zwd Berlin. Die aktuellen Ergebnisse eines Teilprojektes des BiPsy-Monitors machen eine Beziehung zwischen Unterrichtsgestaltung und schulischem Wohlbefinden deutlich. Demnach erhöht emotionale Unterstützung als „wertschätzende(r) und respektvolle(r) Umgang“ mit Schüler:innen deren überwiegend „positive Emotionen und Kognitionen“ im Schulumfeld. Die 2024 befragten Kinder wiesen durchschnittlich ein eher positives Wohlbefinden im schulischen Kontext auf, negative Ausprägungen, wie Sorgen, seelisch-körperliche Beschwerden oder Probleme, fielen im Mittel eher gering aus. Ebenso trage eine „gute Klassenführung“ - als Umgang mit Unterrichtsstörungen und deren Prävention – sowohl dazu bei, das schulische Wohlbefinden zu steigern, als auch durch Schule verursachte Sorgen, körperliche Beschwerden und soziale Probleme zu verringern.
Positive Selbsteinschätzung verbessert schulisches Wohlbefinden
Ein „strukturierter, störungsarmer Unterricht“ könne Anteil daran haben, Schüler:innen zu entlasten, folgern die Autor:innen. Demgegenüber habe kognitive Unterstützung im Sinne eines konstruktiven, auf den Lernprozess bezogenen Feedbacks keinen besonderen Einfluss darauf, wie wohl sich die Schüler:innen fühlen. Kognitives Aktivieren, welches die Kinder zum eigenständigen Problemlösen anregt, kann laut der Studie sogar zu stärkerem Unwohlsein, mehr schulischen wie sozialen Schwierigkeiten führen. Die Forscher:innen vermuten, dass das „richtige Maß an kognitiver Aktivierung“, d.h. weder zu über- noch zu unterfordern, „entscheidend für die Förderung schulischen Wohlbefindens“ ist.
Einen weiteren positiven Zusammenhang stellen die Verfasser:innen zwischen dem sog. akademischen Selbstkonzept und Wohlfühlen von Schüler:innen fest: Kinder, die sich imstande sehen, schulische Anforderungen zu erfüllen, würden „mehr Freude, Optimismus und soziale Eingebundenheit“ erleben als diejenigen, die weniger auf ihre schulischen Fähigkeiten vertrauen. Diese hätten ihrerseits häufiger psychosomatische Beschwerden, Sorgen und Konflikte mit Gleichaltrigen. Für die erste Datenerhebung des Teilprojektes des von der Robert Bosch Stiftung geförderten BiPsy-Monitors legten Forscher:innen der Universität Leipzig 1.078 Schüler:innen der 5. und 7. Klasse an 13 Gymnasien (75,8 Prozent), Oberschulen (21,0 Prozent) und Förderschulen (3,2 Prozent) Fragebögen vor, mithilfe derer sie das Verhältnis von schulischem Wohlbefinden zu einer Reihe von Unterrichtsmerkmalen untersuchten.
SPD: Schulen sollen demokratisch, partizipativ und inklusiv sein
„Die Herausforderungen für Schüler:innen" angesichts sozialer Ungleichheiten, von Klimawandel, Digitalisierung, Social Media und globaler Krisen seien „riesig“, kommentierte die Sprecherin für Bildungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion Jasmina Hostert die Resultate des Schulbarometers. Das Aufgabenspektrum der Lehrkräfte würde daher inhaltlich und „in den Bereichen Fürsorge, Beziehungsqualität und sozial-emotionale Entwicklung“ wachsen, erklärte Hostert im zwd-Interview am 18. Juli. Ihre Fraktion habe deshalb vor, die Arbeitsbedingungen „auch durch Investitionshilfen des Bundes“ zu verbessern. Mit Blick auf den in der Studie berichteten Mangel an Demokratiebildung setzte sich die SPD-Politikerin dafür ein, „Schulen von Lernorten zu Lebensorten weiterzuentwickeln“. Sie plädierte wie die Bildungsbereichs-Leiterin der Robert Bosch Stiftung Dr. Dagmar Wolf für „ein(en) strukturelle(n), kulturelle(n) und personelle(n) Wandel im gesamten Land“. Der Bund müsse sich maßgeblich „an den dafür erforderlichen finanziellen Ressourcen“ beteiligen.
Ähnlich Wolf, für die Demokratielernen „nicht nur im Politikunterricht“ stattfindet, strebt die SPD nach Angaben von Bildungs-Sprecherin Hostert „demokratische, partizipative und inklusive Schulen“ an, die dazu nötigen „kontinuierlichen Entwicklungsprozesse“ werde man auch vonseiten des Bundes anstoßen. Der bildungspolitische Berichterstatter der Unionsfraktion Michael Hose betonte gegenüber dem zwd, Schulpolitik liege „aus guten Gründen“ in der Verantwortung der Länder, dennoch leiste der Bund durch die in den Koalitionsvertrag aufgenommene „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ einen Beitrag, um „Lehrkräfte optimal auf den Schulalltag vorzubereiten“. Die grüne Bildungspolitikerin Dr. Anja Reinalter erkennt im „Aufbau von multiprofessionellen Teams“ ein wichtiges Mittel, um Lehrer:innen beim Umgang mit vielfältigen Schwierigkeiten zu unterstützen. Überdies braucht Demokratiebildung aus Reinalters Sicht genügend „Raum in den Lehrplänen“, die Lehrkräfte müssten darin solide ausgebildet sein und die Möglichkeit erhalten, sich fortgesetzt weiterzubilden.
GEW: Mehr schulische Ressourcen für Demokratiebildung erforderlich
Auch die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke forderte im Gespräch mit dem zwd eine „inklusive, demokratische Lernumgebung“, wo die Schüler/innen anstatt Dauerstress und Leistungsdruck gleiche Chancen haben. GEW-Vorstandsmitglied Schule Anja Bensinger-Stolze empfahl, insgesamt mehr Unterrichtszeit für Demokratie einzuplanen und Demokratiebildung zu einem Top-Thema zu machen. Demokratie müsse „auch gelebt werden“, hob Bensinger-Stolze hervor, durch praktische Erfahrungen von regelmäßigem Unterrichts-Feedback bis zu partizipativer Mitbestimmung in Schulkonferenzen. Die GEW-Schulfachfrau befürwortet ebenfalls, Demokratielernen stärker in den Curricula zu verankern und „mehr schulische Ressourcen und Räume sowie personelle Unterstützung“ zu gewährleisten.
Der Deutsche Lehrerverband (DL) bestätigt das in der Studie abgebildete Bedürfnis von Lehrkräften nach mehr schulischer Demokratiebildung und Unterrichtszeit dafür. Das decke sich mit den Beobachtungen, dass „das Interesse (…) an Fortbildungen, wie Demokratiebildung im Unterricht umgesetzt werden kann, sehr hoch ist“, erklärte DL-Präsident Stefan Düll. Medienbildung und auch KI-Umgang sollten dabei aus seiner Sicht ein wichtiges Element darstellen. Als Haupthindernisse für ausreichendes Demokratielernen bezeichneten in der am 25. Juni veröffentlichten Studie mehr als drei Viertel der Lehrkräfte (77 Prozent) fehlende Unterrichtszeit und über zwei Fünftel (45 Prozent) mangelndes Fachwissen über die Umsetzung.
Die Grünen: Sondervermögen „historische Chance“ für Investitionen
Grüne wie Linke unterstreichen das Erfordernis, in das Sanieren von Kitas, Schulen, Berufsschulen sowie den Ganztagsausbau zu investieren. Nach Auffassung von Grünen-Bildungspolitikerin Reinalter hat die Bundesregierung durch das neu eingerichtete Sondervermögen Infrastruktur „die historische Chance, massiv in Bildung zu investieren“. Sie empfahl, einen Teil des Sondervermögens für bauliche Sanierung und Schaffen von Ganztagsplätzen zu nutzen. Linken-Sprecherin Gohlke monierte, die bisher für Digitalpakt und Betreuen von Kindern geplanten 6,5 Mrd. Euro reichten bei einem „Sanierungsstau() von 55 Milliarden Euro und einem Mangel an Kitaplätzen und Personal nicht mal ansatzweise“. Ebenso würden vom Startchancen-Programm nach Ansicht von Gohlke „bei weitem nicht alle Schulen“ profitieren.
Die Linken: Fachkräfte Voraussetzung für gute Präventionsarbeit
Bildungs-Berichterstatter Hose von der Union lobte das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Startchancen-Programm, das Schulen in Problemlagen finanziell fördere. Als in erster Linie bedeutsam erscheine seiner Fraktion wie Vertreter/innen der Kultusministerkonferenz (KMK), dass die Mittel „evidenzbasiert und nachhaltig ausgegeben werden“. Linken-Politikerin Gohlke legt einen Schwerpunkt auf dringend benötigte „sozial gerechte und unterstützende Bildungspolitik“. Eine wesentliche Voraussetzung für mehr „Beziehungs- und Präventionsarbeit“, d.h. gute Elternarbeit, Beratung durch Schulpsycholog:innen und soziales Kompetenztraining, bilden für Gohlke genug vorhandene Fachkräfte, von Lehrer:innen über Sozialarbeiter:innen bis zu Erzieher:innen. Es müssten beträchtliche „Ressourcen bereitgestellt werden, um die Arbeitsbelastung zu verringern“.
Während 35 Prozent der westdeutschen Lehrer:innen (Ost: 20 Prozent) das Fehlen von Materialien zum Thema Demokratielernen beanstandeten, beklagten 38 Prozent der ostdeutschen Lehrkräfte zu wenig Interesse innerhalb des Kollegiums (West: 26 Prozent), 29 Prozent befürchteten Konflikte unter Schüler:innen (West: 17 Prozent) und über ein Viertel (27 Prozent) Widerstände vonseiten der Eltern (West: 9 Prozent). Das forsa-Institut für Sozialforschung führte im Auftrag der Robert Bosch Stiftung vom 11. November bis 02. Dezember 2024 eine repräsentative Online-Befragung von 1.540 Lehrkräften an allgemeinbildenden und Berufsschulen durch.
Lehrkräfte erwarten vom KI-Einsatz Nachteile für kritisches Denken
Mit Blick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sieht SPD-Bildungspolitikerin Hostert zwar für Schüler:innen Chancen „für individuelle Förderung“, nimmt jedoch auch Risiken, z.B. für Entwicklung kritischen Denkens, Kommunikationsfähigkeiten oder Erwerb sozialer Kompetenzen wahr. Obwohl KI in den folgenden Jahren ein „relevantes Thema an allen Schulen“ werde, sei es bis zur systematischen Eingliederung der KI-Technologien in den Schulalltag noch weit. Die Skepsis von Lehrkräften beim Einsatz von KI im Unterricht hält GEW-Vorstandsmitglied Bensinger-Stolze für berechtigt. Die Erwartung einer Mehrheit von Lehrer:innen, der KI-Gebrauch würde negative Folgen hinsichtlich sozial-kommunikativer Fähigkeiten (62 bzw. 72 Prozent bei Nutzer:innen/ Nicht-Nutzer:innen) und kritischen Denkens (60 Prozent/ 69 Prozent) zeigen, habe sich durch Studien bestätigt. Zudem seien viele KI-Anwendungen pädagogisch wie datenschutzrechtlich bedenklich.
Der Deutsche Philologenverband (DPhV) warnte davor, unreflektiert technologische Neuerungen ohne pädagogisches Rahmenkonzept zu übernehmen. Eine KI-Strategie für die Bildung müsse „die pädagogische Autonomie und die schulische Datensouveränität“ sichern, unterstrich die Bundesvorsitzende Prof.in Susanne Lin-Klitzing. Wie Bensinger-Stolze von der GEW wies sie darauf hin, Schüler:innen sollten „KI nicht konsumieren, sondern kritisch reflektieren“. Dafür brauche man Weiterbildungen für Lehrkräfte, eine mit Datenschutz konforme Bildungs-KI auf Grundlage des europäischen Rechts sowie leistungsfähige Identitätsmanagementsysteme an allen Schulen.
Grüne fordern für Digitalpakt 2.0 mindestens 6,5 Mrd. Euro Bundesmittel
Die Grünen drängen darauf, den Digitalpakt rasch zu starten, um damit einerseits „in digitale Infrastruktur“, andererseits in „Maßnahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung“ und in „anwendungsbezogene Forschung“ inklusive deren Übertragung in die Lehrkräfteausbildung zu investieren. Die grüne Bildungs-Sprecherin Reinalter empfahl, das Finanzvolumen des Digitalpaktes 2.0 „mindestens auf das Gesamtvolumen des ausgelaufenen Vorgängerpaktes“, d.h. von derzeit geplanten 2,5 Mrd. Euro Bundesmitteln (+ 2,5 Mrd. Länder-Investitionen) auf 6,5 Mrd. Euro anzuheben. Der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) sprach sich für den Gebrauch von KI-Sprachmodellen wie ChatGPT in Schulen aus, vorausgesetzt, „didaktische Konzepte, klare Leitplanken und passende Fortbildungskonzepte“ würden entwickelt und erweitert. Linken-Politikerin Gohlke schlug vor, der Bund solle eine Ausbildungsoffensive anfangen und finanziell die Lehrkräfteschulung und -weiterbildung unterstützen. Insgesamt hält Gohlke eine verstärkte Kooperation vom Bund mit den Ländern und Kommunen bei Bildung für unverzichtbar.
Fast zwei Drittel der Lehrer:innen (62 Prozent) fühlen sich nach Angaben der Studie im KI-Umgang eher bis sehr unsicher, über die Hälfte (55 Prozent) nutzen KI-Tools seltener als einmal pro Monat. Rund ein Drittel (31 Prozent) verwenden sie monatlich bis täglich, überwiegend für Erstellen von Aufgaben und Unterrichtsplanung. Günstige Effekte erwarten Lehrkräfte für die individualisierte Lernunterstützung (47 Prozent/ 65 Prozent), nachteilige Auswirkungen auch für Problemlöse-Fähigkeiten (51 Prozent/ 64 Prozent), Sprach- und Schreibkompetenzen (55 Prozent/ 61 Prozent).
DPhV: Länder brauchen psychologisches Personal und Anti-Gewalt-Stellen
Was die von Lehrer:innen berichteten, verglichen mit dem Vorjahr erhöhten Herausforderungen durch schwieriges Verhalten von Schüler:innen (42 Prozent, 2024: 35 Prozent) und Arbeitsbelastung (34 Prozent, 2024: 28 Prozent) betrifft, trat GEW-Schulfachfrau Bensinger-Stolze wie der DPhV für „gesunde Schulen“ ein. Bensinger-Stolze nannte die „gesundheitlichen Risiken (…) alarmierend“, man solle „flächendeckend Gefährdungsbeurteilungen“ durchführen. Überdies sei die Unterrichtsverpflichtung abzusenken und die personelle Ausstattung erheblich aufzubessern. Für die DphV-Bundesvorsitzende Lin-Klitzing stellt regelmäßige Erschöpfung bei einem Drittel der Lehrkräfte (34 Prozent) „kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem“ dar.
Lin Klitzing verlangte „ein verlässliches Unterstützungssystem“, wozu ihrer Auffassung nach „psychologisch geschulte Fachkräfte, qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung (…) sowie zentrale, unabhängige Anlaufstellen (…) für Fälle von Gewalt“ gehören. Dem Schulbarometer zufolge fühlt sich fast ein Viertel der Lehrer/innen (24 Prozent) mehrmals wöchentlich erschöpft, ein Zehntel (10 Prozent) sogar täglich. Jeweils hohe Anteile der befragten Lehrkräfte gaben an, die Unterstützungsangebote für psychisch belastete Kinder und Jugendliche durch Beratungslehrer:innen (54 Prozent) bzw. durch Schulpsycholog:innen (71 Prozent) seien nicht oder eher nicht genügend. Fast ein Viertel (23 Prozent) des auffälligen Betragens von Schüler:innen wird von Lehrkräften als allgemein schwieriges Sozialverhalten beschrieben. Wie beim Schulbarometer 2024 beobachtete knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) physische und psychische Gewalt unter den Kindern und Jugendlichen.