BUNDESHAUSHALT FORSCHUNG | BAFÖG : SPD: Für BAföG-Reform kämpfen – GEW reklamiert Recht auf Bildung

12. Juli 2025 // Ulrike Günther

Förderschwerpunkte im Forschungshaushalt bilden Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit, BAföG-Mittel sinken auf 2 Mrd. Euro. SPD, Grüne und Linke drängen die Regierung, die Koalitions-Pläne zur BAföG-Reform und Hochschul-Sanierung umzusetzen. Im September wird sich das UN-Komitee zum Sozialpakt CESCR mit der „List of Issues“ beschäftigen, mithilfe derer es den 7. deutschen Staatenbericht bewertet. GEW und Studierendenverband fzs lassen vom UN-Gremium untersuchen, ob das BAföG mit dem „Recht auf Bildung“ übereinstimmt.

 Viele Studierende leben trotz BAföG in prekären Verhältnissen. - Bild: pexels/ Yan Krukov
Viele Studierende leben trotz BAföG in prekären Verhältnissen. - Bild: pexels/ Yan Krukov

zwd Berlin. Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) kündigte in der Parlamentsdebatte vom 10. Juli zum Haushaltsentwurf (Drs. 21/ 500) ihres Ressorts an, „das BAföG (zu) reformieren“. Die Neuerung stehe „erst im nächsten Jahr auf der Agenda“, sei jedoch „zu wichtig, um unerwähnt zu bleiben“, ebenso der Hochschulbau. SPD-Politikerin und Mitglied im Forschungs-Ausschuss Svenja Schulze machte auf die in zunehmendem Maße prekären Lebensverhältnisse von Studierenden aufmerksam, die teilweise übermäßig hohe Mieten für Zimmer in privaten Student:innenwohnheimen zahlen müssten, was sich auch nicht über Nebenjobs ausgleichen ließe.

SPD: Stärkung des BAföG im Koalitionsvertrag ist „deutliches Signal“

Das Studium sei „immer mehr eine Zeit, in der junge Menschen in finanzieller Not sind, in der sie Existenzängste haben“, betonte Schulze. Dabei handle es sich nicht nur um Einzelfälle, sondern um „eine strukturelle Realität“. Das Armutsrisiko unter Studierenden steige, und Studienkredite würden durch hohe Zinslasten das Risiko der Verschuldung mit sich bringen. Die SPD-Politikerin nannte es „richtig und notwendig“, dass Union und SPD im Koalitionsvertrag ein „deutliches Signal“ gesendet hätten. Man werde das BAföG stärken und „wieder mehr junge Menschen fördern“. Die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion Dr. Wiebke Esdar erklärte, sie hoffe, gemeinsam mit der grünen Opposition für die Umsetzung der im Vertrag verankerten BAföG-Reform zu kämpfen, d.h. „dass wir die Wohnkostenpauschale und die Bedarfssätze (...) nach Grundsicherungsbedarf anheben“.

Das Mitglied im Haushaltsausschuss Dr. Paula Piechotta (Die Grünen) warf der Forschungsministerin Bär vor, in ihren politischen Äußerungen einseitig Akzente auf Raumfahrt zu legen und das BAföG zu vernachlässigen. Piechotta plädierte angesichts von bundesweit fast 3 Millionen Student/innen für eine andere Gewichtung. Es handle sich „nicht nur darum, Milliarden nach Bayern zu schaffen“, um die Raumfahrtspläne von CSU-Parteichef Markus Söder zu verwirklichen, sondern auch, um „gute Forschungs- und Studienbedingungen von Millionen Menschen in diesem Land zu schaffen“. Konkret haben die Regierungspartner:innen anvisiert, das BAföG in einer umfassenden Reform zu modernisieren. Demnach beabsichtigen sie, die Pauschale für Wohnkosten einmalig bis zum Semester 2026/ 2027 auf 440,00 Euro monatlich zu erhöhen, die Freibeträge zu dynamisieren und den Grundbedarf schrittweise bis 2028/ 2029 „dauerhaft an das Grundsicherungsniveau an(zupassen)“.

Grüne und Linke kritisieren Aufschub bei Hochschul-Sanierung

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke kritisierte wie die grüne Sprecherin für Forschungspolitik Ayse Asar, dass die Forschungsministerin Bär die unzureichenden Beschäftigungsverhältnisse von Wissenschaftler/innen nicht verbessere, das BAföG nicht an die täglichen Kosten anpasse und, worauf Gohlke eigens verwies, im Gesetzentwurf dafür die Mittel kürze – von 2,14 Mrd. im Vorjahr auf nun ca. 2 Mrd. Euro – sowie die Sanierung von Hochschulen aufschiebe. Auf diese Art mache „man ein System nicht attraktiv (…) und auch nicht resilient gegen Angriffe von rechts“. Es brauche eine „gute Grundfinanzierung von Hochschulen und Wissenschaft statt Abhängigkeitsverhältnisse“. Grünen-Politikerin Asar drängte darauf, die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Schnellbau-Initiative – zum Modernisieren, energetischen Sanieren und digitalen Ertüchtigen von Hochschulen – und den „massiven Ausbau des Programms für studentisches Wohnen“ zu realisieren. Es sei eine Wissenschaftspolitik nötig, „die Substanz hat in Bezug auf Strukturen, Ressourcen, Verlässlichkeit“.

Im Bundesforschungshaushalt sind dem Regierungsentwurf zufolge Finanzmittel in Höhe von 22,38 Mrd. Euro eingestellt, knapp eine Mrd. mehr als 2024 (21,48 Mrd.). Für Aufstiegsfortbildung wird der Bund 876,18 Mill. Euro ausgeben (+ 24 Mill.), für Modernisierung beruflicher Bildung 307,82 Mill. Euro (+ 43,4 Mill.) und für Stärkung lebenslangen Lernens 347,93 Mill. Euro (- 116,79 Mill.). Für Leistungsfähigkeit im Bildungswesen sind ca. 6 Mrd. Euro (+ 280 Mill.) eingeplant, davon für Länder-Investitionen in digitale Infrastruktur an Schulen 1,62 Mrd. Euro (+ 0,37 Mrd.). Förderschwerpunkte des Etats repräsentieren Innovations-Forschung mit 8,2 Mrd. Euro (- 230,3 Mill.) und Wettbewerbsfähigkeit im Wissenschaftssystem mit 8,12 Mrd. (+ 0,14 Mrd.), wovon 2,08 Mrd. der Stärkung des Studiums und der Lehre (+ 0,03 Mrd.) zugewiesen werden. Weitere 3,13 Mrd. Euro sind u.a. für das Berliner Gesundheitsforschungs-Institut (+ 0,10 Mrd.) und 2,12 Mrd. Euro für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, + 0,04 Mrd.) vorgesehen.

GEW und fzs legen UN-Komitee Fragen-Katalog zum BAföG vor

Wenige Tage vorher (7. Juli) legten die Erziehungsgewerkschaft GEW und der freie zusammenschluss der student*innenschaften (fzs) dem UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) im Rahmen des Prüfverfahrens zum 7. Staatenbericht der Bundesrepublik einen umfangreichen Fragenkatalog vor, um die ihrer Ansicht nach überfällige Reform der Regelungen aus dem BAföG voranzutreiben. Mit der Ratifizierung des UN-Sozialpaktes (ICESCR) habe sich der bundesdeutsche Staat verpflichtet, das in dem Vertrag verankerte „Recht auf Bildung“ umzusetzen, hob GEW-Hochschulfachmann und Vorstandsmitglied Dr. Andreas Keller hervor.

Laut Artikel 13 des ICESCR müsse „jeder und jedem das Hochschulstudium zugänglich gemacht (…) und ein angemessenes Stipendiensystem eingerichtet“ werden. Keller beanstandet, tatsächlich befinde sich die derzeitige BAföG-Empfänger:innen-Quote bei bloß noch 12 Prozent und der BAföG-Höchstsatz mit 835 Euro um über 150 Euro unterhalb des Unterhaltsanspruchs Studierender (Düsseldorfer Tabelle), d.h. unter dem zur Bestreitung alltäglicher Lebenshaltungskosten erforderlichen Existenzminimum. Es werde „höchste Zeit, dass die UN die studentische Ausbildungsförderung in Deutschland auf Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht prüfen“, so der GEW-Hochschulfachmann.

GEW appelliert an Regierung: BAföG vor UN-Verfahren modernisieren

Die fzs-Referentin für BAföG-Angelegenheiten Rahel Schüssler monierte, die Wohnkostenpauschale der staatlichen Studienhilfe von 380,00 Euro reiche in der Mehrheit der Universitätsstädte nicht aus, um Mieten zu finanzieren. Durchschnittlich müssten Student:innen in manchen Städten für ein WG-Zimmer mehr als das Doppelte bezahlen, darüber hinaus fehlten Wohnheimplätze, um auf diese auszuweichen. Darin erkennt Schüssler einen der Gründe dafür, dass viele Studierende, „sogar wenn sie BAföG beziehen, auf Erwerbsarbeit angewiesen sind“, was wiederum zur Folge habe, dass sie die - beim BAföG maßgebliche - Regelstudienzeit überschritten. „Wir brauchen eine Ausbildungsförderung, die den (...) Wohn- und Lebenshaltungskosten sowie Studienzeiten gerecht wird“, forderte die fzs-Referentin.

GEW und fzs erwarten vom UN-Komitee CESCR, den elfseitigen Katalog mit Fragen zur bundesdeutschen Studienfinanzierung in das Staatenprüfverfahren zum Sozialpakt einzubeziehen. GEW-Vorstandsmitglied Keller appellierte an die Bundesregierung, „einer Rüge der UN zuvorzukommen und das BAföG noch vor dem Prüfverfahren strukturell zu erneuern“. Schüssler unterstrich, die UN-Staatenberichts-Untersuchung habe neben einer völkerrechtlichen auch „eine sozial- und gesellschaftspolitische Bedeutung“ und betreffe „Chancengleichheit beim Zugang und erfolgreichen Abschluss von Hochschulbildung“. Die vom CESCR-Ausschuss regulär zu erstellende „List of Issues“ (Fragenliste) soll bereits auf dessen 78. Sitzung vom 08. bis 26. September, noch vor der eigentlichen öffentlichen Anhörung im Prüfverfahren 2026, zum Thema werden.

UN-Ausschuss soll prüfen, ob BAföG "angemessenes Stipendiensystem" ist

U.a. bitten die Bildungs- und Studierendenorganisationen das UN-Komitee, die Bundesregierung zu fragen, ob das BAföG ein – gemäß UN-Sozialpakt – „angemessenes Stipendiensystem“ darstelle, wenn es, im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen, lediglich unregelmäßig, teilweise gar nicht oder im Zwei-Jahres-Rhythmus an Preissteigerungen angepasst werde und „deutlich unterhalb des allgemeinen Existenzminimums“ liege, obwohl die Empfänger:innen davon auch durch die Ausbildung entstehende Kosten decken müssten. GEW und fzs schlagen weiterhin vor, sich bei der Regierung zu erkundigen, weshalb sie die Empfehlung des Ausbildungsbeirates von 2023 (Drs. 20/ 9870) nicht umgesetzt habe, worin diese anriet, „angesichts der derzeitigen und prognostizierten inflationären Entwicklung eine deutliche und zügige Anpassung der Freibeträge, Bedarfssätze sowie der Wohnkostenpauschale und Sozialpauschalen“ vorzunehmen, und welche Konsequenzen sie „hinsichtlich der Höhe der Ausbildungsförderung“ ziehe.

Außerdem ersuchen die Gewerkschaft und der Studierendenverband den UN-Ausschuss, die Koalitionsregierung mit der Frage zu konfrontieren, in welchen Universitätsstädten die Wohnkostenpauschale genüge, um für Student:innen eine adäquate Wohnsituation sicherzustellen, und wie sie die Ergebnisse im Zusammenhang mit der – im Grundgesetz (Artikel 12, GG) garantierten - „freie(n) Studienplatzwahl“ beurteile. Einen Hintergrund für die Eingabe von GEW und fzs vor dem UN-Ausschuss CESCR bildet das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom Oktober 2024, das die vom Rechtsanwalt Joachim Schaller im Namen einer Studentin bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geführte und von diesem an die oberste Verfassungsbehörde weitergeleitete Klage zur nicht-existenzsichernden Höhe des BAföG-Bedarfssatzes (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) mit der Begründung abwies, dass es keinen grundgesetzlichen Anspruch auf staatliche Studienförderung gebe. Dieser sei weder aus der Menschenwürde, noch aus dem Sozialstaatsprinzip oder dem Recht auf gleichberechtigte Teilhabe abzuleiten. Aus dem „objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen“ folge zurzeit „keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates“, hieß es in der Stellungnahme des BVerfG zu der Entscheidung.




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