BERUFSBILDUNGSBERICHT 2024 : SPD: Ausbildungsgarantie soll bei hoher Ungelernten-Quote helfen

24. Mai 2024 // Ulrike Günther

Mehr Anfänger:innen, mehr Ausbildungsplätze, fast ein Fünftel junge Erwachsene ohne Berufsabschluss: Der aktuelle Berufsbildungsbericht zeigt positive und bedenkliche Trends. Erfolgswerte verbleiben unter Vor-Corona-Level. Die Koalition setzt auf Startchancen, Ausbildungsgarantie, Berufsschul-Pakt für attraktivere, passgenauere Angebote. Die Linken fordern eine Schul- und Ausbildungsreform sowie einen Rechtsanspruch.

Mehr junge Leute haben 2023 eine Berufsausbildung begonnen. - Bild: Wikimedia/ Triplec
Mehr junge Leute haben 2023 eine Berufsausbildung begonnen. - Bild: Wikimedia/ Triplec

zwd Berlin. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) rückte im Parlament die günstigen, vom Bericht (Drs. 20/ 11311) beschriebenen Entwicklungen auf dem Berufsbildungsmarkt in den Vordergrund: die 2023 gegenüber dem Vorjahr um 3,0 Prozent gestiegene Zahl neuer Ausbildungsverträge, die mit 77 Prozent höchste Quote von durch Ausbildungsbetriebe übernommenen Azubis seit dem Jahr 2000 und das – laut Bildungsreport im Vergleich 2022 um 2,0 Prozent - gewachsene Interesse von Azubis an Gesundheits-, Sozial- und Bildungsberufen. Somit sei 2023 „ein gutes Jahr des Fortschritts“, bilanzierte die Ministerin.

FDP: Strategie zu beruflicher Bildung soll Karriere ermöglichen

Als „besorgniserregend()“ und „inakzeptabel“ bezeichnete Bildungsministerin Stark-Watzinger, dass zum Teil junge Leute nicht im System der Berufsbildung ankommen. Nach Angaben des Berichts blieben 2022 in der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen 19,1 Prozent ohne einen formalen Berufsabschluss (2021: 17,8 Prozent). Entscheidend sei es, „die Ursachen an(zu)gehen“, betonte die FDP-Politikerin. Mit dem Startchancen-Programm setze die Koalition am „Fundament des Bildungsweges“ an, beabsichtige, „Talent und Leistung von Anfang an“ zu stärken. Die - vom Bundesbildungsministerium (BMBF) im Dezember 2023 gestartete – Exzellenzinitiative Berufliche Bildung solle duale Ausbildungen attraktiver machen, Aufstieg und Karriere ermöglichen. Personen, die bisher keine Berufsausbildung absolviert haben, möchte die Ministerin „eine zweite Chance“ geben, dadurch dass sie künftig – wie im am selben Tag beratenen Regierungsentwurf (Drs. 20/ 10857) vorgesehen - ihre Kompetenzen feststellen und dokumentieren lassen können.

Trotz des Anstiegs bei den neu abgeschlossenen Azubi-Verträgen lag der Gesamtwert von 489.200 (bis September 2023) immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Level (-6,8 Prozent) von 2019. Das Gleiche gilt für die Einsteiger:innen-Quoten: Obwohl 1,7 Prozent mehr Personen eine duale Ausbildung begannen, betrug der Abstand zu den Anfänger:innen-Raten von vor der Corona-Krise nach Angaben des Berichts -5,7 Prozent.. Ebenso erhöhte sich das Angebot an Ausbildungen um 3,4 Prozent (auf 562.600), die Nachfrage (inkl. Bewerber:innen mit alternativen Bildungsaussichten) um 3,2 Prozent (auf 552.990), i- 2,7 Prozent bzw. – 7,7 Prozent unterhalb der Vor-Pandemie-Werte.

SPD: Gleiche Startbedingungen für bessere Berufschancen wichtig

Die Bildungs-Politikerin Jessica Rosenthal (SPD) verwies mit Blick auf die - neben den erreichten Fortschritten – „alarmierende(n) Zahlen“ auf die Bedeutung frühkindlicher Bildung, „vernünftige(r) schulische(r) Ausbildung“ und „gleiche(r) Chancen“ – somit auch auf das Startchancen-Programm, denn im Berufsbereich würden die Effekte ungleicher Bildungsaussichten erkennbar. Die erneut zu beobachtende Zunahme bei den jungen, formal nicht qualifizierten Menschen nannte Rosenthal einen „erschreckende(n) Trend“. Die – zum 1. April in Kraft getretene – Ausbildungsgarantie solle diesen ungelernten Personen zu einem Berufsabschluss verhelfen. Der Vorsitzende des Bildungs-Ausschusses Kai Gehring (Die Grünen) führte die große Menge von rund 2,9 Mill. jungen Leuten ohne Berufsausbildung auf die Politik der Vorgängerregierung sowie das Schulsystem zurück und forderte, man brauche „dringend eine Trendwende hin zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem“.

Die Linken-Politikerin Nicole Gohlke machte in diesem Zusammenhang auf den Widerspruch zwischen eklatantem Fachkräftemangel in der Pflege, in Erziehung, Handwerk und Technik und der hohen Zahl an Ungelernten aufmerksam. Sie verlangte, das Schul- und Berufsbildungssystem zu reformieren und finanziell aufzustocken, überdies die Arbeitsbedingungen der Lehrer:innen zu verbessern. Gohlke beanstandete, dass jährlich ca. 250.000 junge Leute im Übergangsbereich, d.h. diversen Überbrückungs-Maßnahmen, ohne Berufsperspektive landen. Was man vor allem benötige, sei „ein Rechtsanspruch (…) auf eine voll qualifizierende Ausbildung“, so Gohlke.

Die Grünen: Matching von Angeboten und Nachfrage verbessern

Angesichts von gemäß dem Report 73.400 unbesetzten Ausbildungsplätzen im Verhältnis zu 26.400 Bewerber:innen ohne Berufsbildungsstellen konstatierte der Grünen-Politiker Gehring, dass „das Matching dringend noch besser werden“ müsse. Er sieht es als Aufgabe, „Angebot und Nachfrage besser zusammen(zu)bringen, Bildungsqualität (zu) steigern und alle Potenziale (zu) heben“. Das müsse gemeinsam, in noch engerer Kooperation von „Bund, Ländern und Kommunen“, allen am dualen System Beteiligten geschehen. Der Sprecher für Bildungspolitik der SPD-Fraktion Oliver Kaczmarek mahnte, man brauche „alle Anstrengungen, insbesondere der Betriebe“, doch ebenso der Gesellschaft, „für mehr Ausbildungsplätze, und zwar in allen Regionen“, auch für die „frühzeitige Besetzung der vorhandenen Stellen“ Als von der Koalition initiierte Maßnahmen hob der Grünen-Politiker Gehring neben der Ausbildungsgarantie den – am 16. Mai gestarteten - Pakt für berufliche Schulen hervor – dieser soll die Einrichtungen innovativer machen und deren Weiterentwicklung fördern, sowie die Stärkung der „Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, wozu auch die Exzellenzinitiative beitrage. Zwar sank die Anzahl der unversorgten Ausbildungs-Interessenten dem Bericht zufolge seit 2021, nahm aber 2023 gegenüber 2022 um 16,3 Prozent zu, außer im Corona-Jahr 2020 der höchste Anstieg seit 2008.

Linke: Solidarumlage soll Engagement von Betrieben fördern

Der im Rahmen der Ausbildungsgarantie gewährte Mobilitätszuschuss – Kostenübernahme für monatlich zwei Familienheimfahrten für Azubis im ersten Lehrjahr – ist nach Aussagen von SPD-Politikerin Rosenthal ein Mittel, mit dem die Koalition offene Stellen leichter für Azubis zugänglich machen will. Das vom Bund mit 500 Mill. Euro pro Jahr geförderte Programm „Junges Wohnen“ (zum Bauen und Modernisieren von Wohnheimen) solle dem Problem von Azubis Abhilfe schaffen, am gewählten Ausbildungsort eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Die Linken-Abgeordnete Gohlke erklärte, es sei außerdem mehr Engagement vonseiten der Betriebe und Unternehmen erforderlich. Da bloß noch knapp 19 Prozent aller Betriebe Berufsbildungsstellen anböten, müsse man „darüber reden, wie wir mehr Unternehmen dazu bringen, auch selbst auszubilden“. Deshalb schlug sie vor, eine „solidarische Ausbildungsplatzumlage“ einzuführen, wodurch Ausbildungsbetriebe angemessen unterstützt, umgekehrt andere Unternehmen nicht der Verantwortung enthoben würden.

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