KULTUR IM KANZLERAMT : Kulturstaatsministerin Claudia Roth: "Kunst und Kultur sind die Grundnahrungsmittel unserer Demokratie"

2. Januar 2022 // Victoria Wygrabek

Am 23. Dezember haben Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Staatsminister Wolfgang Schmidt als Hausherr die Tore des Bundeskanzleramts für Kunst und Kultur geöffnet. Coronabedingt konnten bei der Veranstaltung mit Musiker:innen und Autor:innen nur wenige Menschen vor Ort teilnehmen, aber die Veranstaltung wurde per Video aufgezeichnet und am folgenden Tage allgemein zugänglich ins Netz gestellt.

Bild: BKM
Bild: BKM

Die neue Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), hatte zu der knapp einstündigen Veranstaltung „Kultur im Kanzleramt“ eine Reihe von Künstler: innen eingeladen, die sich in ihren musikalischen und literarischen Beiträgen mit den Motiven Flucht und Exil, Heimat und Weltoffenheit auseinandergesetzt haben. Der von Schauspielerin Annabelle Mandeng moderierte Abend wurde musikalisch von der Sopranistin Theresa Maria Pilsl, den Pianisten Igor Levit und Mert Yalniz sowie der Cellistin Julia Hagen begleitet. Mandeng, die nach eigenen Angaben das in Göttingen geborene Kind des ersten kamerunischen Stipendiaten in Deutschland und einer in Breslau geborenen deutschen Studienrätin ist, wies die Zuschauer:innen im Laufe der Veranstaltung mehrfach auf das traditionsreiche Zusammenspiel künstlerischen Schaffens im politischen Kontext des Regierungsgebäudes hin. So diente neben dem vom deutschen Maler Markus Lüpertz in sechs Farbräume umgestalteten Treppenhaus, auch die prestigeträchtige Ahnengalerie im ersten Stock des Bundeskanzleramts, als Kulisse für das künstlerische Intermezzo am Weihnachtsvorabend.

In Form verschiedensprachiger Lesungen von Stipendiatinnen und Stipendiaten des Writers-in-Exile-Programms des PEN-Zentrums Deutschland, darunter der syrischen Dichterin Kholoud Charaf, des türkischen Schriftstellers Barbaros Altuğ sowie der belarussischen Lyrikerin Volha Hapeyeva, wurden die Themen auf genreübergreifende Weise literarisch aufgegriffen und anschließend von der Schauspielerin und Filmpreisträgerin Maren Eggert (Mitglied des Ensembles des Deutschen Theaters, Berlin) ins Deutsche übersetzt. Sie alle teilten dasselbe Schicksal und waren einst selbst dazu gezwungen, einem autoritären System zu entfliehen, da sie in ihren Heimatländern ihrer Freiheiten beraubt, bedroht oder verfolgt wurden.

Das Writers-in-Exile Programm hatte 1999 der allererste Vorgänger Roths, der damalige Beauftragte für Kultur und Medien, Michael Neumann (SPD), ins Leben gerufen. Zu Beginn der Veranstaltung bekannte sich die neue Kulturstaatsministerin ausdrücklich zu dem vom BKM finanzierten Programm des internationalen Autorenverbandes PEN (Poets, Essayists, Novelists): „Kunst und Kultur sind für mich untrennbar mit der lebendigen, der streitbaren Demokratie verbunden. Hilfe für bedrohte Künstler:innen steckt in der Verantwortung und in der DNA meines Amtes. Es bedeutet mir wirklich unglaublich viel, dass ich die Türen des Kanzleramtes zuallererst für sie und mit ihnen öffnen und die ganze Republik an ihrer Kunst teilhaben kann.“ Zudem kündigte die Grünen-Politikerin an, dass die Unterstützung verfolgter Kunstschaffender und Journalisten während ihrer Amtszeit als Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, einer der Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit sei.

Überdies verwies auch Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn der Veranstaltung auf die symbolische Kraft der literarischen Beiträge der geladenen Writers-in-Exile-Literaten. Die dargebotenen Arbeiten der Künstler:innen aus dem Exil würden über die Bedeutung von Kunst und Kultur als elementaren Bestandteil der deutschen Demokratie und Gesellschaft hinaus, den Blick auf die Situation außerhalb des Landes lenken, formulierte der Kanzler in seiner Eröffnungsrede. Zudem verwies er auf die übergeordnete Bedeutung eines globalen künstlerischen Austausches in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Radikalisierung: „An vielen Orten der Welt stehen Künstlerinnen und Künstler unter dem Druck autoritäre Systeme. Sie werden in ihren Freiheiten eingeschränkt oder zur Flucht gezwungen. So wird ein weiteres zentrales Merkmal von Kunst und Kultur deutlich. Sie lernen Solidarität. Sie machen auch im internationalen Kontext Vielfalt und Verschiedenheit sichtbar. Sie helfen uns, einander so anzuerkennen, wie wir sind. Deshalb werden wir als Gesellschaft stärker, wenn wir daraus lernen und als Bürgerinnen und Bürger eine Kultur des Respekts leben.“

Zugleich bekräftigten der Kanzler und seine Staatsministerin, dass die Bundesregierung weiterhin alles dafür tun werde, die Folgen der Pandemie für Kunst und Kultur abzufedern. Das Kanzleramt als Austragsort „künstlerischer Interventionen“ zu öffnen, sei für Scholz angesichts der monatelangen Entbehrungen für Kunst- und Kulturschaffende in Folge der Corona-Pandemie, ein wichtiges Zeichen.

Schließlich würde er als Bundeskanzler die Absicht verfolgen, „das Vertrauen zwischen Kultur und Politik“ wieder herzustellen. In diesem Sinne lies auch der Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, im Gespräch mit Moderatorin Annabelle Mandeng verlauten, dass die außerplanmäßige Öffnung des Kanzleramtes für Künstlerinnen und Künstler ein wichtiges Signal des Neuanfangs sei und zugleich den „neuen Anspruch“ der Ampelregierung zum Ausdruck bringen würde.

(Siehe auch zwd-POLITIKMAGAZIN, Ausgabe 389, letzte Seite)

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