zwd Berlin. In der Debatte um eine geschlechterparitätische Zusammensetzung des Bundestages sind große parteipolitische Gegensätze deutlich geworden. Deshalb ist die im Bündnis diskutierte Idee eines Gruppenantrags zurückgestellt worden. Stattdessen haben sich die Frauen im Bündnis auf die Forderung verständigt, eine Sachverständigenkommission einzurichten, die aus Mitgliedern der Fraktionen sowie Wissenschaftler*innen zusammengesetzt werden sollte, resümierte Josephine Ortleb (SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im ASF-Bundesvorstand). Alle Mitglieder des Bündnisse haben den Wunsch, überfraktionell zusammenarbeiten, um den Frauenanteil im Bundestag zu erhöhen. Zunächst haben sich die Mitglieder des Bündnisses nach Angaben von Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken Bundestagsfraktion, auf die Forderung einer Kommission einigen können. Über deren Einrichtung müsste der Ältestenrat des Bundestages befinden. Die Kommission sollte dann innerhalb eines Jahres konkrete Vorschläge erarbeiten, wie der Frauenanteil im Bundestag erhöht werden kann.
Ulle Schauws, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, erinnerte an den Zeitdruck. Die Einsetzung einer Kommission müsse eigentlich nächste Woche entschieden werden, damit spätestens Ende nächsten Jahres ein Ergebnis vorliegen könnte. Es wäre sehr peinlich, wenn das Bündnis das nicht zustande brächte, problematisierte Schauws die Situation. Sollte es in diesem Jahr nicht mehr zu der Einsetzung einer Kommission kommen, dann müsse das Thema Parität „anders gespielt werden“, fügte Möhring hinzu. Beispielsweise wäre dies durch die Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes möglich. Die Links-Fraktion hat laut Möhring bereits ein Dokument zur Herstellung von Parität im Bundestag mit der großen Lösung erarbeitet. Diese beinhaltet paritätische Soll-Vorschriften für die Wahllisten und die Direktwahlkreise. Um dem Wunsch nach einer interfraktionellen Regelung entgegen zu kommen, hat ihre Fraktion eine eigene Gesetzesinitiative bislang zurückgestellt.
Die Einsetzung einer Enquete-Kommission ist nach Einschätzung der SPD-Abgeordneten Ortleb keine Option, da die nächste Enquete-Kommission gemäß der Geschäftsordnung des Bundestages unter dem Vorsitz eines oder einer AfD-Abgeordneten stehen würde. Das Bündnis wolle bewusst nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, die antifeministisch sei und gegen Gleichstellung arbeite, betonte die Sozialdemokratin. Ein weiterer Nachteil einer Enquete-Kommission wäre, dass diese nicht so wie eine Kommission arbeitet, ergänzte Möhring. Sie verglich die Enquete mit einem Diskussionszirkel. Dabei heraus käme ein „fetter Bericht“, der möglicherweise dann doch keine große Relevanz habe.
Große überparteiliche Unterschiede
In dem Bündnis zur Geschlechterparität im Bundestag, das sich vor knapp einem Jahr gründete, bestehen große Unterschiede in den Positionen der Fraktionen. Trotzdem sei es den Bündnisteilnehmerinnen zufolge wichtig gewesen, sich interfraktionell mit fünf Bundestagsfraktionen in Gesprächen auszutauschen und die jeweiligen Positionen zu verstehen. So sei es den Worten von Ulle Schauws zufolge eine andere Diskussion, die beispielsweise bei den Grünen, Linken und SPD geführt werden als bei der CDU und FDP. Die verschiedenen Standpunkte zusammen zu bringen sei nicht ganz leicht. Cornelia Möhring erklärte, von der Gegenwehr zum Thema Parität „entsetzt“ gewesen zu sein. Gleichstellungspolitik sei ein hart umkämpftes Feld.
Für Yvonne Magwas, Vorsitzende der „Gruppe der Frauen“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war der vertrauenswürdige Austausch in dem interfraktionellen Bündnis die Voraussetzung, um auf einen gemeinsamen Level zu kommen. In der Diskussionsrunde erläuterte Magwas, dass sie die Einwände gegen eine „große Lösung“ verstehe. Der Fraktionsvorsitzende der Union, Ralph Brinkhaus, habe sich lediglich offen für die „kleine Lösung“ gezeigt. Diese beziehe sich nur auf die paritätische Besetzung der Wahllisten der Parteien.
„Weniger euphorisch“ zeigte sich Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, da sie in ihrer Fraktion eine andere Ausgangsbasis habe. Mehr als 70 Prozent der Abgeordneten der Freien Demokraten im Bundestag seien männlich. Zwar würden jüngere Männer in der FDP das Ziel Parität teilen, die älteren Männer hätten jedoch kein Interesse daran, ihre Macht abzugeben geschweige denn zu teilen.
Im Bündnis bestehe das gemeinsame Interesse, dass - wenn es eine Wahlrechtsreform gebe - dort paritätische Elemente unterzubringen seien. Dennoch zeigten sich viele der Diskussionsteilnehmerinnen skeptisch, dass die Wahlrechtsreform zeitnah umgesetzt werden wird. Zeitdruck für Handlungsbedarf gibt es allemal: Ab April 2020 können bereits die Listen zur nächsten Bundestagswahl aufgestellt werden.