zwd Berlin. Die neue Regelung betrifft Erwerbstätige mit geringen Löhnen, wie Friseur*Innen und Servicekräfte, und Personen, die Kinder gepflegt oder Familienangehörige betreut haben. Zu ihnen gehören rund 70 Prozent Frauen. Aufgewertet wird die Rente jedoch nur bei denjenigen, die mindestens 33 Jahre Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben. Mit dem geplanten Gesetz verwirklicht die Regierung ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) nannte das Gesetz eine „wichtige sozialpolitische Reform“. Sie sei “ein richtiger und wichtiger sozialpolitischer Schritt und ein notwendiger Beitrag im Kampf gegen Altersarmut“. Über den Aufschlag zur Rente hinaus sieht das Gesetz Freibeträge u.a. beim Wohngeld, bei der Grundsicherung und den Hilfen zum Lebensunterhalt vor. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hob besonders den Vorteil hervor, den das neue Gesetz für die Frauen bringen wird. Meistens seien es Frauen, die wegen der Familie „beruflich zurückstecken“ müssten oder in niedrigbezahlten Branchen arbeiteten. Ebenso würden viele ostdeutsche Rentner*Innen von der Grundrente profitieren, die über Jahre für wenig Geld gearbeitet haben.
SPD: Grundrente trägt zur sozialen Gerechtigkeit bei
Die Grundrente stelle einen „Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit“ dar, betonte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Kerstin Tack. Das sei wertvoll für die ganze Gesellschaft, daher werde die Zusatzrente über Steuermittel finanziert. Die Kosten im ersten Jahr belaufen sich nach Angaben der Deutschen Presseagentur auf rund 1,3 Milliarden Euro. Erhöhte Steuerzuschüsse in die Rentenkassen – u.a. durch die in Aussicht genommene Finanztransaktionssteuer – sollen diese Summe stemmen. Bereits im Mai 2019 hatte Heil einen Entwurf für eine „Respekt-Rente“ vorgelegt, den aber die Fraktion von CDU/CSU aufgrund des Finanzkonzepts und der fehlenden Bedürftigkeitsprüfung zurückwies. Der von den Koalitionspartner*innen im November vergangenen Jahres erzielte Kompromiss war nochmals überarbeitet worden.
Immerhin bleibt es bei dem von Union und SPD ausgehandelten Plan, anstelle der Bedürftigkeit der Rentner*innen ihre Einkommen zu überprüfen, eine vorherige Beantragung ist nicht erforderlich. Das soll unbürokratisch und weitgehend automatisiert über die Rentenanstalten und die Finanzverwaltung geschehen. Geprüft werden demnach Einkommen wie Mieteinkünfte, Pensionen und Kapitalerträge.
Einkommensabhängige Aufschläge auf die Rente
Nach dem jetzt vereinbarten System können Geringverdiener*innen künftig je nach den bisher gezahlten Versicherungsbeiträgen bis zu 0,8 Entgeltpunkte mehr Rente bekommen. Den gesamten Zuschlag können aber nur Personen in Anspruch nehmen, die 35 Jahre gearbeitet haben, ab 33 Erwerbsjahren sind die möglichen Beträge in einer Übergangsphase gestaffelt. Den Grundrenten-Aufschlag beziehen Alleinlebende, wenn ihr Einkommen einen Betrag von 1.250 Euro im Monat nicht übersteigt, bei Paaren liegt die Obergrenze bei 1950 Euro. Einkünfte oberhalb dieser maximalen Summe sind der Gesetzesvorlage zufolge jetzt mit 60 anstelle der zuvor veranschlagten 40 Prozent des Differenzbetrages auf die Grundrente anzurechnen. Überschreitet das Einkommen aber die Höchstgrenze von 1.600 Euro bei Alleinstehenden bzw. 2.300 Euro bei Ehepaaren und Lebenspartner*innen, wird der gesamte „überschüssige“ Betrag auf die Grundrente angerechnet. Informationen der ARD zufolge sollen jedoch nur Beitragszeiten gelten, die zwischen 60 und 80 Prozent des durchschnittlichen Jahreseinkommens entsprechen.
„Gemischte Gefühle“ bei den Gewerkschaften
DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete den Gesetzentwurf als „akzeptablen Kompromiss“. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik den größten Niedriglohnsektor im westlichen Europa aufweise, sei laut Buntenbach „eine Aufwertung niedriger Renten, die durch Zeiten niedriger Löhne entstehen, längst überfällig“ gewesen. Sie bedauert allerdings das komplizierte Verfahren, um die Grundrente zu berechnen, und die insgesamt verringerte Menge von Menschen, denen die Aufschläge zugute kommen werden.
Die Fraktion der Linken kritisierte hingegen den Gesetzentwurf der Koalition. Aus deren wichtigstem sozialpolitischen Projekt sei ein „bürokratisches und stumpfes Schwert im Kampf gegen Armutsrenten“ geworden, erklärte ihr rentenpolitischer Sprecher Matthias Birkwald. Anstelle der Grundrente sei auf Betreiben der Union in dem Entwurf bloß eine „Grundsicherung plus“ angelegt worden. Birkwald wandte gegen das geplante Gesetz ein, dass nur 5 Prozent der Rentenhaushalte daraus Nutzen ziehen würden, obwohl rund 20 Prozent als arm gelten. Seine Fraktion werde daher im Parlament nicht für die Vorlage der Koalition stimmen. Um Altersarmut zu bekämpfen, fordern die Linken stattdessen einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro, ein auf 53 Prozent angehobenes Rentenniveau und eine „Solidarische Mindestrente“ von 1050 Euro monatlich.