sich als wirkungsvoller Politikansatz erwiesen.
Parallel dazu ist auch eine umfassende Gleichstellungsstrategie der Europäischen Union in deren zentralen Handlungs- und Gestaltungsfeldern erforderlich, wie es sie für 2010 - 2015 gab, insbesondere im Bereich des Erwerbslebens. Zentrale Bedingungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern sind Entgeltgleichheit, gleichberechtigter Zugang zum Erwerbsleben und zu Karrieren sowie die wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen. So werden auch wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Frauen sich aus Beziehungen lösen können, in denen häusliche Gewalt ausgeübt wird. An diesen Ansatz soll in der Amtszeit der künftigen EU-Kommission wieder angeknüpft werden.
Nur mit einer eigenständigen Strategie für Gleichstellung erfahren die Ziele in den verschiedenen Politikfeldern die ausreichende politische Aufmerksamkeit und kann der politikübergreifende Charakter der Gleichstellungspolitik gewahrt werden (vgl. Schreiben des Vorsitzlandes der 25. GFMK vom 16.09.2015 an die EU-Kommission auf der Basis eines einstimmig gefassten Umlaufbeschlusses). Eine förmliche Mitteilung der EU-Kommission bietet die Grundlage für eine strukturierte politische Debatte im Dialog der Institutionen.
Zu 4. und 5:
Die einseitige Zuweisung gleichstellungspolitischer Themen zum Rat "Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz" (EPSCO) wird ihrer übergreifenden gesellschafts-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Bedeutung nicht gerecht. Dies gilt auch, wenn die Ministerinnen und Minister für Gleichstellungspolitik der Mitgliedsstaaten nur auf informeller Ebene zusammenkommen und keine Beschlüsse fassen können.
Es gibt für einige Staaten, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, Hinweise darauf, dass im Zuge des erstrebten EU-Beitritts seit den 2000er Jahren das Europäische Gleichstellungsrecht eher formal in die Rechtsordnung integriert wurde und dass auch zunächst geschaffene Institutionen zur Stärkung der Chancengleichheit später wieder aufgelöst wurden.[2]
Es wird befürchtet, dass einige Beitrittskandidaten das Thema Gleichstellung nicht energisch genug angehen und weitergehende gleichstellungspolitische Fortschritte auf europäischer Ebene ins Stocken geraten.
Zu 6:
Die angemessene Ausstattung mit Ressourcen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Gleichstellung der Geschlechter auf der Grundlage ausreichender Informationen und aktueller Forschungsergebnisse erfolgreich vorangetrieben werden kann.
[1] Spezial-Barometer 476, „EU-Bürger und Entwicklungszusammenarbeit“, Kap. V., Gleichberechtigung der Geschlechter in der EU-Entwicklungszusammenarbeit“ September 2018.
[2] Vgl. Literaturstudie zu Frauenbewegungen und -forschung in Osteuropa im Auftrag der Stiftung Frauen in Europa, Anna Fleischer, 2016, z.B. für Rumänien, S. 16 ff, http://www.stiftung-frauenineuropa.de/pdf/studie-frauenbewegungen-forschung-osteuropa.pdf.
Gleichstellungspolitik der Bundesrepublik Deutschland im UN-Sicherheitsrat
Beschluss:
- Die GFMK begrüßt, dass die Bundesregierung das Thema „Frauen, Frieden, Sicherheit“ als eines der drei Schwerpunktthemen der deutschen Agenda für die nächsten zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat gewählt hat.
- Die GFMK bittet die Bundesregierung, den Ländern über ihre gleichstellungspolitische Agenda im UN-Sicherheitsrat zu berichten. Dabei soll dargestellt werden, was unternommen wird, um das Ziel einer besseren Einbeziehung von Frauen bei der Prävention und Bewältigung von Konflikten zu erreichen und Frauen und Mädchen in Konflikten besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen.
Begründung:
Seit dem 1. Januar 2019 ist Deutschland erneut für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Zu einem von drei Schwerpunktthemen ist neben der Bekämpfung des Klimawandels als „Krisenkatalysator“ und des „Peacekeepings“ der Schutz und die Mitwirkung von Frauen an den Friedensprozessen zur nachhaltigen Friedenssicherung gewählt worden. Damit stärkt die Bundesregierung ihren Einsatz für die UN-Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“, die ihren Ursprung in der UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 hat.
Seit April 2019 ist Deutschland zudem – wie schon zuvor von 1997 bis 2017 – wieder Mitglied in der Frauenrechtskommission.
Damit stehen gleichstellungspolitische Aspekte im Vordergrund der internationalen Bemühungen der Bundesrepublik. Diese Schwerpunktsetzung begrüßt die GFMK ausdrücklich und hält dies für notwendig, um die Gleichstellung der Geschlechter auch im internationalen Kontext weiter voranzubringen.
Frauen müssen verstärkt als Gestalterinnen in die Friedens- und Sicherheitspolitik einbezogen werden. Die Bundesregierung wird daher gebeten, der GFMK über die konkrete Umsetzung des Schwerpunktthemas „Frauen, Frieden und Sicherheit“, insbesondere in den Teilaspekten
- mehr politische Teilhabe von Frauen
- verbesserte Prävention sexueller Gewalt gegen Frauen in Konflikten
- Schutz von Frauen und Mädchen
zu berichten
Mit einer guten Informationspolitik der Bundesregierung könnten die Länder ihre Rolle in diesem Prozess finden und – falls möglich – ihren Beitrag leisten.
Nutzung von Schutzrechten für geistiges Eigentum von Frauen verstärkt fördern
Beschluss:
Die erstmalige Analyse des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) zum Erfinderinnenanteil bei Patentanmeldungen ergab eine deutliche Unterrepräsentation von Frauen. Das vorhandene Innovationspotential wird damit nicht optimal ausgenutzt.
- Die GFMK bittet die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Ursachen für die Unterrepräsentation von Frauen bei den Patentanmeldungen und ggf. der Nutzung weiterer Schutzrechte für geistiges Eigentum vertieft zu analysieren.
- Die GFMK bittet zudem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz um Beauftragung des DPMA mit der Umsetzung gezielter Ansätze der Informationsvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit zu Schutzrechten z. B. in Zusammenarbeit mit Unternehmerinnennetzwerken bzw. um Anregung derartiger Aktivitäten bei den Patentinformationszentren, seinen regionalen Kooperationspartnern.
- Die GFMK bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob bei der Patentanmeldung die Angabe des Geschlechts aufgenommen werden kann.
Die Ergebnisse sollten in anstehende Entwicklungen in der Forschungs- und Innovationsförderung z.B. im Rahmen der Hightechstrategie 2025 einfließen.
Begründung:
Im Dezember 2018 veröffentlichte das DPMA erstmalig eine Analyse zum Erfinderinnenanteil bei den Patentanmeldungen. Der Frauenanteil bei den Patentanmeldungen von inländischen Erfindern bzw. Erfinderinnen (DPMA sowie Europäisches Patentamt) betrug im Jahr 2017 6,3 Prozent. Im Jahr 2008 lag der Erfinderinnenanteil demnach bei 5,0 Prozent. Für weitere gewerbliche Schutzrechte wie Gebrauchsmuster, Marken und Designs liegt keine statistische Auswertung unter Berücksichtigung des Geschlechts vor. Es ist diesbezüglich nach Schätzungen von einem etwas höheren Frauenanteil auszugehen.
Der Anteil der Erfinderinnen bei den angemeldeten Erfindungen liegt damit noch deutlich niedriger als der Anteil von Frauen an einschlägigen Fachdisziplinen oder dem Personal in Forschung und Entwicklung. So beträgt zum Beispiel der Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal der Hochschulen in den Ingenieurswissenschaften ca. 20 Prozent, unter den Forscher/innen an den Hochschulen ca. 25 Prozent.
Die Analyse des DPMA hat einen deskriptiven Charakter und erlaubt keine Rückschlüsse auf die Ursachen für den geringen Erfinderinnenanteil sowie auf Optionen für gezielte Aktivitäten zur besseren Ausnutzung des innovativen Potenzials von Frauen. Hierfür könnten beispielsweise eine wissenschaftliche Analyse unter Einbeziehung vorhandener Erkenntnisse und die Empfehlung von Folgemaßnahmen im Rahmen des jährlichen Gutachtens der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) veranlasst werden.
Vorhandene Studien verweisen u. a. auf schlechtere Zugänge von Frauen zu Forschungsgeldern und lückenhaftere Netzwerke von Forscherinnen insbesondere mit der Industrie. Auch die Rollenüberlastung von Frauen in Forschung, Entwicklung oder Unternehmensgründung mit persönlichen und sozialen Verpflichtungen können zu einer mangelnden Umsetzung des innovativen Potenzials in geschützte Erfindungen führen.
Transparente und kontinuierliche Innovationsfördermaßnahmen an wissenschaftlichen Institutionen und in Unternehmen können Innovationsaktivitäten von Frauen befördern. Auch Öffentlichkeitsarbeit unter Einbeziehung vorhandener Role Models könnte ggf. zu einer verstärkten Nutzung von Schutzrechten für geistiges Eigentum durch Frauen beitragen.
Ausbildung in den CARE-Berufen (besser) vergüten, CARE-Berufe insgesamt aufwerten
Beschluss:
1. Die GFMK bittet die Bundesregierung, die Empfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichtes bezogen auf die Ausbildung in den so genannten CARE-Berufen weiterhin umzusetzen und zu erweitern sowie die Länder dabei zu unterstützen,
- eine kostenfreie Erstausbildung (Schulgeldfreiheit und Formen der Ausbildungsvergütung) in Gesundheits-, Pflege-, Erziehungs- und therapeutischen Heilberufen einzuführen;
- niedrigschwellige Zugänge für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zu schaffen;
- bei ein- und zweijährigen Ausbildungsgängen für Durchlässigkeit zu sorgen, so dass Höherqualifizierungen möglich sind;
- neue Modelle der Ausbildung, bspw. die duale Ausbildung oder die Teilzeitausbildung zu berücksichtigen;
- ein transparentes, modulares, gut gefördertes System der Weiterbildung aufzubauen.
2. Die GFMK sieht in der Aufwertung der Ausbildung in den CARE-Berufen und deren Aufwertung eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel in diesem Sektor. Noch immer gibt es in Care-Berufen eine nachhängende Lohnentwicklung aufgrund von nicht tarifgebundenen Strukturen. Der Bund wird gebeten darauf hinzuwirken, dass die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen im Sektor der Care-Berufe befördert wird.
3. Die GFMK bittet darüber hinaus in Anlehnung an den Beschluss „Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe“ der 92. GMK das Bundesministerium für Gesundheit, im Rahmen des „Gesamtkonzepts Gesundheitsfachberufe“ eine bundeseinheitliche Regelung zur Schulgeldfreiheit für alle nichtakademischen Gesundheitsfachberufe bis Ende 2019 vorzulegen und eine bundeseinheitliche Finanzierung auch unter Einbeziehung der Krankenversicherung sicherzustellen.
Begründung:
Die rund 5,5 Millionen Beschäftigten der Gesundheits- und Sozialberufe in Deutschland sind überwiegend Frauen. Im Jahre 2017 waren 86,5 Prozent der in Pflegediensten und 83,7 Prozent der in Pflegeheimen Beschäftigten Frauen[1]. Ähnlich sieht es in der Kindererziehung und -betreuung aus[2]. Die in diesen Bereichen geleistete Arbeit wird bis heute schlechter bewertet als andere als gleichwertig einzustufende Tätigkeiten. Dies gilt auch für die Ausbildung: In manchen Ausbildungen der Sozial- und Gesundheitsberufe erhalten Auszubildende derzeit keine Ausbildungsvergütung, sondern müssen für die Ausbildung Schulgeld bezahlen. Jährlich werden fast 200.000 junge Leute, darunter circa 165.000 junge Frauen, auf diese Weise ausgebildet. Die Ausbildung für die Gesundheits- und Sozialberufe erfolgt zumeist als vollzeitschulische Ausbildung, ist häufig an (privaten) Berufsfachschulen organisiert, und unterliegt anderen Regularien als die duale Berufsausbildung. Dadurch ergeben sich Ungleichheiten in Bezug auf Finanzierung, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten.
Deutschlandweit sind 38.000 Stellen in der Pflege unbesetzt. Angesichts des Personalmangels in der Pflege haben nach einer Branchenumfrage weit mehr als die Hälfte der Einrichtungen offene Stellen. Die „Konzertierte Aktion Pflege“, eine Initiative von Gesundheits-, Familien- und Arbeitsministerium, setzte Ende Januar verbindliche Ziele, um die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege bis zum Jahr 2023 um zehn Prozent zu erhöhen. Da in den kommenden Jahren viele Pflegekräfte aus ihrem Beruf ausscheiden werden, entsteht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erheblicher Bedarf. Besonders hoch ist der Personalmangel bereits jetzt in großen Metropolen wie Frankfurt, Stuttgart oder Berlin.
Zudem leidet vor allem der Pflegeberuf an einem Image-Problem der Branche. Laut einer Analyse des Zentrums für Qualität in der Pflege halten es nur sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler für „sehr wahrscheinlich“, einen Beruf in der Pflege zu ergreifen. Auch in den therapeutischen Heilberufen wie Ergo- und Physiotherapie oder Logopädie herrscht bereits aktuell Personalmangel. Bei diesen Berufen kommt noch hinzu, dass für die Ausbildung in der Regel ein Schulgeld bezahlt werden muss, und das bei eher mäßigen Verdienstaussichten. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die Gesundheitsfachberufe das Schulgeld für die Ausbildungen abzuschaffen, so wie es in den Pflegeberufen bereits beschlossen wurde. Ein solches Gesamtkonzept für die Gesundheitsfachberufe soll vom Bund unter der Mitwirkung der Länder bis Ende 2019 erarbeitet werden. Aufgrund der sinkenden Ausbildungszahlen und des Fachkräftemangels in den Gesundheitsfachberufen mussten bereits einige Bundesländer reagieren und haben vorübergehende Konzepte mit unterschiedlichen Finanzierungsansätzen entwickelt, um die Schulgelder in einigen Gesundheitsfachberufen zu reduzieren oder abzuschaffen. Andere Bundesländer warten die politischen Entwicklungen auf Bundesebene ab. Um den Fachkräftebedarf zu sichern, ist daher eine bundeseinheitliche Finanzierungsregelung bis Ende 2019 auf den Weg zu bringen.
Ein wichtiger Hebel, um dem aktuellen und dem zu erwartenden eklatanten Fachkräftemangel in den Gesundheits- und Erziehungsberufen entgegenzusteuern, ist deren Aufwertung: Die Abschaffung von Schulgeld, eine auskömmliche Ausbildungsvergütung, höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen sind dafür unerlässlich.
[1] Destatis 2017: Pflegestatistik 2013. Pflegestatistik - Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung - Deutschlandergebnisse. Wiesbaden, Statistisches Bundesamt.
[2] BMFSFJ 2016a: 3. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland, Berlin.
Schnittstelle Arbeitsmarkt- und Familienpolitik verbessern
Beschluss:
In Übereinstimmung mit der ASMK erkennt die GFMK die besonderen Herausforderungen von Erziehenden bei der Wiederkehr aus der Elternzeit in den Arbeitsmarkt an. Sie befürwortet aus gleichstellungfachlicher Sicht, Erziehungsberechtigten einen zeitnahen Einstieg aus der Elternzeit in den Arbeitsmarkt bzw. die Inanspruchnahme entsprechender Qualifizierungsangebote zu ermöglichen. Die geforderte Angleichung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für erwerbsfähige Erziehende an die neuen familienpolitischen Bedingungen stellt eine stärkere Förderung von Erziehenden, insbesondere mit Kindern unter drei Jahren dar. Sie ist aus gleichstellungspolitischer Sicht ein wichtiger Beitrag, negative arbeitsmarktpolitische Konsequenzen von Elternschaft zu reduzieren.
1. Die GFMK unterstützt daher die Forderung nach einer Angleichung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für erwerbsfähige Erziehende an die neuen familienpolitischen Bedingungen, insbesondere eine stärkere Förderung von Erziehenden mit Kindern unter drei Jahren. Dabei soll der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr berücksichtigt werden.
2. Sie fordert den Bund gleichermaßen auf, § 10 Absatz I Nr. 3 SGB II (Zumutbarkeit) wie folgt zu ändern:
§ 10 Absatz I Nr. 3 SGB II (Zumutbarkeit)
(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass
[...]
3. die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; erwerbsfähige Erziehende die von ihrem Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII Gebrauch machen und ihr Kind bereits vor Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Tageseinrichtung oder in der Tagespflege betreuen lassen, werden angemessene Angebote gemacht, insbesondere die der Aktivierung und der Qualifizierung und Vorbereitung auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Die Ablehnung dieses Angebots hat keinerlei Sanktionen zur Folge.
Begründung:
Bei ihrer Sitzung am 5. / 6. Dezember 2018 hat die ASMK den Antrag ‚Schnittstelle Arbeitsmarkt- und Familienpolitik verbessern‘ beschlossen. Dieser Beschluss wurde in der AG ‚Arbeitsmarkt für Frauen‘ der GFMK diskutiert. Die AG hat sich dafür ausgesprochen, dass dieser Antrag ebenfalls in die GFMK eingebracht werden soll.
Die aktuelle Fassung des § 10 SGB II sieht vor, dass Eltern von Kindern unter 3 Jahren eine Arbeitsaufnahme regelhaft nicht zumutbar ist. Diese Regelung führt dazu, dass insbesondere Mütter drei Jahre lang nicht als „arbeitslos“ geführt werden und vom Jobcenter auch nicht bzw. erst kurz vor Ablauf der mehrjährigen Frist aktiviert werden. Dies hat in der Praxis zur Folge, dass das Merkmal „Frau mit Kind unter 3 Jahren“ das stärkste vermittlungshemmende Merkmal ist; gefolgt von dem Merkmal „Frau mit Kind über 3 Jahren“ aufgrund des Zeitverlustes. Das Integrationshemmnis „Kind“ ist damit deutlich stärker als beispielsweise eine „schwere gesundheitliche Einschränkung“, wie das IAB ermittelt hat. Insbesondere auf alleinerziehende Mütter kann sich dies dauerhaft negativ auswirken. Dieser strukturellen Benachteiligung von Müttern soll entgegengewirkt werden. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen müssen dabei den neuen veränderten Bedingungen für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie angepasst werden.
Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder vom ersten Geburtstag bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung für Kinder oder in Kindertagespflege. Diese Rechtsansprüche sind in § 24 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) ausdrücklich festgeschrieben. Die Kommunen sind damit verpflichtet, den jeweiligen Kindern und deren Eltern einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen.
Dieser Rechtsanspruch soll erwerbstätigen und erwerbsfähigen Erziehenden die Möglichkeit bieten, auch vor Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, in den Beruf bzw. den Arbeitsmarkt wieder einzusteigen. Studien zeigen, dass je schneller Erziehende aus der Elternzeit wieder in die Berufstätigkeit zurückkehren, desto einfacher lassen sich Arbeits- und Familienleben miteinander vereinbaren. Diese Erkenntnisse müssen auch auf arbeitslose erwerbsfähige Erziehende angewendet werden.
Dabei soll den erwerbsfähigen Erziehenden, in den meisten Fällen den Müttern, keine unangemessenen Nachteile entstehen, die das Kindeswohl gefährden oder die Familie überfordern könnten. Wünscht sich eine erziehende Person, ihr Kind länger als ein Jahr zu Hause zu betreuen, oder hat sie keinen Betreuungsplatz zur Verfügung, bleibt die Aufnahme einer Arbeit weiterhin unzumutbar. Die Ausweitung der Zumutbarkeit auf die Zeit bereits nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes wurde bislang sehr kontrovers diskutiert und scheint keine tragfähige Lösung zu sein. Es wird insbesondere befürchtet, dass der Druck auf Erziehende, insbesondere Alleinerziehende, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen oder müssen, weil durch die Kommune keine Betreuungsplätze zur Verfügung gestellt werden können, unangemessen erhöht wird. Sanktionen wegen der Nichtannahme einer Arbeit sollen daher bis zur Vollendung des dritten Jahres weiterhin ausgeschlossen sein. Dies wird auch ausdrücklich im Gesetzestext klargestellt.
Dennoch sollen diese Personen sowie Erziehende, die ihr Kind bereits ab dem ersten Jahr in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege betreuen lassen, mit Angeboten aktiviert, motiviert und auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Mit Blick auf den Rechtsanspruch aus § 24 SGB VIII und die wesentlich bessere Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen ist die strukturelle Benachteiligung von Erziehenden, insbesondere Müttern mit Kindern unter drei Jahren, veraltet und wird einer zeitgemäßen Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben nicht gerecht. Zudem wird mit der systematischen Förderung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit oder Ausbildung von Erziehenden und der Vermeidung von langen Phasen der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ein Beitrag zur Verringerung des Risikos von Altersarmut geleistet.
Einführung eines Freiwilligen Technischen Jahres für Mädchen und junge Frauen
Beschluss:
Die GFMK stellt eine gravierende Unterrepräsentanz von Frauen in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) fest. Dies gilt insbesondere für die technischen Berufe. Daher bittet die GFMK die Bundesregierung, die Einführung eines Freiwilligen Technischen Jahres mit einem besonderen Fokus auf die Gewinnung von Mädchen und jungen Frauen in Weiterentwicklung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres zu prüfen.
Begründung:
Frauen sind in den MINT-Berufen noch immer deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 waren 46,2 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Frauen. Werden allein die MINT-Berufe betrachtet, belief sich 2018 der Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lediglich auf 15,4 %. Besonders unterrepräsentiert sind Frauen in den technischen (einschließlich informationstechnischen) Berufen. Nach Anforderungsniveaus differenziert, ergibt sich für 2017 folgendes Bild: Sowohl unter den Fachkräften als auch unter den Spezialist/-innen war der Anteil der Frauen im Bereich Technik am niedrigsten. Hier waren 12,3 % der Fachkräfte und 15,7 % der Spezialist/-innen weiblich. Nur in der Gruppe der am höchsten qualifizierten Expert/-innen lag der Bereich Technik mit einem Frauenanteil von 18 % vor der Informatik (14,3 %). Innerhalb der MINT-Berufe sind Frauen im Bereich Mathematik-Naturwissenschaften bereits häufiger als in der Informatik und Technik vertreten. Im Jahr 2017 waren 39,3 % der Fachkräfte, 25,5 % der Spezialist/-innen und 39,1 % der Expert/-innen weiblich.[1]
Die Erhöhung des Anteils von Frauen in den MINT-Berufen kann langfristig nur über einen Wandel der Berufsbilder und das Aufbrechen einer gendertypischen Berufswahl gelingen. Wie die Erfahrung mit Förderinstrumenten im Bereich der Berufsorientierung zeigt, kennen viele junge Frauen das Spektrum der technischen Berufe nicht gut. Im Hinblick auf die technischen Berufe könnte ihnen eine intensive Berufsorientierung die Möglichkeit einer gleichberechtigten Berufswahl eröffnen.
Mit genau diesem Ziel fördert das Land Berlin seit einigen Jahren das Projekt „EnterTechnik – Technisches Jahr für junge Frauen“. Über einen Zeitraum von 12 Monaten hinweg absolvieren die Teilnehmerinnen vier Praktika in vier Unternehmen, um vier technische Berufe kennenzulernen. Sie erhalten von den Unternehmen dafür eine monatliche Vergütung, deren Höhe sich am Freiwilligen Ökologischen oder Freiwilligen Sozialen Jahr orientiert, und schließen im Idealfall mit einem der Unternehmen einen Ausbildungsvertrag ab. Bislang haben etwa 75 % der etwa 15 Teilnehmerinnen eines Jahrgangs einen Ausbildungsvertrag mit einem der Partnerunternehmen abgeschlossen, das Projekt hat sich bewährt.
Ein Freiwilliges Technisches Jahr analog zum Freiwilligen Sozialen Jahr und zum Freiwilligen Ökologischen Jahr würde besonders Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit einer intensiven Berufsorientierung in den technischen Berufen bieten. Jungen Frauen würde ein Freiwilliges Technisches Jahr damit zugleich die Chance auf eine gleichberechtigte Berufswahl in den technischen Berufen eröffnen.
[1] Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berufe auf einen Blick, eigene Berechnungen der Abteilung III, Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.
Gesamtstrategie und Monitoring im Sinne der Istanbul-Konvention zeitnah auf den Weg bringen!
Beschluss:
Die GFMK bittet die Bundesregierung,
- die in Artikel 7 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geforderte verbindliche Gesamtstrategie gemeinsam mit den Ländern und zivilgesellschaftlichen Organisationen zügig und mit Nachdruck auf den Weg zu bringen. Dafür sind die notwendigen Ressourcen durch den Bund langfristig zur Verfügung zu stellen.
- eine Koordinierungsstelle für die Umsetzung der Konvention auf Bundesebene gemäß Artikel 10 der Konvention zu benennen bzw. zu errichten, die für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der politischen und sonstigen Maßnahmen zuständig ist und sie mit den notwendigen Ressourcen auszustatten.
- ein unabhängiges Monitoring einzurichten und gemeinsam mit den Ländern in einem geregelten Verfahren die zu sammelnden Daten zu bestimmen und dafür auskömmliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Begründung:
Die Istanbul-Konvention – das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – ist in Deutschland seit über einem Jahr in Kraft. Die GFMK hat in ihrem Leitantrag anlässlich der 28. GFMK 2018 einvernehmlich viele Maßnahmen – auch in den Ländern – beschlossen, die zur Umsetzung notwendig sind. Die Länder überprüfen derzeit ihre Koordinierungsstrukturen im Hinblick auf die Istanbul-Konvention und entwickeln sie weiter.
Artikel 7 Istanbul-Konvention fordert umfassende und koordinierte politische Maßnahmen, „(…) um eine ganzheitliche Antwort auf Gewalt gegen Frauen zu geben.“ Dabei muss sichergestellt werden, dass die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt aller Maßnahmen gestellt und diese mittels einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen Behörden, Einrichtungen und Organisationen umgesetzt werden. Artikel 9 sieht die Einbeziehung nichtstaatlicher Organisationen und der Zivilgesellschaft vor. Auf Bundesebene ist mit dem Runden Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ von Bundesministerin Franziska Giffey eine finanzielle und organisatorische Grundlage gelegt worden, um in enger Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen weitere umfassende Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt auf den Weg zu bringen.
Nach Artikel 10 haben die Vertragsstaaten für die Umsetzung der Konvention eine oder mehrere Koordinierungsstellen zu benennen oder zu errichten, die für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der politischen und sonstigen Maßnahmen zuständig sind. Aus Sicht der GFMK besteht mit Blick auf die Einrichtung einer Koordinierungsstelle weiterer zeitnaher Handlungsbedarf. Auch seitens des BMFSFJ wurde sowohl im Rahmen einer Stellungnahme des BMFSFJ vom 8.10.2018 zum Leitantrag der GFMK 2018 als auch in einer am 15.2.2019 beantworteten Kleinen Anfrage[1] darauf verwiesen, dass die bestehenden Strukturen weiter zu verbessern sind.
Die in Artikel 10 aufgelisteten Aufgaben umfassen über die Koordinierung der staatlichen Maßnahmen gegen Gewalt im Sinne der Konvention hinaus auch deren Implementierung, Monitoring und Evaluation. Die zuständigen Stellen sollen zudem die Sammlung und Verbreitung umfangreicher Daten koordinieren, zu deren Erhebung Artikel 11 die Staaten verpflichtet. Das Monitoring umfasst die Beobachtung, wie und mit welcher Wirksamkeit die politischen Ansätze und Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention auf nationaler bzw. regionaler oder lokaler Ebene umgesetzt werden. Insbesondere die regelmäßige Datensammlung sowie die Funktion der Koordinierungsstellen als feste AnsprechpartnerInnen für Koordinierungsstellen anderer Vertragsparteien sind aus Sicht der GFMK nur zu gewährleisten durch die Einrichtung einer von der Bundesregierung unabhängigen Monitoring-Stelle zur Erfüllung einer neutralen Beobachter- und Bewertungsposition.
Für die Entwicklung einer Gesamtstrategie müssen Bund, Länder und Kommunen unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft verbindliche Verfahren verabreden. Eine verbindliche und hochrangig verortete Anbindung, konkrete Aufgabenstellungen sowie die Priorisierung von Arbeitsfeldern sind dabei wichtig. Für die Umsetzung sind angemessene Ressourcen nötig. Die Bundesaktionspläne I von 1999 und II von 2007 waren die Richtschnur für die Entwicklung des Schutzes vor und der Prävention von Gewalt gegen Frauen. Einige Bundesländer haben Aktionspläne bezogen auf Häusliche Gewalt, es gibt aber auch umfassendere Landesaktionspläne bezogen auf Gewalt gegen Frauen insgesamt. Die GFMK hat sich für eine klare Ausrichtung der Koordinierung entlang der Istanbul-Konvention ausgesprochen. Dafür spricht sich auch die GREVIO[2]-Kommission in ihrem ersten Bericht über die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Österreich aus.
Die Evaluation der politischen Ansätze und Maßnahmen erfordert die wissenschaftliche Bewertung, inwiefern die Maßnahmen geeignet sind, ihre Ziele zu erreichen, ob sie den Bedarfen der Betroffenen entsprechen und ob sie unerwünschte Nebenwirkungen haben. Zum einen sollen grundlegende Fragen wie Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen von Gewalt erforscht werden und zum anderen ist die Wirksamkeit der vom Staat getroffenen Maßnahmen zu untersuchen (Evaluierung). Menschenrechtliches und bewertendes Monitoring muss unabhängig sein. Dies ist bei der Umsetzung zu gewährleisten.
[1] „Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention)“, Drucksache 19/7134
[2] Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence
Evaluation der Rechtsprechung zu den reformierten Regelungen des Sexualstrafrechts
Beschluss:
Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder fordert die Bundesregierung (BMFSFJ, BMJV) auf, die gerichtliche Auslegungs- und Anwendungspraxis sowie die Verurteilungszahlen im Hinblick auf §§ 177, 184i, 184j StGB evaluieren zu lassen.
Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und –minister, -senatorinnen und –senatoren der Länder (GFMK) bittet das Vorsitzland, die Justizministerkonferenz (JuMiKo) über den Beschluss zu informieren und um Unterstützung des Anliegens im Sinne ihres Beschlusses vom 09.11.2017 zu bitten.
Begründung:
Im November 2016 trat die Reform des Sexualstrafrechts in Kraft, die u. a. die Einführung der sog. "Nein-heißt-Nein"-Regelung umfasst. Damit wurde der nicht zuletzt von der Istanbul-Konvention geforderte Paradigmenwechsel vollzogen, nach dem jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe gestellt wird. Die Gegenwehr des Opfers bzw. die Gründe für eine nicht erfolgte Gegenwehr sind für die Strafbarkeit nicht mehr relevant.
Gleichzeitig wurde mit § 184i StGB der Tatbestand der sexuellen Belästigung eingeführt, wodurch die Schwelle für strafbare Handlungen (sog. "Grapschen") herabgesetzt und Schutzlücken geschlossen wurden. Neu ist zudem die Vorschrift des § 184j StGB, wonach die Begehung von Sexualstraftaten aus Gruppen heraus strafbewehrt ist.
Der Reform vorausgegangen war eine zum Teil jahrelange Kritik insbesondere nichtstaatlicher Organisationen sowohl an den gesetzlichen Regelungen als auch an ihrer justiziellen Auslegung (vgl. z. B. "Fallanalyse zu bestehenden Schutzlücken in der Anwendung des deutschen Sexualstrafrechts bezüglich erwachsener Betroffener", Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, 2014).
Die 2016 reformierten Vorschriften sind grundsätzlich geeignet, die vielfach angeprangerten Strafbarkeitslücken zu schließen. Mittels einer unabhängigen Untersuchung können hierzu Erkenntnisse zur Wirksamkeit gewonnen und ggf. weiterer Reformbedarf (gesetzgeberisch oder z. B. im Hinblick auf die Sensibilisierung des Justizpersonals in Aus- und Fortbildungen) aufgedeckt werden. Dies trägt zudem der Istanbul-Konvention Rechnung, deren Anforderungen in den Artikeln 36 ("Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung"), 54 ("Ermittlungen und Beweise") und 56d ("Schutzmaßnahmen", Rechte der Opfer im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren) durch eine Evaluation an der gerichtlichen Wirklichkeit gespiegelt würden.
Die Einbeziehung der JuMiKo trägt den jeweiligen Zuständigkeiten Rechnung und unterstützt den JuMiKo-Beschluss vom 09.11.2017 (TOP II.11 „Reform des Sexualstrafrechts“), durch den das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz gebeten wurde, sich der Reform des Sexualstrafrechts anzunehmen und die Länder an den entsprechenden Arbeiten zu beteiligen.
Umsetzung einer bundesweit einheitlichen und konsolidierten Strategie zur effektiven und nachhaltigen Bekämpfung des Menschenhandels von Frauen und Mädchen zur sexuellen Ausbeutung
Beschluss:
- 1. Menschenhandel als eine schwere Form der Menschenrechtsverletzung zielt auf Ausbeutung in verschiedenen Formen ab. Nach den zur Verfügung stehenden Zahlen ist die sexuelle Ausbeutung die am meisten verbreitetste Ausbeutungsform, von der sowohl im internationalen als auch nationalen Kontext überwiegend Frauen und Mädchen betroffen sind. Die GFMK bittet den Bund, die Bekämpfung dieser Kriminalitätsform als Schwerpunktbereich mit dem Ziel der Umsetzung bestmöglicher Bekämpfungsmaßnahmen in den politischen Fokus zu nehmen, alle bestehenden Regelungslücken zu schließen sowie die Rahmenbedingungen entscheidend zu verbessern. Gleichwohl weist die GFMK darauf hin, dass Frauen auch von der Ausbeutungsform der Zwangsarbeit/schweren Arbeitsausbeutung - gerade in „unsichtbaren“ Bereichen wie der Pflege und den haushaltsnahen Dienstleistungen - überproportional betroffen sind.
- 2. Die jüngsten Verbesserungsmaßnahmen bei der Bekämpfung des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen sind maßgeblich auf den Einfluss zwingenden EU-Rechtes, der Politik der EU-Kommission zur Bekämpfung des Menschenhandels und auch der Konvention des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels zurückzuführen. Im Hinblick auf weibliche Opfer des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung fordert die GFMK den Bund auf
- -
weiteren
noch ausstehenden Empfehlungen der EU bzw. des Europarats zu folgen, und zügig
die Einrichtung einer sich seit Jahren in Diskussion befindenden nationalen
Berichterstatterstelle und einer Koordinierungsstelle „Menschenhandel“
umzusetzen,
- in diesem Zusammenhang die Empfehlungen zur Erstellung eines bundeseinheitlichen nationalen Aktionsplans oder einer nationalen Strategie umzusetzen,
- sich umfassend an der von der europäischen Kommission angekündigten Aufklärungskampagne zum Menschenhandel zu beteiligen und den Ländern eine Partizipation zu ermöglichen, sofern eine Beteiligung von der EU vorgesehen wird.
- 3. Die Nichtbestrafung von Opfern des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung für Straftaten, die sie aus ihrer Zwangslage heraus begangen haben, ist eines der wichtigen Anliegen europarechtlicher und völkerrechtlicher Vorgaben des Schutzes von Opfern des Menschenhandels. Die Schaffung bundesweit einheitlicher und eindeutig vorhersehbarer Voraussetzungen würde sich entscheidend auf das Sicherheitsgefühl der Opfer auswirken. Es ist davon auszugehen, dass sich damit auch die Aussagebereitschaft insgesamt erhöhen würde. Die GFMK bittet den Bund zu prüfen, wie die gesetzlichen Bedingungen, die zum Ziel haben, die Bestrafung von Opfern von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung zu verhindern, verändert werden können, um die Situation der Opfer bestmöglich zu gestalten.
- 4. Nach Ansicht der GFMK sind die Bedarfe bei der Unterbringung deutscher Opfer der sexuellen Ausbeutung gesondert in den Blick zunehmen. In einigen Fallkonstellationen der kurzfristigen Versorgung und anonymen Unterbringung dieser Opfergruppe, treten die spezialisierten Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Vorleistung bei der Finanzierung der Unterbringung oder tragen das Finanzierungsrisiko in Fällen, in denen Frauen aus der Unterbringung abtauchen. Die GFMK bittet den Bund zu prüfen, ob vergleichbare Fälle bundesweit auftreten und falls ja, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
- 5. Die GFMK begrüßt, dass der Bund nach vielen Jahren der Reformbemühungen einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur umfassenden Neuregelung des Entschädigungsrechts für Opfer von Gewalttaten vorgelegt hat und bittet den Bund, im weiteren Verlauf des Verfahrens den Interessen von Frauen und Mädchen, die Opfer des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung geworden sind, vollumfänglich Rechnung zu tragen.
- 6. weiteren noch ausstehenden Empfehlungen der EU bzw. des Europarats zu folgen, und zügig die Einrichtung einer sich seit Jahren in Diskussion befindenden nationalen Berichterstatterstelle und einer Koordinierungsstelle „Menschenhandel“ umzusetzen,
- 7. in diesem Zusammenhang die Empfehlungen zur Erstellung eines bundeseinheitlichen nationalen Aktionsplans oder einer nationalen Strategie umzusetzen,
- 8. sich umfassend an der von der europäischen Kommission angekündigten Aufklärungskampagne zum Menschenhandel zu beteiligen und den Ländern eine Partizipation zu ermöglichen, sofern eine Beteiligung von der EU vorgesehen wird.
Begründung:
Den Zustand permanenter schwerer Menschenrechtsverletzung durch Versklavung und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen durch kriminelle Organisationen und Einzeltäterinnen und -täter hält die GFMK für untragbar. Sie hat sich mit dem Thema Menschenhandel von Frauen und Mädchen zur sexuellen Ausbeutung seit 1993 achtzehn Mal befasst und sieht sich auch weiterhin in der Pflicht, die komplexe Problematik und besondere Betroffenheit von Frauen und Mädchen in den Blick zu nehmen.
Maßgeblich basierend auf dem Einfluss der EU und auch der Konvention des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels hat zumindest in Teilen ein menschenrechtsbasierter Ansatz im Opferschutz Umsetzung gefunden. Das Ziel der Beseitigung des Menschenhandels von Frauen und Mädchen zur sexuellen Ausbeutung bedarf aber der bestmöglichen und effektivsten Herangehensweise anstatt der Erfüllung von Mindeststandards nach EU- und Völkerrecht. Um dies zu erreichen, müssen Regelungsbedarfe sowie Verbesserungsmöglichkeiten ernstgenommen und effektiv umgesetzt werden.
Die EU-Kommission stellt den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Bekämpfungspolitik Unterstützung und Angebote zur Zusammenarbeit zur Verfügung. Die GFMK befürwortet dieses Anliegen der EU-Kommission nachdrücklich. Sie sieht den Bund und die Länder in der Pflicht, den Kampf gegen den Menschenhandel systematisch und nachhaltig zu verstärken und ihm Priorität einzuräumen.
Berichterstatterstelle und Koordinierungsmechanismus, Aktionsplan und Öffentlichkeitskampagne (EU)
Zu einer systematischen und offensiven Grundausrichtung der Bundespolitik gehört aus Sicht der GFMK auch die Installation eines Monitoring-, Kontroll- und Koordinierungsmechanismus. 1999 wurde im Rahmen der 9. GFMK-Konferenz zum ersten Mal auf die Erforderlichkeit der Einrichtung einer nationalen Berichterstatterstelle und einer Koordinierungsstelle zur Verstärkung der Bekämpfung des Frauenhandels verwiesen. Gut 20 Jahre später ist eine Umsetzung immer noch nicht erfolgt. Über eine reine Koordination bereits bestehender Maßnahmen hinaus, hält die GFMK aber auch eine neue nationale Strategie bzw. einen bundesweiten Aktionsplan gegen den Menschenhandel, der insbesondere auch den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in den Blick nimmt, für notwendig. Damit würde eine dringend benötigte Schwerpunktsetzung und der Wechsel von einem reaktiven Handeln hin zu einem aktiven, geschlossenen, planvollen und mit Ressourcen hinterlegten Vorgehen gegen den Menschenhandel erfolgen können.
Dazu bedarf es als weiteres wesentliches Element des Bekämpfungskonzepts offensiver Öffentlichkeitsarbeit durch den Bund. Die Europäische Kommission plant eine EU-weite Sensibilisierungskampagne zum Menschenhandel, die sich an Nutzerinnen und Nutzer, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie schutzbedürftige Gruppen und Branchen mit hohem Risiko richtet. Aus Sicht der GFMK gehört zu letzterem insbesondere die Prostitution. Der Bund sollte ein mögliches Unterstützungsangebot der EU nutzen und sich intensiv einbringen.
Sichere und kalkulierbare Rahmenbedingungen für den Aufenthalt und bei der Strafverfolgung von Menschenhandelsopfern zur sexuellen Ausbeutung
Im Hinblick auf die Opferrechte als weiteren Grundpfeiler einer erfolgreichen nationalen Bekämpfungspolitik stehen das Erkennen und die Stabilisierung der Opfer im Vordergrund. Grundvoraussetzung ist, dass sie als das wahrgenommen und behandelt werden, was sie sind: Opfer von menschenverachtenden und entwürdigenden Straftaten, denen sie unfreiwillig ausgesetzt sind. Sie sind Inhaber von Rechten, die es zu achten und zu schützen gilt. Kalkulierbare Rahmenbedingungen in Bezug auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen für die Opfer selbst könnten auch maßgeblich zu einer höheren Aussagebereitschaft beitragen.
Weiterhin ist anzunehmen, dass fast jedes Opfer von Menschenhandel zu mit staatlichen Regeln in Konflikt stehenden Handlungen oder Unterlassungen gezwungen ist und sich der Frage ausgesetzt sieht, ob es mit einer Anzeige der Täterinnen oder Täter potentiell auch einen Prozess gegen sich selbst initiiert. Die aktuelle gesetzliche Lage hält vor allem mit dem Strafprozessrecht die Möglichkeit vor, durch Ermessensentscheidungen der Staatsanwaltschaft Einstellungen von Verfahren gegen Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung vorzunehmen. Diese stellen aber kein kalkulierbares Risiko für die Opfer dar, zumal Staatsanwaltschaften mit auf Menschenhandel spezialisiertem Personal und entsprechendem Knowhow in Bezug auf die Situation der Opfer nicht bundesweit flächendeckend gegeben sind. Zur Eruierung der Verbesserungsmöglichkeiten bittet die GFMK den Bund, auch hier rechtsvergleichende Auswertungen zu diesbezüglichen Rechtslagen und Erfahrungen in anderen Staaten in seine Überprüfungen mit einzubeziehen. Im Vereinigten Königreich gibt es z. B. seit 2015 im Rahmen eines umfassenden Regelungswerks zur Sklaverei und Menschenhandel (Modern Slavery Act 2015) spezielle Vorschriften zu Ausnahmen von der Strafbarkeit für Opfern von Menschenhandel für die von ihnen begangenen Delikte.
Unterbringung von deutschen Opfern von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung
Deutsche Opfer von Menschenhandel haben in der Regel Leistungsansprüche gegen den Staat, die eine entsprechende Versorgung nach der Befreiung aus der Zwangssituation ermöglichen. Die anonyme Ad-hoc Unterbringung und Erstversorgung von deutschen Menschenhandelsopfern der sexuellen Ausbeutung kann z. B. bei der Unterbringung an Wochenenden und Feiertagen zur Vorleistung und in Fällen, in denen das Opfer aus der geschützten Unterbringung untertaucht, auch zum Tragen des Finanzierungsrisikos durch die spezialisierten Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung führen.
Erste Erfahrungen zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) einbeziehen: Prostituierte schützen, Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen
Beschluss:
Erste Erfahrungen der Länder mit der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) zeigen, dass die tatsächlichen Anmeldezahlen von Prostituierten deutlich hinter den bisherigen Schätzungen zurückbleiben. Spezialisierte Beratungsstellen berichten, dass durch die neuen gesetzlichen Regelungen weibliche Prostituierte vielfach ins Dunkelfeld von Wohnungsprostitution, Parkplatzsex und Straßenstrich flüchten. Frauen, die bislang nur schwierig zu erreichen waren, würden damit aus dem schützenden Wirkungsbereich von Behörden und Hilfeeinrichtungen geraten.
Mit dem Ziel, Fehlentwicklungen des Gesetzes frühzeitig zu erkennen und Prostituierte zu schützen, fordert die GFMK das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf, den für 2019 angekündigten Zwischenbericht zum ProstSchG, der auf der Basis der Bundesstatistik erstellt werden soll, um erste inhaltliche Erkenntnisse der Länder zu ergänzen.
In den Zwischenbericht sollten auch erste Erkenntnisse darüber einfließen, ob die wesentlichen Ziele des Gesetzes absehbar erreicht werden können. Das sind insbesondere, durch das Gesetz wirkungsvoll Menschenhandel und Zwangsprostitution zu begegnen sowie die Arbeitsbedingungen und den Schutz von in der Prostitution Tätigen deutlich zu verbessern.
Begründung:
Das ProstSchG ist seit dem 1. Juli 2017 in Kraft. Es verpflichtet in der Prostitution Tätige zur Anmeldung bei der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Tätigkeit überwiegend ausgeübt werden soll, und zugleich Betriebe zur Einholung einer Erlaubnis für ein Prostitutionsgewerbe. Eine Evaluierung auf wissenschaftlicher Grundlage durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist beginnend mit dem 1. Juli 2022 spätestens zum 1. Juli 2025 vorgesehen. In 2019 wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen ersten Zwischenbericht auf der Basis der neu eingeführten Bundesstatistik vorlegen. Erste Erfahrungen der Länder bei der Umsetzung des Gesetzes zeigen insbesondere mit Blick auf das Anmeldeverfahren, dass die Intention des Gesetzgebers, die in der Prostitution tätigen Personen besser zu schützen, nicht in dem gewünschten Umfang gelingt. Es gibt außerdem keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wer durch das Verfahren tatsächlich erreicht wird und wer gerade nicht. Insbesondere Zwangsprostitution und Menschenhandel werden durch das Gesetz nicht nachhaltig verhindert. Sicher rückverfolgbare Erfolge beziehen sich überwiegend auf Einzelfälle. Die geographische Fluktuation im Bereich der Prostitutionstätigkeit erschwert zudem die Auswertbarkeit der zur Verfügung stehenden Daten. Schon der Zwischenbericht sollte daher genutzt werden, um die Erfahrungen mit dem Gesetz insbesondere auf die damit verfolgten Ziele systematisch zu erfassen und ggf. daraus Handlungsempfehlungen im Vorfeld der Evaluierung abzuleiten.
Frauen und Mädchen vor K.o.-Tropfen schützen
Beschluss:
- Die GFMK fordert die Bundesregierung auf zu prüfen, wie die Verbreitung der K.o.-Tropfen Gamma-Butyrolacton (GBL) reguliert werden kann, so dass diese nicht mehr auf legalem Wege durch Privatpersonen beschafft und heimlich als Tatmittel - unter anderem bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung - verabreicht werden können.
- Die GFMK ersucht die Bundesregierung, eine bundesweite Studie zur Verbreitung der missbräuchlichen Verwendung von K.o.-Tropfen als Tatmittel für Straftraten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Auftrag zu geben.
- Die GFMK bittet die Bundesregierung,
bundesweit eine Kampagne zu initiieren, die Frauen und Mädchen zielgruppenspezifisch über die Gefahren der heimlichen Verabreichung von K.o.-Tropfen als Tatmittel für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung informiert und
- die Erarbeitung von Informationsmaterial zu veranlassen, um bundesweit medizinisches Personal über die Auswirkungen der missbräuchlichen Verabreichung von K.o.-Tropfen in Kenntnis zu setzen
- Die GFMK bittet das Vorsitzland, die Innenministerkonferenz (IMK) über den Beschluss zu informieren und die IMK um Unterstützung des Anliegens, da ein Schwerpunkt der Zielsetzung im Bereich Gewalt – und Kriminalitätsprävention liegt.
Begründung:
- Unter den Begriff „K.o.-Tropfen“ werden eine Vielzahl von Substanzen gefasst, die zur Begehung von Straftaten, insbesondere von Sexual- und Vermögensdelikten, heimlich verabreicht werden. Bei diesen Substanzen handelt es sich zum Teil um verschreibungspflichtige Arzneimittel oder sie unterliegen den Regeln des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) wie zum Beispiel Gamma-Hydroxy-Butyrat (GHB).
Bei Gamma-Butyrolacton (GBL) handelt es sich hingegen um eine Vorläufersubstanz, die im Körper zu GHB umgewandelt wird. Beide Substanzen werden unter den Szenenamen Liquid Ecstasy, Liquid E oder G als Partydrogen verwendet, da sie in geringer Dosis z. B. eine euphorisierende Wirkung haben können. Diese Substanzen werden erst durch die Heimlichkeit der Verabreichung und der Überdosierung zu sogenannten K.o.-Tropfen. Da beide Substanzen vermehrt heimlich verabreicht werden, um an bewegungslosen Personen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorzunehmen, werden sie in diesem Zusammenhang auch als „Vergewaltigungsdrogen“ bezeichnet. Die besondere Gefährlichkeit dieses Tatmittels besteht u.a. darin, dass die Überdosierung – insbesondere im Zusammenspiel mit Alkohol – auch zum Atemstillstand und zum Tod führen kann.
Konkrete Fallzahlen für das gesamte Bundesgebiet liegen derzeit nicht vor. Das hängt zum einen daran, dass die vom Statistischen Bundesamt geführte Strafverfolgungsstatistik keine Angaben zu den Tatumständen und den Tatmitteln enthält. Zum anderen wenden sich die betroffenen Personen aus Scham oft nicht an die Strafverfolgungsbehörden, zumal sie aufgrund der Verabreichung von K.o.-Tropfen zumeist kaum noch Erinnerungen an das Geschehen haben. Zudem ist der gerichtsmedizinische Nachweis der Substanzen schwierig, weil die Substanzen bereits nach wenigen Stunden im Körper abgebaut werden und dann im Blut der betroffenen Person nicht mehr nachzuweisen sind. Es wird daher von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen.
GBL fällt derzeit – anders als GHB – nicht unter das BtMG, sondern ist frei erhältlich und kann im Internet bestellt werden. Die Bundesregierung hält die Regelungen des BtMG nicht zur Regulierung von GBL geeignet, weil es sich dabei um eine Massenchemikalie handele, die industriell z. B. zu Nagellackentferner oder Reinigungsmittel verarbeitet werde und deshalb besser dem freiwilligen europäischen Monitoring-System der Grundstoffüberwachung unterliege. Die Grenze des europäischen Monitoring-Systems sei bei GBL dann erreicht, wenn es zu Missbrauchszwecken über im Ausland betriebene Internet-Shops bezogen werde (Bundesratsdrucksache Nr. 19/6790). Das sei auch der Grund, warum das Vergällen von GBL - das Beifügen von Bitterstoffen - nicht zielführend sei. Denn dieser Geschmacksstoff könne leicht übertönt werden und die genutzten Substanzen würden in der Regel nicht aus deutscher Produktion stammen, sondern überwiegend in Asien hergestellt werden.
Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit, der schwierigen Nachweisbarkeit und der bisher leichten Zugänglichkeit des Tatmittels, ist es die Aufgabe der Bundesregierung, zu prüfen, wie die Verbreitung von GBL so reguliert werden kann, dass Frauen und Mädchen auch in Zukunft unbesorgt tanzen und feiern können. Die Bundesregierung wird von der GFMK aufgefordert zu handeln. Die bloße Ablehnung bekannt gewordener Vorschläge von Expertinnen und Experten und die bisherige Untätigkeit sind nicht akzeptabel. Neue Tatmittel verlangen vielmehr neue Formen der Prävention, um Frauen und Mädchen besser zu schützen.
- Für die weitere faktenbasierte Diskussion und Information über das Thema K.o.-Tropfen bedarf es einer Studie, die Zahlen zur bundesweiten Verbreitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit dem Tatmittel der K.o.-Tropfen generiert. Da die polizeiliche Kriminalstatistik in den Ländern in der Regel keine Tatmittel erfasst, können diese nicht zur Grundlage für einen bundesweiten Überblick genutzt werden. Hier besteht eine Lücke, die sinnvoll nur durch eine von der Bundesregierung initiierte bundesweit angelegte Studie geschlossen werden kann.
- In einigen Bundesländern sind Informationen, auch im Internet, zum Thema K.o.-Tropfen aufbereitet worden, wie z. B. auf der Seite http://www.ko-tropfen-nein-danke.de. Angesichts der bundesweit vorkommenden besorgniserregenden Geschehnisse ist eine zentral von der Bundesregierung gesteuerte Kampagne erforderlich, um Frauen über die Gefahren der heimlichen Verabreichung von K.o.-Tropfen besser als bisher zu informieren. Da häufig junge Frauen und Mädchen im Zusammenhang mit Ausgehen, Verabredungen in Clubs und Diskotheken betroffen sind, ist eine zielgruppenspezifische Ansprache u. a. gestützt durch die sozialen Medien sinnvoll.
Von Betroffenen wird auch immer wieder über mangelndes Verständnis von ärztlichem Personal z. B. in den Notaufnahmen berichtet. Dort wird den Betroffenen zum Teil vorgeworfen, zu viel Alkohol getrunken oder selbst zu viel einer Partydroge konsumiert zu haben. Daher ist es notwendig, ärztliches Personal in den Krankenhäusern sowie Notärztinnen und Notärzte besser über die Ausnahmesituation einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung durch die missbräuchliche Verabreichung von K.o.-Tropfen zu schulen. Dies gilt insbesondere, da aufgrund der schwierigen Nachweissituation schnelles Handeln erforderlich ist. Dies trifft in ähnlichem Maße für die Polizei zu. Um für diese Schulungen und Sensibilisierungen einen einheitlichen Standard zu gewährleisten, ist es notwendig, dass die Bundesregierung die Erarbeitung von Informationsmaterial für den bundesweiten Gebrauch veranlasst.
Da ein Schwerpunkt dieses Antrags im Bereich der Gewalt- und Kriminalitätsprävention liegt, ist es sinnvoll, die IMK in die Umsetzung des Beschlusses einzubinden.
Zugang zu sicherem und legalem Schwangerschaftsabbruch gewährleisten - Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten verbessern
Beschluss:
Die GFMK hält es für wichtig, die Versorgung bezüglich des Zugangs zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland sicherzustellen.
- 1. Die GFMK bittet daher die Bundesärztekammer zu prüfen, ob und inwieweit die Qualifizierung von ärztlichem Personal durch die Verankerung weiterer Methoden- und Handlungskompetenzen zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches in die Muster-Weiterbildungsordnung für die Ausbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt auf dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe verbessert werden kann.
- 2. Die GFMK begrüßt, dass die Bundesärztekammer ein Konzept zur Verbesserung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten bezüglich der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen erstellt und das BMG diese dabei unterstützt.
Begründung:
Es gibt in Deutschland immer weniger Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die Zahl der Meldestellen von Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, ist von 2050 Stellen im Jahr 2003 auf 1170 Stellen im 3. Quartal 2018 gesunken (Quelle: Drucksache 19/6519 vom 14.12.2018, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Drucksache 19/5957). Das ist ein Rückgang innerhalb von 15 Jahren um 40 Prozent. Diese mangelnde Versorgung bedeutet für Frauen, oft mehr als 100 Kilometer fahren zu müssen, um den Eingriff vornehmen lassen zu können. Zwar ist auch die Anzahl der Abbrüche zurückgegangen, jedoch nicht in dem gleichen Maße wie die Anzahl der Stellen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen (Abbruchmeldestellen). Während in der Zeit von 2001 bis 2017 die Anzahl der Abbrüche um 25 % zurückging, sank die Zahl der Abbruchmeldestellen um 40 %.
Jahr | 2001 | 2005 | 2009 | 2013 | 2017 |
Deutschland gesamt | 134.964 | 124.023 | 110.694 | 102.803 | 101.209 |
Tabelle: Schwangerschaftsabbrüche in absoluten Zahlen
Bei Betrachtung der Raten der Schwangerschaftsabbrüche ist ein Rückgang von 68 Abbrüchen im Jahr 2001 bezogen auf 10.000 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren auf 58 Abbrüche im Jahr 2017 festzustellen, wobei sie auf diesem Niveau seit etwa 10 Jahren relativ konstant bleiben:
Jahre | 2001 | 2005 | 2009 | 2013 | 2017 |
Raten für Deutschland | 68 | 63 | 58 | 57 | 58 |
Quelle der Statistiken: Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 3, 2017
Daher hat sich die Versorgungslage für Frauen, die ungewollt schwanger werden und einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollen, verschlechtert.
Es spielt beim Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch nicht nur die Anzahl der Stellen, die einen Abbruch vornehmen eine Rolle, sondern auch die Qualität der Durchführung. Die Qualität einer ärztlichen Versorgungsleistung hängt unter anderem davon ab, ob entsprechende Methoden- und Handlungskompetenzen in der medizinischen Ausbildung vermittelt werden.
Die Festlegung auf eine medizinische Fachrichtung erfolgt nach der Approbation in der Ausbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt. Die Inhalte der mehrjährigen Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sind in den Weiterbildungsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern festgelegt. Diese orientieren sich an der Muster-Weiterbildungsverordnung der Bundesärztekammer, die im November 2018 aktualisiert wurde. Die Muster-Weiterbildungsverordnung für das Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sieht bereits die Vornahme von 100 operativen Eingriffen vor, u. a. auch die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Indikatoren zur Fortschreibung des 3. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland
Beschluss:
Der 1. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland wurde 2009 veröffentlicht und hatte den Charakter einer Bestandsaufnahme. Mit dem 2. und 3. Gleichstellungsatlas erfolgte im Abstand von jeweils vier Jahren eine Fortschreibung. Im Sinne der Nachhaltigkeit und zur Abbildung von Entwicklungen hält die GFMK eine weitere Fortschreibung für erforderlich und beschließt:
- 1. Die GFMK dankt der Fachgruppe Gleichstellungsatlas für die konzeptionellen Vorarbeiten zum Gleichstellungsatlas und dem Land Berlin für die Leitung der Fachgruppe.
- 2. Die GFMK stimmt dem von der Fachgruppe Gleichstellungsatlas weiterentwickelten Indikatorenkatalog „Ländereinheitliche Gender-Indikatoren" (Anlage) als Grundlage für die Fortschreibung des „3. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“ zu.
- 3. Die GFMK bittet die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen, das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter, die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung sowie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die vorhandenen und für die Indikatoren ausgewählten Statistiken für die Fortschreibung zur Verfügung zu stellen.
- 4. Die GFMK bittet das Statistische Bundesamt um die Erstellung des „4. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“. Die Länder tragen die hierfür anfallenden Kosten in Höhe von ca. 30.000 Euro zu gleichen Anteilen. Die Erstattung erfolgt direkt gegenüber dem Statistischen Bundesamt nach Rechnungsstellung an die Landesministerien.
- 5. Die GFMK bittet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den „4. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“ nach dessen Fertigstellung zu veröffentlichen.
Begründung:
Mit den ersten drei Atlanten zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland hat die GFMK vergleichende Erfassungen von Indikatoren vorgelegt, die es ermöglichen, für die Unterstützung einer Chancengleichheitspolitik den bundesweit und regional erreichten Stand abzubilden. Die Veröffentlichung erfolgte durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Die Gleichstellungsatlanten trafen auf großes Interesse, auch auf internationaler Ebene. Daher erfolgte im Auftrag des BMFSFJ jeweils eine Übersetzung ins Englische.
In der länderoffenen Fachgruppe Gleichstellungsatlas der GFMK sind die Fachressorts der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen (BAG), das Landesamt für Statistik Niedersachsen, das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, das Statistische Bundesamt sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertreten. Die Leitung der Fachgruppe obliegt Berlin.
Mit dem Beschluss zu TOP 6.1 der 26. GFMK wurde die Fachgruppe Gleichstellungsatlas beauftragt, einen Vorschlag für die weitere Fortschreibung des 3. Gleichstellungsatlas zu erarbeiten.
Eckpunkte für die Fortschreibung:
Das Konzept der bisherigen Veröffentlichungen wird beibehalten. Der 4. Gleichstellungsatlas wird – wie die bisherigen Ausgaben – durch einen Tabellenband, der ausschließlich online zur Verfügung stehen soll, ergänzt.
Weiterentwicklung der Indikatoren:
Die bisherigen Indikatoren des 3. Gleichstellungsatlas werden beibehalten bzw. angepasst. Folgende Indikatoren werden neu aufgenommen:
- Indikator 3.7 - Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit
Dargestellt wird der Anteil der Frauen bzw. Männer, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch die eigene Erwerbstätigkeit finanzieren.
- Kapitel IV: Erwerbsarbeit und Sorgearbeit
Die Themen Vereinbarkeit und - insbesondere (unbezahlte) - Sorgearbeit sind im Atlas derzeit schwach vertreten. Obwohl dieser Bereich von zentraler gleichstellungspolitischer Relevanz ist, enthält der 3. Atlas lediglich zwei bis drei diesbezügliche Indikatoren. Im 4. Atlas wird daher ein neues Kapitel „Erwerbsarbeit und Sorgearbeit“ eingefügt, dass die bereits bestehenden Indikatoren sowie mehre neue Indikatoren zum Thema umfasst (darunter Indikator 4.2 – Arbeitszeitkonstellationen von Elternpaaren, Indikator 4.4 - Armutsgefährdungsquote von Personen in Alleinerziehenden-Haushalten sowie Indikator 4.7 - Unbezahlte Pflegearbeit mit Erwerb von Rentenansprüchen.)
- Indikator 4.2 - Erwerbsarbeitszeitkonstellationen von Elternpaaren
Dieser Indikator bildet die durchschnittliche Differenz der normalerweise geleisteten wöchentlichen Arbeitsstunden zwischen Vätern und Müttern mit Kindern unter drei Jahren ab.
- Indikator 4.4 - Armutsgefährdungsquote von Personen in Alleinerziehenden-Haushalten
Dieser Indikator bildet den Anteil von armutsgefährdeten Personen in Alleinerziehenden-Haushalten an allen Alleinerziehenden-Haushalten ab. Dabei wird darauf hingewiesen, dass dieses Risiko vor allem von Frauen getragen wird, die den Großteil der Alleinerziehenden stellen. Datenquelle ist die Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik.
- Indikator 4.7 - Unbezahlte Pflegearbeit mit Erwerb von Rentenansprüchen
Mit diesem Indikator wird der Frauenanteil an den nichterwerbsmäßigen Pflegepersonen mit Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) dargestellt. Er gibt Hinweis auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Übernahme unbezahlter Pflegearbeit nach GRV-Kriterien. Datenquelle ist die Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Das Gesamtausmaß nicht erwerbsmäßiger Pflege und diesbezügliche Geschlechterunterschiede lassen sich mit diesem Indikator nicht abbilden, da es sich bei den Pflegepersonen gemäß GRV-Kriterien lediglich um eine kleine Teilmenge handelt. Derzeit liegen in der amtlichen Statistik jedoch keine Daten darüber vor, wer die häusliche Pflege ausübt. Die Pflegestatistik bildet diesbezüglich lediglich den Bereich der professionellen Pflege ab (Personal in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen nach Geschlecht). Die Zeitbudgeterhebung kann aufgrund ihres Stichprobenumfangs hierzu keine Daten auf Länderebene liefern. Die Fachgruppe vertritt daher die Auffassung, dass dieser Indikator eine erste wichtige Annäherung an ein Thema ermöglicht, welches immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnt.
An den bestehenden Indikatoren werden insbesondere folgende Änderungen vorgenommen:
- Indikator 2.7 - Studienwahl: Fächergruppe Ingenieurwissenschaften
- Indikator 2.8 - Studienwahl: Lehramt Primarbereich
Da diese Indikatoren nicht Studienanfängerinnen und Studienanfänger sondern Abschlussprüfungen abbilden, werden die Titel entsprechend präzisiert (Indikator 2.7: „Studienwahl: Abschlussprüfungen in den Ingenieurwissenschaften“, Indikator 2.8: „Studienwahl: Abschlussprüfungen im Lehramt Primarbereich“). Zudem werden hier künftig nur noch erfolgreich abgelegte Abschlussprüfungen berücksichtigt, um die Aussagekraft und die Konsistenz mit weiteren Indikatoren zu erhöhen. Bislang wurden bei den beiden Indikatoren alle abgelegten Abschlussprüfungen erfasst, unabhängig vom Bestehen.
- Indikator 4.1 (bisher: 3.4) - Erwerbstätigkeit von Eltern mit Kind(ern) unter drei Jahren
Bei der Ermittlung der Erwerbstätigenquote wird von „aktiver Erwerbstätigkeit" (ohne bspw. Erkrankte/Beurlaubte/Mutterschutz/Elternzeit) auf das Konzept der „realisierten Erwerbstätigkeit" (nur ohne Mutterschutz/Elternzeit) umgestellt, um Geschlechterdifferenzen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser herauszustellen. Dieses Konzept lässt sich bis 2008 zurück ausweisen.
- Indikator 3.11 (jetzt: 3.9) - Unterschiede in den eigenen Alterssicherungseinkommen (Gender Pension Gap)
Der Indikator wird in seiner jetzigen Form (differenziert nach Ost-/Westdeutschland; Berlin zweigeteilt und auf Karte ausgespart) nur noch im 4. Atlas aufgenommen. Ab dem 5. Atlas wird eine Datendifferenzierung nach den Ländern angestrebt. Nach Prüfung durch die Fachgruppe werden folgende Indikatoren (noch) nicht aufgenommen:
- Beschäftigte im höheren Dienst der obersten Landesbehörden
Die Aufnahme eines solchen Indikators wurde von der Fachgruppe bereits 2014 erörtert und verworfen, da im öffentlichen Dienst gerade auf Referentinnen- bzw. Referentenebene und auf Sachbearbeitungsebene ein hoher Frauenanteil besteht (s. Protokoll vom 21.11.2014, TOP 5). Da Frauen im höheren Dienst insgesamt weiterhin gut vertreten sind, wird von einer Aufnahme dieses Indikators im 4. Atlas erneut abgesehen.
- Erwerbsquoten
Die Aufnahme dieses Indikators wird aufgrund seiner geringen Aussagekraft verworfen. Befürchtet wird zudem, dass er mit der ebenfalls berichteten Beschäftigten- bzw. Erwerbstätigenquote verwechselt werden könnte. Mit den Indikatoren 3.1 (Beschäftigtenquote) und 3.7 (Arbeitslosenquote) ist die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen nach Ansicht der Fachgruppe bereits hinreichend abgebildet.
- Erwerbstätigkeit von Ausländerinnen
Für diesen Indikator wurden die realisierten Erwerbstätigenquoten von ausländischen und deutschen Frauen verglichen und zusätzlich verschiedene Einflussfaktoren geprüft. Von einer Aufnahme des vorgeschlagenen Indikators im 4. Atlas wird abgesehen, da die Fachgruppe einen solchen Vergleich, der (allein) auf Staatsangehörigkeit abstellt, für sehr problematisch und kaum interpretierbar hält. Zum einen wird realisierte Erwerbstätigkeit von verschiedenen Faktoren (wie Bildungsabschluss und gerade bei Frauen von Elternschaft/Alter des Kindes) beeinflusst. Zum anderen handelt es sich bei Ausländerinnen um eine äußerst heterogene Gruppe. Die Fachgruppe sieht jedoch eine dringende Notwendigkeit, Staatsangehörigkeit bzw. Migrationshintergrund in Zukunft als weiteres Diskriminierungsmerkmal in den Gleichstellungsatlas aufzunehmen. Prospektiv soll die Entwicklung eines Indikators geprüft werden, der Merkmale wie bspw. Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund mit dem Merkmal Geschlecht verbindet.
- Elterngeld Plus-Bezug und Dauer von Elterngeld (Plus)-Bezug
Aufgrund der derzeit noch eingeschränkten Datenlage zum Elterngeld Plus wird von einer Aufnahme der Indikatoren im aktuellen 4. Atlas abgesehen, eine Darstellung in späteren Fortschreibungen ist aber möglich und wird angestrebt.
Elterngeld Plus-Bezug: Daten zur Väterbeteiligung am neu eingeführten Elterngeld Plus (für Geburten ab 1.7.2015) liegen frühestens Mitte/Ende 2019 vor, so dass sie für den 4. Atlas nicht mehr rechtzeitig ausgewertet können.
Dauer von Elterngeld (Plus)-Bezug: Die durchschnittliche voraussichtliche Dauer des Elterngeld-Bezugs kann zwar bereits jetzt ausgewiesen werden. Allerdings ist eine separate Ausweisung des Elterngeld Plus-Bezugs nicht möglich. Hierdurch wäre aber der Bezug zum derzeitigen Indikator 3.5 eingeschränkt, der die Väterbeteiligung am Elterngeld (nicht am Elterngeld Plus) darstellt.
- Folgen von Partnerschaftsgewalt
Die Prüfung eines diesbezüglichen Indikators anhand von Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hat zunächst keine Anhaltspunkte für einen weiteren Indikator ergeben, daher wird von einer Aufnahme im 4. Atlas abgesehen. Nach Auffassung der Fachgruppe könnte aber geprüft werden, inwiefern sich Folgen von Partnerschaftsgewalt anhand von Ermittlungs- oder Verurteilungsergebnissen (bspw. Strafverfolgungsstatistik, Ermittlungsverfahren der Amts-/Staatsanwaltschaften) abbilden ließen und inwiefern hierzu Sonderauswertungen auf Landesebene erforderlich wären. Die Fragestellung wurde an die AG Frauenhäuser herangetragen, um ggf. Erkenntnisse für einen späteren Atlas zu gewinnen.
- EU-Vergleiche: Verdienstunterschiede und Lebenserwartung im EU-Vergleich
Von der Aufnahme von EU-Vergleichen wird generell Abstand genommen, da dies nach Auffassung der Fachgruppe Auftrag und Methodik des Gleichstellungsatlas (Vergleich auf Landes- und Regionalebene) durchbrechen würde. Zudem liegen bspw. mit dem Gender Equality Index von EIGE bereits ausreichende Datenquellen zu Gleichstellung im EU-Vergleich vor.
Umfang des Auftrags an das Statistische Bundesamt und Kalkulation der Kosten
Der folgende Erstellungsauftrag umfasst die Print- bzw. PDF-Version, nicht die Online-Version des Atlas.
- Akquise aktueller Daten (Berichtsjahr ist voraussichtlich 2019) und Kommunikation mit den Datenhaltern
- Datenprüfung und Überprüfung der Angaben zur jeweiligen Datenquelle
- Bereitstellung in geeigneter tabellarischer Form
- Berechnung von Anteilswerten, Indizes und Änderungsraten
- Erstellung von jeweils einem Balkendiagramm pro Indikator als PDF-Datei (inkl. Prüfung)
- Erstellung von jeweils einer Karte pro Indikator als PDF-Datei (inkl. Prüfung)
- Festlegung geeigneter Kategorien für die Farbabstufung bei Karten (insbesondere die derzeit vorgesehenen neuen Indikatoren)
- Für bestehende Indikatoren Überprüfung und Aktualisierung, bzw. für neue Indikatoren grundlegende Erstellung von Definitionen, methodischen Erläuterungen sowie Angaben zur Datenquelle
- Erstellung einer Druckvorlage in Word
- Abstimmung mit der Fachgruppe Gleichstellungsatlas/Ländern/GFMK
- Einmalige Einarbeitung von Änderungswünschen
- Erstellung und Überprüfung von Tabellenbänden jeweils mit Kreis- und Länderdaten (in Abhängigkeit der Datenverfügbarkeit) für das aktuelle Berichtsjahr in Excel.
Kostenaufstellung:
Personenmonate:
3,1 höherer Dienst (E 14) 23.357 Euro
1,05 gehobener Dienst (E 11) 6.530 Euro
Gesamtkosten 29.887 Euro
Fälligkeit: voraussichtlich 2020
Die obenstehende Kalkulation basiert auf dem von der Fachgruppe vorgeschlagenen, erweiterten Indikatorenkatalog (Anlage). Sollten sich diesbezüglich Änderungen ergeben, muss die Kalkulation ggf. angepasst werden. Die Zusage zur Erstellung von Abbildungen, die auf Grundlage von Ergebnissen externer Datenhalter außerhalb der amtlichen Statistik geplant sind, erfolgt vorbehaltlich der unentgeltlichen Bereitstellung der entsprechenden Daten.
Eine Besonderheit stellt der Indikator zum „Gender Pension Gap“ dar, der auf Ergebnissen des Alterssicherungsberichts der Bundesregierung basiert. Sofern dieser Indikator wieder in den 4. Atlas aufgenommen werden soll, erfolgt die Akquise und Bereitstellung der Daten sowie eine ggf. erforderliche Finanzierung – wie schon für die vorherigen Ausgaben des Gleichstellungsatlas – nicht über das Statistische Bundesamt.
Entgeltgleichheit: Länderübergreifender Austausch und Workshop zu laufenden Aktivitäten
Beschluss:
Die GFMK bittet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Länder zeitnah über die Ergebnisse der ersten Evaluation des Entgelttransparenzgesetzes zu informieren. Ergänzend hierzu bittet die GMFK darum, dass das BMFSFJ, wie in ähnlicher Weise für den öffentlichen Dienst bereits geschehen, einen länderübergreifenden Austausch bezüglich aller, in den einzelnen Ländern und im Bund durchgeführten Projekte zum Thema Entgeltgleichheit in der Privatwirtschaft in einem Workshop organisiert. Die Expertise aus den Projekten der Länder steigert den Erkenntnisgewinn bezüglich der Wirksamkeit des Gesetzes in der Privatwirtschaft und stellt damit eine wichtige Ergänzung zur Evaluation des Bundes dar. Eine Einladung soll an alle für das Thema Entgeltgleichheit zuständigen Fachebenen „Arbeit“ und „Gleichstellung“ der Länderministerien erfolgen sowie über die GFMK an die Mitglieder der AG „Arbeitsmarkt für Frauen“ versandt werden.
Begründung:
In der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt für Frauen“ der GFMK berichtete der Bund über die in der Durchführung befindliche erste Evaluation des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz (Entgelttransparenzgesetz) zwischen Frauen und Männern. Geplant ist, das entsprechende Gutachten zur Wirksamkeit der gesetzlichen Regelungen sowie die Stellungnahmen der Sozialpartner und eine Bewertung der Bundesregierung im Juli 2019 dem Bundeskabinett vorzulegen.
Da der Evaluationsbericht zur Wirkungsweise des neuen Entgelttransparenzgesetzes im Sommer 2019 ansteht, ist es für die Länder für die Planung weiterer Projekte zur Beseitigung der Entgeltungleichheit wichtig, dass eine zeitnahe Information über die Ergebnisse stattfindet. Die Länder bitten darum, dass diese Information in Form eines vom BMFSFJ organisierten Workshops erfolgt. Weiterhin führen zahlreiche Länder als auch der Bund Projekte bezüglich des Themas Entgeltgleichheit durch, um die bestehende Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu verkleinern. Diese werden nicht nur am Equal Pay Day des jeweiligen Jahres durchgeführt, sondern auch unterjährig. Sowohl die Projekte in den Ländern als auch im Bund sind jedoch nicht im Einzelnen bekannt, eine Liste über die Zusammenstellung aller Projekte und Veranstaltungen hierzu gibt es bislang nicht. Da gute Projekte und Veranstaltungsformate für einzelne Länder sowie den Bund eine Vorlage sein könnten, eigene Impulse zu setzen und gute Beispiele auf ihr Land zu übertragen, ist eine entsprechende Übersicht/Aufstellung hierfür hilfreich.
Der dazugehörige mündliche Austausch über die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Projekten kann in einem Workshop erfolgen. Die Expertise aus den Projekten der Länder steigert den Erkenntnisgewinn bezüglich der Wirksamkeit des Gesetzes und stellt damit eine wichtige Ergänzung zur Evaluation des Bundes dar.