zwd Berlin. Die Koalitionsregierung stärke die Kultur in der Bundesrepublik und fördere „den Bundeskulturfonds, den Amateurmusikfonds, den Filmbereich und wichtige Branchenakteure“, wie den Verband freischaffender Musiker:innen PRO MUSIK, betonte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Wiebke Esdar in der Parlamentsdebatte zum Haushaltsplan für Bundeskanzler und Bundeskanzleramt am 26. November. Die Unions-Politikerin Kerstin Radomski hob die nach den Verhandlungen im Haushaltsausschuss gegenüber dem Gesetzentwurf (Drs. 21/ 600) um 10 Prozent erhöhten Bundesfinanzen für die Kultur hervor, zu denen die um mehr als 120 Mill. Euro aufgestockten Mittel für die Kulturbauten-Offensive KulturInvest, (250,73 Mill. Euro) und das mit 50 Mill. Euro fortgeführte Denkmalschutz-Sonderprogramm gehören.
Union: Schwerpunkt auf Gedenkkultur ist wichtiges Signal
Die kulturpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion Dr. Ottilie Klein stellte als Grundlage der freiheitlichen Demokratie des Landes „das Gedenken an die Vergangenheit, das Erinnern an den Zivilisationsbruch des Holocausts“ heraus, besonders vor dem Hintergrund des im öffentlichen Raum wieder verbreitet anzutreffenden Antisemitismus, und versprach entschlossenes Auftreten gegen jede:n, welche:r die Bedeutung der Verbrechen relativiere, leugne oder verächtlich mache. Dass sich diese Haltung in der Gedenkkultur und im Etat widerspiegele, nannte Klein „ein wichtiges Signal“ in herausfordernden Zeiten. Ebenso sei im Kulturhaushalt ein Stärken der Erinnerung an Opfer der Diktatur der SED, des Stasi-Unterlagen-Archivs (+ 420.000 Euro) und 65 Jahre nach dem Mauerbau eine Sonderförderung für die Stiftung Berliner Mauer (+ 250.000 Euro) geplant. Pflege des Geschichtsbewusstseins ist im Gesetzentwurf mit ca. 101 Mill. Euro (2025: 93,1 Mill. Euro) veranschlagt.
Als „starkes Zeichen“ sieht die Unions-Sprecherin die für den „Filmstandort Deutschland“ auf 250 Mill. Euro (annähernd) verdoppelten Mittel für die Filmförderung (2025: 133,3 Mill. Euro). Jegliche Investition in die Filmbranche könne einen wichtigen Unterschied machen, erklärte Klein und unterstrich, ihre Fraktion werde sich weiterhin dafür engagieren, „dass mehr Filme in Deutschland produziert“ würden. Der Vorsitzende im Kulturausschuss Sven Lehmann (Die Grünen) kritisierte bei der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes im Bundestag die aus seiner Sicht unangemessen gesetzten Prioritäten bei Kultur und Medien, anstelle eines Kulturkampfes brauche man „gerade in diesen Zeiten einen Kampf für die Kultur“.
Die Grünen fordern beim Film gesetzliche Investitionsverpflichtung
Im Einzelnen bemängelte Lehmann die Mittelkürzungen im Bereich der freien Szene und beim Fonds Soziokultur. Er bezeichnete es als „falsches Signal“, Fördergelder bei einem Fonds (von 6,25 Mill. Euro 2024 auf 2,9 Mill. Euro) zu streichen, der „für viele Menschen“ oft einen „erste(n), niedrigschwellige(n) Zugang zur Kultur“ ermögliche. Was die Filmbranche betrifft, erkannte der kulturpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion zwar die Mittelzuwächse an, monierte jedoch die Abkehr vom Steueranreizmodell und der gesetzlichen Investitionspflicht. Beide hält er für erforderlich, damit die Bundesrepublik beim Film längerfristig wettbewerbsfähig bleibt. Intransparente Deals „mit Amazon und Co.“ würden deutsche Filme „vom Willen einzelner Streamer“ abhängig machen, gab Lehmann zu bedenken. Er berief sich auf die 40 Film-Verbände und forderte eine im Gesetz festgelegte Investitionsverpflichtung.
Der Grünen-Politiker wandte sich auch gegen die Streichung der Finanzen für das – positiv bewertete - Zukunftsprogramm Kino (2024: 10,0 Mill. Euro), da Lichtspielstätten vielfach „die letzten verbliebenen Kulturorte“ in zahlreichen Regionen darstellten. Für nicht ausreichend begründet hält Lehmann auch das Absenken der Mittel beim KulturPass (von 4,6 Mill. auf 3,6 Mill. Euro), durch den bisher junge Menschen - eine „bestechend einfache und erfolgreiche Idee“ der früheren BKM Claudia Roth (Die Grünen) - zur Volljährigkeit 100 Euro für Bücher, Kino- oder Konzertbesuche erhielten.
Internationale Produktionshäuser kritisieren Streichung der Fördermittel
Der medienpolitische Sprecher der Linksfraktion David Schliesing attestierte dem Kulturhaushalt trotz der Zuwächse, dieser setze eine im Wesentlichen „kaum mehr tragbare Stagnation“ fort, bringe für größere Teile der kulturellen Szene rückläufige Mittelvergabe mit sich und werde den enormen Bedarfen und Investitionsstaus nicht gerecht. Aufgrund einer Politik finanzieller Kürzungen in den vorigen Jahren, z.B. bei den Kulturfonds des Bundes, befürchtet Schliesing, dass sich die Situation von prekär beschäftigten Künstler:innen weiter verschärfen könnte. Insgesamt hat sich die Förderung der Fonds laut Regierungsentwurf von 41,0 Mill. Euro im Jahr 2024 auf 26,0 Mill. Euro im Etat für 2026 (+ 8,0 Mill. Euro verglichen mit 2025) reduziert.
Die Streichung der Fördersummen für das Bündnis internationaler Produktionshäuser beurteilte der Linken-Politiker als katastrophal. Dieses hatte in einer Stellungnahme vom 20. November den Wegfall der Bundesmittel nach 10-jähriger Unterstützung besonders mit Blick auf drohende Konsequenzen, wie unterbrochene Kontinuitäten und erschwertes Entwickeln progressiver Formate, bedauert und gemahnt, BKM und Regierungskoalition setzten mit der Entscheidung „die Sichtbarkeit der Freien Szene bundesweit und international aufs Spiel“ und schränkten „öffentliche künstlerische und kulturelle Räume erheblich in ihrer internationalen Ausrichtung“ ein. Sie appellierten an die Regierung, im folgenden Haushaltsjahr die Kürzung wieder zurückzunehmen.
Die Linke setzt sich für soziale Situation von Kulturschaffenden ein
Um tatsächlich Demokratie international zu fördern und Desinformation entgegenzuwirken, hätte man laut Linken-Politiker Schliesing die Finanzen für die Deutsche Welle erhöhen und nicht im Haushaltsausschuss um 10 Mill. Euro (auf 395,39 Mill. Euro) verringern sollen. An dem um 240 Mill. Euro gestiegenen Gesamtetat beanstandete er vor dem Parlament nicht bloß, dass die finanziellen Aufwüchse fast ausnahmslos der Filmförderung zugutekommen, sondern auch, dass sie dabei ungerecht verteilt würden. Schliesing plädierte dafür, man dürfe die Unterstützung nicht einseitig auf Blockbuster ausrichten, auch Filmfestivals und Programmkinos hätten Finanzhilfen verdient, und verwies auf großzügige Förderprogramme in Italien und Frankreich.
Als insbesondere problematisch schätzte der Linken-Sprecher die soziale Lage der bundesdeutschen Kulturschaffenden ein und rief dazu auf, proaktiv für deren Verbesserung zu sorgen. Symptomatisch sind nach Ansicht von Schliesing in dem Kontext die Rentenpläne, vor allem die Aktivrente funktioniere faktisch als „Steuergeschenk an Besserverdienende“. Er beklagte, dass die freiberuflich in Kultur und Medien Tätigen dabei unberücksichtigt blieben, und beschrieb als Alternative der sozialen Absicherung im Kulturbereich ein vorbildliches, ab 2026 verstetigtes Pilotprojekt mit deutlich günstiger Wirkung aus Irland, das Künstler:innen ein Grundeinkommen gewährt. Schliesing verlangte die Rücknahme der Mittelkürzungen und erneuerte seine Forderung, das Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu verankern.
BKM Weimer bekräftigt Investitionsschub für Kultur und Medien
Kulturstaatsminister Weimer hatte anlässlich der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss vom 14. November (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) den neuen Rekordetat mit rund 2,57 Mrd. Euro für Kultur und Medien gelobt. Die Bundesrepublik befinde sich „vor großen Herausforderungen“, die mutig anzugehen seien, dafür brauche man „Selbstvergewisserung statt Selbstzweifel“. Mit dem Kulturhaushalt 2026 bleibe der Bund ein „verlässlicher Partner unserer Gedenkstätten“ und erweise sich – über die Kulturbauten-Offensive - als „engagierter Bewahrer der kulturellen Substanz unseres Landes“. 400.000 Euro wird der Bund nach Angaben des BKM für Gedenken an Opfer von NS-Euthanasie und Zwangssterilisation bereitstellen, 305.000 Euro für das europäische Projekt der Stolpersteine. Mit 500.000 Euro für die Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum und das Jewish Chamber Orchestra soll jüdische Gegenwartskultur noch besser sichtbar werden.
Rückgang der Mittel bei Kreativwirtschaft und kolonialer Aufarbeitung
Knapp 5 Mill. Euro mehr werden nach BKM-Aussagen für Gedenk- und Erinnerungsarbeit aufgewendet, ca. 10,0 Mill. Euro zusätzlich für die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), mit rund 1,0 Mill. Euro beabsichtigt die Regierung, Programmlinien für kulturelle Teilhabe des jugendlichen Publikums zu erweitern. Aufwüchse erfahren nach den Haushaltsberatungen gemäß Ergänzung zur Beschlussempfehlung (Drs. 21/ 2061) mit 52,6 Mill. Euro die Zuschüsse für Musik, Theater, Tanz und Literatur (+ 7,18 Mill. Euro), kulturelle Einrichtungen und Aufgaben im Inland hingegen einen Rückgang auf 238,2 Mill. Euro) (- 4,1 Mill. Euro), auch die Mittel zur Errichtung des Museums des 20. Jahrhunderts verringern sich (auf 72,0 Mill. Euro, - 28,3 Mill. Euro).
Die größten Ausgaben-Positionen bilden dem Gesetzentwurf zufolge die Allgemeinen kulturellen Angelegenheiten mit 189,3 Mill. Euro (+ 3,58 Mill. Euro) und die Kulturförderung im Inland mit 956,8 Mill. Euro (+ 151,1 Mill. Euro). Das Humboldt-Forum wird mit 50,1 Mill. Euro unterstützt (+ 2,0 Mill. Euro), Zuschüsse für Investitionen steigen auf fast 100 Mill. Euro (+ 36,5 Mill. Euro, 2025: 62,8 Mill. Euro). Die SPK erhält insgesamt 414,1 Mill. Euro (+ 25,7 Mill. Euro), die Mittel für die Deutsche Nationalbibliothek werden mit 56,1 Mill. Euro fortgeführt, die Beträge zum Bau eines Freiheits- und Einheitsdenkmals auf 8,0 Mill. Euro angehoben (+ 6,75 Mill. Euro). Kulturelle Kooperationen finanziert die Regierung mit 61,0 Mill. Euro (+ 8,0 Mill. Euro). Kultur- und Kreativwirtschaft sind andererseits nur noch mit 2,0 Mill. Euro (- 7,0 Mill. Euro) eingepreist, die Förderung für den Globalen Süden und die koloniale Aufarbeitung lediglich mit 500.000 Euro (- 1,5 Mill. Euro) angesetzt.