zwd berlin. Bei der Gruppe der jungen Leute, zu denen erwerbsfähige Arbeitssuchende ebenso gehören wie durch Krankheit oder geleistete Care-Arbeit an der Teilnahme am Erwerbsleben gehinderte bzw. potenziell arbeitsfähige, in einer Orientierungsphase befindliche oder wegen frustrierender Erfahrungen gerade keine Beschäftigung ausübende Jugendliche, setzte sich diese Tendenz seit 2009 (8,8 %) bis jetzt - mit Ausnahme des Flüchtlingsjahres 2016 und während der Corona-Krise 2020/ 21 - kontinuierlich fort, die Anzahl verringerte sich um insgesamt knapp zwei Prozent. Dabei war jedoch im ersten Quartal 2023 dem Faktencheck gemäß wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Für ihre im August veröffentlichte Studie haben die Autor:innen geeignete Daten des Statistischen Amtes der EU (Eurostat) für die Jahre 2009 bis 2023 untersucht.
Zwar ist die Quote der Jugendarbeitslosigkeit nicht deckungsgleich mit dem Anteil der NEETs an den Gleichaltrigen, da nur als arbeitslos gemeldete, grundsätzlich erwerbsfähige junge Erwachsene in die Angaben mit einfließen. Das gilt ebenso für die Rate von Ungelernten, also von jungen Menschen, die nicht über einen formalen Berufsabschluss verfügen. Doch wie die Forschungsarbeit zeigt, verläuft die Entwicklung der Zahlen annähernd parallel, d.h. auch die Jugendarbeitslosigkeit ging im selben Zeitrauem von rund 8 % 2009 – vom Corona-Jahr 2020 abgesehen – stetig auf ca. 4,4 % 2022 zurück.
Ausbildungsangebot hängt mit NEETs-Anteilen zusammen
Im Vergleich der Bundesländer (ohne Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland) schwankt der Anteil der job- und ausbildungslosen Jugendlichen zwischen ca. 5 % in Bayern (4,7 %), Sachsen (4,9 %), Baden-Württemberg (5,2 %) und etwa einem Zehntel der Gesamtgruppe in Berlin (9,5 %), Hamburg (9,9 %), Sachsen-Anhalt (10,1 %). Durch gezielte statistische Analysen belegen die Verfasser:innen des Faktenchecks, dass die Anzahl der unbeschäftigten jungen Leute ohne Studien- oder Ausbildungsplatz mit dem vorhandenen Angebot an Lehrstellen stark korreliert. In Ländern mit eingeschränkten Kapazitäten von Ausbildungsplätzen gibt es unter den 15- bis 24-jährigen jungen Menschen, bei leichten Verschiebungen gegenüber der vorher beschriebenen Rangliste, deutlich mehr NEETs als in Regionen mit einem breiteren Lehrstellenangebot.
Mehr junge Frauen job- und ausbildungslos
Im internationalen Maßstab besetzte die Bundesrepublik bei den Quoten an arbeits- und ausbildungslosen Jugendlichen 2022 den 23. Platz von insgesamt 30 Staaten der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes, d.h. im Drittel mit den geringsten Prozentsätzen. Das Geschlechterverhältnis der jungen NEETs ist in Deutschland der Studie zufolge bisher noch nicht ausgewogen. Mit 7,3 % lag der Anteil der Frauen an den jungen Leuten ohne Job oder Ausbildung 2022 um 1 % höher als bei den Männern (6,3 %). Darüber hinaus hat die Prozentzahl weiblicher NEETs zwischen 2012 und 2022, anders als in anderen europäischen Ländern, bloß um 0,6 % (vgl. Schweden: - 3,0 %, Island: - 2,0 %), abgenommen, die der männlichen Jugendlichen blieb nach leichten Schwankungen unverändert.
Vielseitiger Ganztag und Weiterbildungen gegen fehlende Perspektiven
Als Mittel, um dem Phänomen der arbeits- und ausbildungslosen jungen Menschen entgegenzuwirken, schlagen die Autor:innen des Faktenchecks vor, schon in der Schule - über multiprofessionelle Teams, eine hochwertige, vielseitige Gestaltung der Ganztagsbetreuung oder speziell ausgerichtete Trainings von Lehrkräften - anzusetzen, um Risiken bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und sie z.B. bei der Berufsorientierung zu unterstützen. Darüber hinaus befürworten die Forscher:innen einen Datenaustausch zwischen Schulen und Arbeitsagentur, um für junge Leute eine berufliche, an den Schulbesuch anknüpfende Perspektive zu gewährleisten.
Im Lehrstellensektor setzen sie sich dafür ein, die von der Koalition für April 2024 etablierte Ausbildungsgarantie in der Praxis durch Sicherstellen eines größeren Angebotes auf dem Berufsbildungsmarkt, verknüpft mit einer individuellen Übergangsbegleitung, effektiv und an die Lebensumstände der Jugendlichen angepasst zu verwirklichen. Überdies unterstreichen die Verfasser:innen des Faktenchecks den Nutzen von Weiterbildungen, die über Teilqualifikationen auf einen Berufsabschluss hinführen, sowie nachträglich absolvierte Ausbildungszertifikate. Insbesondere bei den meistens ungelernten, nicht in das reguläre Arbeitsleben integrierbaren NEETs steigern solche Maßnahmen Studien zufolge spürbar die Chancen, einen Job zu finden (vgl. Bönke, Timms, 2022), da sie zeitlich überschaubar angelegt sind und daher auf ernüchterte junge Erwachsene eher motivierend wirken.
Quelle: Bertelsmann Stiftung/ eigene Darstellung