27. BAFÖG-NOVELLE : Streiflichter aus der BAföG-Debatte: Wieviel Chancengleichheit...?

15. Mai 2022 // Holger H. Lührig

Der Bundestag hat am 12. Mai erstmals über die 27. Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) debattiert. Die Kernpunkte der Auseinandersetzung finden Sie in einer gesonderten Nachricht. In diesem Bericht geht es vor allem um die Atmosphäre, in der über das Aufstiegsversprechen, über Begriffe wie Bildungsungleichheit, Bildungsungerechtigkeit, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit gesprochen wurde und was die Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen damit verbinden.

Quelle: Livestream DBT
Quelle: Livestream DBT

Die nachstehenden Wortlaut-Zitate wurden aus dem Blickwinkel der Gesellschaft Chancengleichheit ausgewählt; sie verzichten auf die jeweiligen konkreten Sachbeurteilungen der Redner:innen im Hinblick auf die BAföG-Novelle.

Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist das Chancenministerium, und deswegen stand die Reform des BAföG ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Das BAföG ist seit 50 Jahren das zentrale Instrument dafür, dass auch diejenigen ihren Bildungsweg frei und selbstbestimmt wählen können, deren Eltern ihn nicht finanzieren können. BAföG bedeutet Freiheit – nicht der Geldbeutel der Eltern entscheidet, sondern der junge Mensch selbst –; BAföG bedeutet Chancengerechtigkeit.

Aber wie es so ist: Ausruhen gibt es nicht. Die Zeiten ändern sich; Nachsteuern tut not. Lange ist das beim BAföG versäumt worden, daher jetzt die Dringlichkeit. Wir haben im Koalitionsvertrag eine strukturelle Reform vereinbart. Jetzt gehen wir den ersten wichtigen Schritt, damit möglichst schnell möglichst viele vom Fortschritt profitieren können.

2,3 Milliarden Euro sind für die Reform in dieser Legislaturperiode eingeplant, 2,3 Milliarden für mehr Freiheit, für mehr Chancengerechtigkeit. Das heißt: Wir nehmen die nächste Stufe im Aufstiegsversprechen. Denn niemand kann sich aussuchen, woher er kommt; aber er soll sich aussuchen können, wohin er geht.

… Klar ist: Das BAföG muss sich dem Leben anpassen, nicht umgekehrt.

Jetzt sagen einige: Alles viel zu wenig, vor allem zu wenig Geld! – Ja, das ist wohlfeil, und, ja, jeder Euro in der Tasche ist natürlich auch immer gut. Aber wir brauchen die richtige Balance zwischen denen, die zahlen, und denen, die etwas bekommen, und diese müssen wir immer wieder neu austarieren. Doch der Nutzen der Bildung für alle liegt auf der Hand, und das unterstützen die Menschen in unserem Land auch sehr gerne.

Deswegen: Stimmen Sie zu! Dieser erste BAföG- Schritt ist ein Riesenschritt nach vorne.

Katrin Staffler (CDU/CSU):

Bildung ist der wichtigste Rohstoff für eine gute Zukunft. Das BAföG ist ein essenzieller Teil davon. Es trägt maßgeblich dazu bei, dass wir mehr Bildungsgerechtigkeit in unserem Land haben. Daher ist es richtig und gut, dass Sie die Reform des BAföG so frühzeitig auf die Agenda gesetzt haben und dieses Thema als Erstes an- packen. …

Mit dieser Novelle setzen Sie im Endeffekt nichts anderes fort als das, was wir in der letzten Legislaturperiode begonnen haben. …

Bei den von mir zu Beginn meiner Rede erwähnten Bezeichnungen für Ihre Novelle – Sie erinnern sich vielleicht: „zu klein, zu wenig, zu kurz gegriffen, Reförmchen“ – haben Sie ja ganz groß aufgeschrien, weil Sie gedacht haben, es sei das, was wir über Ihr Gesetz gesagt haben. Mitnichten! Diese Bezeichnungen kamen nicht von uns, sondern überwiegend aus den Reihen Ihrer eigenen Jugendverbände, einem Bündnis von Studierendenverbänden, da- runter Jusos, Grüne Jugend, fzs, Juso-Hochschulgruppen, Campusgrün, GEW-Studis und IG Metall Jugend. Sie alle sind nämlich der Meinung, dass sich die Anpassung der Regelsätze immer noch nicht an dem wirklichen Bedarf von Studierenden orientiert. Ich glaube, es sollte Ihnen durchaus zu denken geben, wenn auch aus den eigenen Reihen so massiv Kritik kommt. (Beifall bei der CDU/CSU)

Am Schluss möchte ich aber noch etwas Positives sagen. Am Ende sind wir uns doch alle einig: Das BAföG darf nicht so stehen bleiben. Wir brauchen eine Reform. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass das BAföG weiterhin den Bedürfnissen der Studierenden gerecht wird, statt hier solche halbgaren Novellen vorzulegen.

Dr. Lina Seitzl (SPD):

…Zeig mir deine Eltern, und ich sage dir, welchen Abschluss du machst. – Das war die Realität vor 100 Jahren, vor 70 Jahren, und das ist sie leider Gottes auch heute noch, im Jahr 2022. …

Wir sind uns hier ja alle einig, und wir sagen das auch immer wieder: Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, zum sozialen Aufstieg und zur Selbstverwirklichung, und dennoch zieht sich Bildungsungleichheit in unserem Land durch alle Bildungsgänge vom Kindergarten über den Berufsabschluss bis hin zur Promotion. Das Elternhaus öffnet Türen, oder es verschließt sie.

Lassen Sie mich dazu eine kleine Bestandsaufnahme machen. Während fast 80 Prozent aller Kinder aus Akademikerhaushalten ein Studium beginnen, schafft das nicht einmal jedes dritte Kind aus nichtakademischen Elternhäusern. Verfügen die Eltern über gar keinen Berufsabschluss, ist der Weg zur Hochschule fast gänzlich verschlossen. Denn diese Hürde zu überwinden, schafft nur noch jedes 50. Kind.

In keinem anderen Land in der Europäischen Union ist der Zugang zu Bildung so exklusiv und selektiv wie bei uns.

Dabei war das schon mal anders. Als das BAföG vor über 50 Jahren durch die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt eingeführt wurde, sollte ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Die Idee da- hinter: Bildungsgerechtigkeit erreicht man nur durch eine breite Ausbildungsförderung. Der Zugang zu Bildung sollte unabhängig vom Elternhaus werden und eben nicht nur ein Privileg der Oberschicht sein.

Die Errungenschaften, die ich gerade aufgeführt habe, wurden beginnend mit der Kohl-Regierung wieder umgekehrt. Es ging nämlich darum, den Kreis der Förderberechtigten einzugrenzen, die staatlichen Zuschüsse zu reduzieren. Hürden wurden hochgezogen, Bildung wurde wieder exklusiver. Die Zahl der durch BAföG geförderten jungen Menschen nahm deutlich ab, das Verschuldungsrisiko dagegen zu.

Gespart wurde am gleichberechtigten Bildungszugang nach dem Motto „Zugang zur Bildung steht immer mehr nur denen offen, die es sich leisten können“. Das ist die Realität. …

Die Folgen dieser Bildungsungerechtigkeit sind immens – für jeden Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. Sie gefährdet nicht nur unser gesellschaftliches Klima; sie verschließt über Generationen hinweg Türen, und sie grenzt weite Teile der Bevölkerung aus. Denn fehlende Bildungschancen bringen soziale Exklusion und ein unweigerliches Armutsrisiko mit sich. Sie schränken die freie Berufswahl und den weiteren Werdegang ein. Diesen Teufelskreis müssen wir nachhaltig durchbrechen.

Mit der heute vor- gelegten Novelle gehen wir nicht nur ein kleines Reformschrittchen, sondern beschließen heute den Beginn einer Trendwende. … Das BAföG hat absolute Priorität für die Ampelkoalition (…), weil wir mit dieser Novelle den Grundstein für eine echte Trendwende im BAföG legen. Bildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Seit mehr als 50 Jahren ist das BAföG das wichtigste Instrument, um einen Bildungsaufstieg zu er- möglichen. Seit mehr als 50 Jahren eröffnet das BAföG Chancen und verändert berufliche Lebenswege. Das BAföG macht vieles möglich, aber es erreicht leider immer noch nicht alle, die es eigentlich dringend brauchen. Nur noch ein Zehntel der Studierenden erhält BAföG- Leistungen. Daran haben Sie von der Union erheblichen Anteil; denn Sie haben das BAföG heruntergewirtschaftet. Dieses Zehntel der Studierenden entspricht absolut nicht der hohen Zahl derer, die dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Bildungsgerechtigkeit darf nicht zu eng berechnet werden; denn derjenige, der in Bildung investiert, investiert in die Zukunft. …

Uns ist klar: Der größte Teil der BAföG-Reform liegt noch vor uns. Aber mit dieser Gesetzesänderung erreichen wir das erste Etappenziel und stellen sicher, dass schon zum nächsten Semester mehr junge Menschen unmittelbar vom BAföG profitieren können. Darüber freueich mich.

Nicole Gohlke (DIE LINKE):

Endlich kommt mal Schwung in die BAföG-Debatte. Die Reformen, die mit der 27. Novelle endlich angegangen werden, sind überfällig. Man muss es wirklich noch einmal sagen: Es war ein schweres Versagen der letzten Bundesregierungen, das BAföG nicht schon viel früher angepackt zu haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieses Versäumnis hat Zehntausende junge Menschen in den letzten Jahren Zeit, Geld, Nerven und Gesundheit gekostet. Viele hat es sogar das Studium oder den Abschluss gekostet – ein unfassbarer Umgang mit Begabungen, Perspektiven und Lebensträumen. …

Frau Ministerin, es ist gut – ganz klar –, dass Sie hier endlich tätig werden. Dieses Engagement unterstützen wir voll und ganz.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun liegt die Tücke aber natürlich wie immer im Detail. Denn leider wird auch diese Reform an vielen Stellen gar nicht so viel verändern, wie hier vielleicht versprochen wird. Die Bedarfssätze werden auch weiterhin den realen Bedarf nicht decken.

Die Frage, ob man sich für die Ausbildung oder ein Studium verschulden muss, ist zentral beim Abbau von sozialer Ungleichheit. Dieses Leitmotiv – Abbau von sozialer Ungleichheit – muss sich durch die Politik und ganz besonders durch die Bildungspolitik ziehen.

Ria Schröder (FDP):

Am 1. September 1971 trat das BAföG in Kraft. Unüberhörbar müssen damals die Jubelschreie der katholischen Arbeitertochter vom Land gewesen sein; denn bis dahin war ein Studium für sie nur ein kühner Traum. Geld dafür war in der Familie weder vorhanden noch vorgesehen, und sie würde ja ohnehin heiraten. Das BAföG veränderte das Leben dieser jungen Frau. Es gab ihr Stift und Papier an die Hand, um endlich selbst Autorin ihrer Bildungsbiografie zu werden. Die Einführung des BAföG war ein echter Meilenstein für das Aufstiegsversprechen.

Wie steht es 2022 darum? Ist heute alles besser? Von wegen! Und, Frau Staffler, Dafür trägt Ihre Fraktion Verantwortung. Seit über zehn Jahren bekommen kontinuierlich immer weniger Menschen BAföG, obwohl die Chancenungleichheit zunimmt.

Das spricht Bände, aber schreibt keine neuen Aufstiegs biografien.

Wir werden jungen Menschen wieder Grund zum Jubeln geben – Grund zum Jubeln für Kinder aus den Familien, die zu wenig haben, um ihre Kinder unterstützen zu können, aber zu viel, um BAföG zu bekommen. Die sind nicht reich, aber das BAföG erreicht sie nicht mehr. Das ändern wir mit dieser überfälligen Novelle.

Bildung und Digitalisierung – dafür habt ihr jungen Menschen FDP gewählt. Wir liefern!

Meine Damen und Herren, „Bildung ist Bürgerrecht“, titelte einst Ralf Dahrendorf. Nicht weniger ist unser Anspruch. Darum lassen Sie uns diesen Bildungschancenaufbruch heute gemeinsam auf den Weg bringen.

Monika Grütters (CDU/CSU):

(…) Zu den großen Aufgaben unseres Bildungs- und Wissenschaftssystems gehört jedenfalls nicht nur, Chancengerechtigkeit herzustellen, sondern es gewinnt seine Legitimation gerade auch durch die ausdrückliche Förderung von Talent, Begabung und Leistungsbereitschaft. Auch hier vermissen wir entschlossene Impulse.

Oliver Kaczmarek (SPD):

das BAföG ist Teil des Aufstiegsversprechens für viele von uns gewesen, auch für mich selbst. Das Problem ist aber, dass es für viele Studierende, viele Auszubildende in der gelebten Realität nicht mehr erfahrbar ist. Deswegen müssen wir es wieder zum Teil des Aufstiegsversprechens machen. Dazu wird heute der erste Schritt getan, und der ist richtig und wichtig so.

Ja, das hätten wir schon längst tun können, und das hätten wir vielleicht schon längst tun müssen. Ich wundere mich ein bisschen – bei aller Wertschätzung, Frau Staffler und Frau Grütters –über Ihre Reden aus der Union. Jeder hier im Saal weiß, dass wir die Gelegenheit schon in der letzten Wahlperiode gehabt hätten. Aber Sie haben sehenden Auges bei sinkenden Gefördertenzahlen dazu beigetragen, dass die Freibetragsanpassung, die wir als SPD in der Koalition mehrfach angeboten haben, nicht angegangen worden ist. Sie haben verhindert, dass wir mit mutigen Schritten die Trendwende schon in der letzten Wahlperiode einleiten konnten, weil Sie das BAföG nicht mehr angefasst haben. Deswegen sind Ihre Reden hier entweder vergesslich oder schlicht bigott.

… Wir werden das Gesetz gegebenenfalls, wenn wir sehen, dass wir nachjustieren müssen, auch noch einmal in die Hand nehmen und nicht sozusagen einsperren, wie es in der letzten Wahlperiode geschehen ist, als man es nicht mehr in die Hand genommen hat.

Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen, dass wir ein umfangreiches Paket zur Entlastung von Studieren- den und Auszubildenden auf den Weg gebracht haben. … Ich behaupte nicht, dass damit alles gelöst ist, aber ich kann sehr selbstbewusst sagen: Das sind echte und wirksame Entlastungen für Auszubildende und Studierende. Wir als Koalition haben die junge Generation im Blick.

Nina Stahr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute viel über Chancen: Chancengleichheit, Bildungschancen, Chancengerechtigkeit. Aber was bedeuten gleiche Bildungschancen eigentlich?

Schauen wir uns das einmal ganz konkret an. 100 Kinder kommen auf die Welt, gehen in die Kita, gehen zur Grundschule. Alle haben die gleichen Chancen; denn sie haben ja den gleichen Unterricht, die gleichen Lehrkräfte, die gleichen Arbeitsblätter. Trotzdem: Am Ende der Grundschulzeit haben Kinder aus Akademikerhaushalten knapp dreimal so häufig die Gymnasialempfehlung wie Kinder aus Nichtakademikerhaushalten. Chancengleichheit? Offensichtlich nicht.

Und das setzt sich fort – die Kollegin Seitzl hat das angedeutet –: Von diesen 100 Kindern fangen 74, wenn sie aus Akademikerhaushalten kommen, ein Studium an, 21 aus Nichtakademikerhaushalten. Promotionen machen dann aus den Akademikerhaushalten zehn Kinder und aus den Nichtakademikerhaushalten eins von 100. Ein Kind von 100! Natürlich ist das häufig aus finanziellen Gründen so, und genau das werden wir als Ampelkoalition jetzt ändern.

Denn für uns bedeutet Chancengleichheit eben auch Chancengerechtigkeit. Das heißt nicht, jedem einfach dasselbe vorzusetzen und zu sagen: Bitte schön, was du daraus machst, das ist deine Verantwortung. – Natürlich ist klar: Jeder muss für seinen eigenen Erfolg auch selber arbeiten. Aber es bedeutet eben auch, dass alle wirklich die gleichen Zugänge haben müssen. Da, wo das Elternhaus diese Zugänge nicht bieten kann, sind wir als Staat in der Pflicht, zu unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Deswegen liegt mir persönlich auch das Startchancen-Programm so sehr am Herzen; denn es lässt im schulischen Bereich eben genau dieses Versprechen von Chancengleichheit ein Stück weit wahrer werden. Für diejenigen am Ende der Schulzeit ist diese BAföG-Reform ein Meilenstein für Chancengerechtigkeit. …

Mit dieser Reform und den folgenden Schritten tragen wir als Ampelkoalition maßgeblich zum Erfolg und zur Chancengerechtigkeit für junge Menschen bei.

Stephan Albani (CDU/CSU):

Am Ende bleibt dann auch noch ein grundsätzlicher Dissens. Ich habe Ihnen eingangs schon gesagt: BAföG ist eine Sozialleistung.

Jessica Rosenthal (SPD):

Für diese Koalition gilt ein Prinzip, und das heißt: Jede und jeder soll das werden können, was sie oder er sich wünscht, und – das ist uns als SPD besonders wichtig – unabhängig davon, was die Eltern auf dem Konto haben.

Um das vielleicht in die Richtung der Union noch einmal klarzustellen – weil wir nach diesem Prinzip handeln, weil wir nach diesem Prinzip kämpfen, Oliver Kaczmarek genauso wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion –: Insbesondere beim BAföG ist in der letzten Legislatur dank Ihnen genau gar nichts passiert.

Wenn wir uns die Zahlen ansehen – das wurde gerade auch schon sehr deutlich hervorgehoben –, dann stellen wir fest, dass der persönliche Weg in diesen Tagen vor allem davon abhängt, was die Eltern auf dem Konto haben und welchen Bildungsstand sie haben, und wir eben nicht bei der Chancengleichheit sind, die wir eigentlich brauchen. …

Uns ist es nicht egal, dass man darüber reden muss, dass die Mensa die Preise erhöht; uns ist es nicht egal, dass man vielleicht nicht mehr weiß, wie man das Benzin bezahlen soll, um zu seiner Ausbildungsstelle zu kommen; uns ist es nicht egal, dass man wirklich über- legen muss, wie man die Heizkosten bezahlen soll – sondern wir schauen gerade darauf, dass junge Menschen diese Belastungen stemmen können.

(Beifall bei der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Ihr tut doch nichts!)

Deswegen haben wir dafür gekämpft, dass die Energiepauschale in Höhe von 300 Euro auch für Minijobberinnen gilt.

Wir wollen, dass sich jede und jeder jederzeit neu erfinden kann. Wir wollen, dass es eine zweite Chance gibt, einmal etwas ganz anderes zu machen. Genau das brauchen wir, wenn wir Innovationsland sein wollen, wenn wir Weiterbildungsland sein wollen.

Dr. Anja Reinalter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE):

… Wir reden hier heute viel über Bildungsgerechtigkeit, über Chancengerechtigkeit, über Studium, Universität und Hochschule, und das ist gut so. Wenn wir es aber wirklich ernst meinen mit der Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung, dann müssen wir der beruflichen Bildung wie eben auch wirklich einen gleichwertigen Stellenwert in der Debatte einräumen. Denn im Jahr 2020 waren ein Drittel der BAföG-Empfänger/-innen Schülerinnen und Schüler, die meisten davon aus der Berufsschule. …

Diese BAföG-Reform ist ein wichtiges Instrument zur Bewältigung des Fachkräftemangels.

Unser Ziel ist ein umfassendes, zielgerichtetes Update des BAföG, und ich freue mich heute schon auf die nächsten Reformschritte. Ja, es sind erste Schritte. Wir können schließlich 16 Jahre nicht in einem halben Jahr nachholen. Insbesondere mit dem Aufstiegs-BAföG werden wir die berufliche Weiterbildung stärken. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln.

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):

Ich will auf einen entscheidenden Punkt Ihrer großen Reform, die immer angekündigt wird, zu sprechen kommen: Ist das BAföG eigentlich eine Sozialleistung – ja oder nein? Ist es elternunabhängig – ja oder nein? (…) Ich bin froh, dass die Ministerin im Fernsehen gesagt hat, dass das BAföG eine Sozialleistung bleibt. Aber wenn das BAföG eine Sozialleistung bleibt, dann kann es nicht elternunabhängig werden. Diesen Widerspruch werden Sie irgendwann auflösen müssen, und ich bin sehr gespannt, wie es läuft.

Ich möchte Ihnen gerne noch eine Zahl nennen, die mir wichtig ist, weil wir in der Debatte immer wieder gehört haben, dass die Anzahl der BAföG-Beziehenden zurück- gegangen ist. Ich erkläre Ihnen auch genau, warum. Das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland ist durch die Politik, die wir hier 16 Jahre lang gemacht haben, nur in den letzten zehn Jahren, von 2011 bis zum Coronajahr 2021, von 34 000 Euro pro Kopf auf 44 000 Euro pro Kopf gestiegen. Wir haben das Pro-Kopf-Einkommen von 34 000 auf 44 000 Euro gesteigert. Das hat dazu geführt, dass viele keine Sozialleistungen mehr gebraucht haben. Das ist kein Problem, sondern das ist ein Erfolg unserer Politik.

Ye-One Rhie (SPD):

Doch das BAföG ist in die Jahre gekommen. Es ist zu bürokratisch, zu aufwendig und zu ungerecht. Statt Erfolgsgeschichten schreibt das BAföG immer mehr Aussagen wie folgende: „Ich muss bei meinen Eltern wohnen. Ich kann es mir nicht leisten, an einen anderen Studienort zu ziehen.“ „Meine Eltern verdienen zu viel für BAföG, sie sind aber nicht bereit, mein Studium zu bezahlen.“ Und: „Ich habe Angst, dass ich meine BAföG- Schulden nicht zurückzahlen kann.“ Das alles habe ich von Aachener Studierenden gehört, …

Die SPD hat von Anfang an gefordert, das BAföG zu öffnen, um die Studierenden wenigstens während der Pandemie zu entlasten. Sie, liebe Union, wollten stattdessen eine „Unterstützung“ durch noch mehr Studienkredite und eine noch höhere Verschuldung. Das zeigt, dass Sie gar keine Ahnung haben, wie es ist, sich schon im jungen Alter verschulden zu müssen, in einem Alter, wo es mehr Unsicherheiten als Gewissheiten gibt, wenn es um die eigene berufliche Zukunft geht.

Siehe auch "SPD schließt Änderungen nicht aus"

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