BERUFSBILDUNGSBERICHT 2025 : SPD: Aufstiegs-BAföG reformieren, Berufsorientierung erweitern

13. November 2025 // Ulrike Günther

2024 haben sich erstmalig wieder mehr Personen auf einen Berufsbildungsplatz beworben, knapp 38 Prozent sind Frauen. Die Zahl unversorgter Bewerber:innen stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Fünftel. Das belegt der Bildungsbericht des Bundesbildungsministeriums, mit dem sich der Bundestags-Ausschuss befasst. Leichte Rückgänge sind bei Anfänger:innen und Angeboten zu verzeichnen, Die SPD setzt wie die Grünen u.a. auf eine Reform des Aufstiegs-BAföGs. Der DGB fordert ein Aktionsprogramm für formal nicht Qualifizierte.

Berufliche Bildung verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. - Bild: ABC Tagungszentrum
Berufliche Bildung verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. - Bild: ABC Tagungszentrum

zwd Berlin. Mit dem am Mittwoch vom Bundestag als Unterrichtung veröffentlichten Berufsbildungsbericht (Drs. 21/ 2750) inklusive des ergänzenden, vom Bundesinstitut für Berufsbildung (bibb) herausgegebenen Datenreports beschäftigte sich am selben Tag der parlamentarische Bildungsausschuss in seiner 11., für Publikum nicht zugänglichen Sitzung. Man nehme „den Bericht sehr ernst“, erklärte SPD-Bildungspolitiker Martin Rabanus mit Blick auf die geplante Diskussion im Bundestags-Gremium.

SPD setzt sich für Stärkung der beruflichen Bildung ein

Der Report zeige, dass die Bundesrepublik nur mit attraktiv bleibender Berufsausbildung den künftigen Fachkräftebedarf decken könne. U.a. verwies der SPD-Politiker auf das wieder deutlich gewordene Problem der sog. Passung, d.h. wie sich die Ausbildungs-Angebote der Betriebe mit den Interessen der Bewerber:innen vereinbaren lassen. Besorgniserregend nannte er den mit 19,0 Prozent (2023) hohen Anteil junger Erwachsener ohne formalen Berufsabschluss. Seine Fraktion werde sich „weiter dafür einsetzen, dass die berufliche Bildung gestärkt wird, um junge Menschen auf ihrem Weg in die Arbeitswelt zu unterstützen“, versicherte Rabanus.

Laut Berufsbildungsbericht verzeichnete die Anzahl der Anfänger:innnen dualer sowie schulischer Ausbildungen 2024 einen leichten Rückgang um – 1,1 Prozent bzw. – 1,5 Prozent. Demgegenüber begannen 2,1 Prozent mehr Azubis eine Berufsausbildung im Bereich Gesundheitsdienste, Erziehungs- und Sozialwesen. Bis zum 30. September desselben Jahres wurden 486.711 Berufsbildungsverträge unterschrieben, - 0 5 Prozent weniger im Vergleich zu 2023. 259.430 Schulabgänger:innen landeten im Übergangsbereich, um die Ausbildungsreife zu erwerben, 3,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit insgesamt 556.116 Berufsbildungsstellen nahm das Angebot um – 1,2 Prozent ab, während bei 517.862 Interessierten (557.096 einschl. Personen mit Alternativen) die Nachfrage um 0,4 Prozent (bzw. 0,8 Prozent) stieg.

GEW: Hohe Anzahl nicht formal Qualifizierter verschärft soziale Kluft

Man dürfe es nicht weiter hinnehmen, „dass so viele junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss haben“, kommentierte das GEW-Vorstandsmitglied im Bereich Berufliche Bildung Ralf Becker die Ergebnisse des Berichts am 06. November, wonach rund 2,9 Mill. Erwachsene aus dieser Altersgruppe nicht über eine formale Qualifizierung verfügen. Becker mahnte, die soziale Kluft werde sich noch verschärfen, wenn sich einem Teil der jungen Leute bloß ungelernte, häufig gering bezahlte Tätigkeiten als Berufsperspektiven bieten. SPD-Politiker Rabanus hob in seiner Stellungnahme anlässlich der Vorstellung des Berichts im Bundekabinett am 05. November die bildungsbezogenen Koalitionsvorhaben als besonders wichtig hervor.

Prien: Koalition wird Übergänge von Schule und Beruf verbessern

Mit der geplanten Reform des sog. Aufstiegs-BAföGs (AFBG) beabsichtige man, „einen deutlichen Schritt“ hin zu mehr Gleichwertigkeit von Berufs- und akademischer Bildung zu machen, so der Sozialdemokrat. Die Koalition strebe an, die berufliche Orientierung auszubauen und einen Validierungszuschuss einzuführen, durch welchen sich vorhandene Kompetenzen von berufserfahrenen Personen ohne Abschlusszertifikat anerkennen lassen. Bundesbildungsministerin Karin Prien (Union), welche den Report im Kabinett präsentierte, betonte, es sei entscheidend, „junge Menschen schon früh an das Thema Berufsorientierung heranzuführen“. Die Koalitionsregierung werde die Übergänge zwischen Schule und Berufsausbildung verbessern und über das Startchancen-Programm Jugendliche mit den für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn erforderlichen Kompetenzen ausstatten.

Erstmals seit 2012/ 13 erhöhte sich die Zahl der gemeldeten Bewerber:innen auf 431.552 (+ 2,2 Prozent), 37,5 Prozent waren Frauen. Mit 31.151 Personen blieben erneut mehr Ausbildungssuchende unversorgt als 2023, ein Anstieg um 18,1 Prozent. (2023: + 16,3 Prozent). Zusammen mit den 39.234 Personen (+ 5,1 Prozent), die bei weiter fortbestehendem Interesse eine Alternative zur Berufsausbildung angefangen haben, konnten 70.385 Bewerber/innen (+ 10,5 Prozent) bisher nicht vermittelt werden. Andererseits fanden sich für 69.405 unbesetzte Ausbildungsstellen keine Interessent:innen, 5,5 Prozent weniger als 2023. Mit insgesamt 556.116 Ausbildungsstellen nahm das Angebot um – 1,2 Prozent ab, während mit 517.862 Interessierten (557.096 einschl. Personen mit Alternativen) die Nachfrage um + 0,4 Prozent (bzw. + 0,8 Prozent) stieg.

Die Grünen beantragen Regierungsentwurf für Reform das AFBG

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion Dr. Anja Reinalter kritisierte das verspätete Erscheinen des Berichts, dessen Vorlage gesetzlich für den 15. Mai bestimmt ist, und erkennt darin für das Gebiet der Beruflichen Bildung aufseiten der Koalition ein Chaos der Verantwortlichkeiten und „fehlende Priorität“. Reinalter betonte, Unternehmen bräuchten „Planungssicherheit und politische Ermutigung“, um wieder mehr Azubis zur Berufsbildung anzunehmen. Dazu gehört es aus ihrer Sicht, verlässliche Rahmenbedingungen“ zu schaffen, z.B. berufliche Schulen und überbetriebliche Ausbildungsstätten zu sanieren, zu modernisieren und mit Digitalgeräten auszustatten.

Wie SPD-Parlamentarier Rabanus plädierte die grüne Politikerin dafür, das Aufstiegs-BAföG strukturell zu reformieren. Ihre Fraktion brachte am gleichen Tag einen Antrag in den Bundestag (Drs. 21/ 2562) ein, in dem die Grünen-Abgeordneten die Bundesregierung auffordern, unverzüglich einen Entwurf für ein Gesetz zur Reform des AFBG zu unterbreiten, das u.a. die Unterhaltsbeiträge auch für Aufstiegsfortbildungen in Teilzeit öffnet, den Kinderbetreuungszuschlag erhöht und Meisterausbildungen sowie diesen gleichgestellte Weiterbildungen kostenfrei macht.

DGB: Aktionsprogramm soll Ausbildungsgarantie erweitern

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack prangerte ähnlich wie die GEW die große Anzahl junger Erwachsener ohne beruflichen Abschluss an, die immer noch auf einem Rekordwert – gemäß bibb-Datenreport der höchste im Zeitraum von 2014 bis 2023 – verharre. Die Koalitionsregierung müsse beruflicher Bildung Vorrang einräumen. Der DGB beanstandet, dass die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, weiterhin erheblich von sozialer Herkunft, Schulabschluss und Wohnort abhingen. Der Gewerkschaftsbund verlangt daher ein Aktionsprogramm für nicht formal qualifizierte Menschen, wie die Organisation es schon im Januar in einem Positionspapier skizziert hat.

Neben mehr Unterstützung für den Übergang von Schule in Berufsbildung sollte ein solches Programm u.a. bessere Ausbildungsbegleitung und gezieltes Nachholen von Berufsabschlüssen ermöglichen, die Ausbildungsgarantie ausbauen und diese über einen Fonds finanzieren, in welchen die Betriebe einzahlen. Schon am Vortag der Kabinettsrunde hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di an alle Beteiligten appelliert, sie sollten angesichts der hohen Zahlen formal nicht qualifizierter Menschen „Maßnahmen ergreifen", um diese zu senken. Die Regierung müsse dringend wirksame Angebote zur Unterstützung erweitern, unterstrich das Mitglied des ver,di-Bundesvorstandes Sylvia Bühler, damit der Mangel an Fachkräften sich nicht weiter verstärke. Außer einer gestärkten Berufsorientierung von Schüler:innen schlug Bühler vor, über eine Ausbildungsumlage dafür zu sorgen, dass mehr Betriebe Azubis Berufsbildungs-Angebote machen.

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