GESETZ ZUR NEUREGELUNG DES SCHWANGERSCHAFTSABBRUCHS : Tauziehen im Bundestag: „Eine Verabschiedung ist noch möglich“​ (UPDATE)

5. Februar 2025 // Holger H. Lührig | Hilda Lührig-Nockemann

Hinter den Kulissen des Parlaments wird gegenwärtig um die Frage gerungen, ob der Gruppenantrag von 328 Bundestagsabgeordneten zum Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ (Drs 20/13775) am 11. Februar auf die Tagesordnung kommt. Entscheidend wird die Haltung der FDP sein, ob eine Mehrheit dafür wie auch für das Gesetz zustande kommt. Zivilgesellschaftliche Organisationen werfen der FDP-Spitze vor, gemeinsam mit CDU/CSU und AfD mit parlamentarischen Tricks die Beschlussfassung zu blockieren. In der FDP wächst die Zahl der Befürworter einer jetzigen Reform des § 218.

Rednerin Gyde Jensen (FDP) am 05.12.2024 zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Rednerin Gyde Jensen (FDP) am 05.12.2024 zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter ProFamilia Deutschland, ver.di, der Paritätische Bundesverband und der Deutsche Frauenrat wollen am 10. Februar den Abgeordneten des Bundestages einen Eil-Appell übergeben, in dem die Beschlussfassung über den Gesetzentwurf noch in der laufenden Legislaturperiode des Parlaments gefordert wird. Den Fraktionen von CDU/CSU und FDP hält die Sprecherin des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, die Gynäkologin Annika Kreitlow, vor, die Verabschiedung der Reform "JETZT" mit parlamentarischen Geschäftsordnungstricks zu blockieren. Sie argumentiert, dass die überwältigende Mehrheit in Deutschland erwartet, dass das Parlament den Weg zur Abstimmung jetzt freimacht.

Umdenken bei der FDP?

Mit der Mehrheitsentscheidung im Rechtsausschuss, erst am 10. Februar (von 17-20 Uhr!) eine Sachverständigenanhörung zu dem Gruppenantrag durchzuführen, erschien eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs am letzten Sitzungstag des Bundestagsplenums am 11. Februar faktisch unmöglich. Die FDP-Spitze wollte das Vorhaben auf die nächste Legislaturperiode vertagt wissen. Offen bleibt, ob auf den letzten Metern ein Umdenken bei den Freien Demokraten möglich wird. In einer Stellungnahme für das zwd-POLITIKMAGAZIN sich die Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Gyde Jensen zwar zu dem Anliegen des Gesetzentwurfs bekannt, aber gegen ein "Schnellverfahren" einer Verabschiedung gewandt.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme:

„Eine moderne Gesellschaft, die sich Freiheit und Selbstbestimmung verpflichtet fühlt, muss jederzeit in der Lage sein, eine sachliche und offene Debatte über eine Reform des §218 zu führen. Meiner Ansicht nach sollten Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche nicht länger im Strafgesetzbuch geregelt werden, denn Frauen in schwierigen Situationen dürfen nicht zusätzlich die Last tragen, eine Straftat zu begehen.

Diese wichtige Debatte sollte verantwortungsvoll und respektvoll geführt und nicht in einem Schnellverfahren während der letzten Plenarsitzung abgehandelt werden. Die Erfahrungen anderer Länder zeigen deutlich, wie dieses Thema zu einem anhaltenden gesellschaftlichen Konflikt werden kann – oft dominiert von politischen Mehrheiten. Deshalb ist es entscheidend, dass jede Reform von einer stabilen, parteiübergreifend getragenen Mehrheit unterstützt wird, die sich ihrem Gewissen verpflichtet fühlt und nicht den wechselnden politischen Strömungen unterliegt.“

Erinnert wird die FDP-Spitze daran, dass schon am 18. November vergangenen Jahres die FDP-Nachwuchsorganisation (JuLis) ihre Bundestagsfraktion brieflich aufgefordert hatte, im Bundestag die Debatte über ein Ende des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. Die Autor:innen brachten zum Ausdruck, dass die seit 1993 geltende strafrechtliche Regelung nicht nur problematisch sei, sondern zudem auch „in unzureichendem Maße das Recht der Schwangeren auf Selbstbestimmung (berücksichtigt )“. FDP-Chef Lindner beharrte damals auf der Ablehnung mit der Begründung, er sehe keinen Grund für eine Debatte zu diesem „befriedeten gesellschaftlichen Konflikt“. Damit hatte er versucht, die durch mehr als 200 FDP-Mitglieder entfachte Debatte im Keim zu ersticken.

Die Brief-Autor:innen antworteten daraufhin damals an die ­Adresse ihres Parteichefs: „Es gab nie eine gesellschaftliche Befriedung des Konflikts.“ Deutlich hatte auch der mächtige FDP-Landesverband Niedersachsen, geführt vom Stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Konstantin Kuhle, Lindner öffentlich widersprochen: „Die geäußerte Ablehnung und Zurückhaltung der Bundestagsfraktion ist vor dem Hintergrund dieses Stimmungsbildes aus der Partei irritierend“. Bei der Bundestagsdebatte am 5. Dezember über den Gruppenantrag hatten die Rednerinnen der FDP eine Gratwanderung hinlegen müssen – einerseits für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen einzutreten, andererseits die von der Partei- und Fraktionsspitze verlangte Vertagung einer endgültigen Beschlussfassung des Gesetzentwurfs in die nächste Legislaturperiode zu begründen. (Ausführlicher Bericht im zwd-POLITIKMAGAZIN 205.)

Die FDP sieht sich nach den Worten des Fraktionschefs Christian Dürr bei den Sicherheitsgesetzen als "Brückenbauer" zwischen den Fraktionen, um diese noch am 11. Februar verabschieden zu können. Das gibt auch den Erwägungen innerhalb der liberalen Fraktion Auftrieb, auch den Weg zu einer Abstimmung über den Gruppenantrag zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs freizumachen.
(Mehr dazu im zwd-POLITIKMAGAZIN), Ausgabe 405.
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