15. MENSCHENRECHTSBERICHT DER BUNDESREGIERUNG 2./ 3. LESUNG : SPD fordert Verantwortung bei LGBTQ-Rechten und Frauengewalt

24. Mai 2024 // Ulrike Günther

Frauenrechte, Kinderschutz, geschlechtsbezogene Diskriminierung sind Schwerpunkte im aktuellen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung. Die Koalitionsfraktionen stellen sich hinter die bundesdeutsche feministische Außenpolitik. Die SPD wendet sich gegen Benachteiligung queerer Personen und Frauengewalt, die Grünen gegen den Gender Pay Gap. Die Linken fordern besseres Umsetzen der Istanbul-Konvention (IK).

Frauenrechte sind Teil der universellen Menschenrechte. - Bild: Pixabay/ Gerd Altmann
Frauenrechte sind Teil der universellen Menschenrechte. - Bild: Pixabay/ Gerd Altmann

zwd Berlin. Die stellvertretende Sprecherin für Menschenrechte der SPD-Bundestagsfraktion Derya Türk-Nachbaur lobte anlässlich der Debatte zum 15. Menschenrechts-Bericht der Regierung (Drs. 20/ 4865) am 16. Mai die bundesdeutsche Außenpolitik und Entwicklungskooperation für ihre „menschenrechtsbasierte, stabilisierende Arbeit in der Krise“. Mit Blick auf geschlechts- und kinderrechtsbezogene Probleme hob sie u.a. die „verachtenswerte Unterdrückung der Frauen in Afghanistan“, „Millionen Kinder()“, die im Bürgerkriegsland Sudan mit der größten, derzeitigen Flüchtlingswelle seit mehr als einem Jahr nicht die Schule besuchen können, und die „vielen Tausend“ Opfer an Kindern und Frauen im Gaza-Krieg heraus. Angesichts der angespannten Haushaltslage forderte Türk-Nachbaur, das menschenrechtliche „Engagement effizienter“ zu machen. Sie befürwortete die bundesdeutschen Bemühungen, „nachhaltige Ziele zu erreichen“ und trat für eine „vorausschauende Krisenprävention“ ein.

Der Menschenrechtsbericht umfasst den Zeitraum von Oktober 2020 bis September 2022. Unter Federführung des Auswärtigen Amtes entwirft die Regierung u.a. den „Aktionsplan Menschenrechte“ für 2023/ 24, benennt Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten – inkl. Frauen- und Kinderrechten - in der Bundesrepublik wie der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik und untersucht die Situation in ausgewählten Ländern.

SPD/ Grüne: Menschenrechts-Aufgaben Frauengewalt und Lohnlücke

Aus Sicht der SPD-Politikerin Heike Engelhardt, Mitglied im Bundestags-Menschenrechtsausschuss, wirkt Deutschland mit den im Bericht aufgezeigten „vielen Maßnahmen und Initiativen“ dem weltweit zu beobachtenden „Trend entschieden entgegen()“, dass „Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit (…) bedroht sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr“. Engelhardt mahnte jedoch an, man müsse sich auch selbst der „Verantwortung stellen“, z.B. hinsichtlich der „Diskriminierung queerer Menschen oder Gewalt gegen Frauen“. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Boris Mijatović erkennt ebenfalls in zahlreichen Ländern der Welt „teils katastrophale() Umstände“, autoritäre Staaten würden immer häufiger „menschenrechtliche Institutionen und Organe unterwandern“. Mijatović betonte aber, dass man „in Deutschland noch Aufgaben bei der Wahrung von Menschenrechten zu erfüllen“ habe. Laut dem Grünen-Sprecher gehören dazu „Fragen der Bekämpfung der Diskriminierung, (…) der Inklusion“ ebenso wie „Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau“.

Linke kritisieren Mangel an Frauenhäusern und Abtreibungsrecht

Die linke Frauenpolitikerin Gökay Akbulut kritisierte hinsichtlich der innerdeutschen Menschenrechtspolitik, die IK zum Bekämpfen von Gewalt gegen Frauen werde „unzureichend umgesetzt“, es gebe nicht genug Frauenhäuser, um Gewaltopfern sichere Zufluchtsräume zu bieten. Darüber hinaus sei ein „eigenständiges Aufenthaltsrecht“ für gewaltbetroffene Migrantinnen erforderlich. Akbulut monierte, dass sich der Bericht der Bundesregierung nicht auf den Strafrechtsparagraphen § 218 zu Schwangerschaftsabbrüchen bezieht. Dieser verweigere Frauen das „Recht am eigenen Körper“, kriminalisiere sie wie die Ärzteschaft. Das „Selbstbestimmungsrecht der Frauen“ stehe dabei in Frage, weshalb Akbulut verlangte, den Paragraphen zu streichen. SPD, Grüne und FDP votierten am selben Tag (gegen die Stimmen der Opposition) für eine Entschließung (Drs. 20/ 11219) zum Menschenrechtsbericht. Darin unterstreichen sie, dass „der Status Quo der Rechte von Frauen, Minderheiten und marginalisierten Gruppen (…) ein Gradmesser für die Achtung und den Schutz von Menschenrechten durch das jeweilige Land insgesamt“ sei.

Koalitionsfraktionen unterstützen feministische Außenpolitik

Daher unterstützen die Koalitionsfraktionen, unter Verweis auf die Leitlinien bzw. Strategie der deutschen feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, das Streben der Bundesregierung, „Rechte, Repräsentanz und Ressourcen“ dieser Bevölkerungsteile zu stärken. Sie begrüßen, dass der Bericht sich im Besonderen Frauen- und Kinderrechten in der Bundesrepublik widmet sowie Schwerpunkte auf „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“, „Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch“ und „konfliktbezogener sexualisierter und geschlechterspezifischer Gewalt“ setzt. Im Vorgriff auf den 16. Menschenrechtsbericht plädieren die Fraktionen dafür, neben anderen Handlungsfeldern vertiefend auf den bundesdeutschen Einsatz „für Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung“ auf nationaler und internationaler Ebene einzugehen und ausführlich darzulegen, wie die Standards feministischer Außenpolitik umgesetzt und wie wirksam sie sind.

Unabhängige Beurteilung: UN-Menschenrechtsrat und DIMR

Die menschenrechtliche Situation in der Bundesrepublik beleuchtet von einem unabhängigen bzw. übergreifenden Standpunkt das periodische Staatenprüfverfahren /UPR) des UN-Menschenrechtsrates und der Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR). In ihrer Rede auf der 55. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats im Februar 2024 bekräftigte Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen), die Empfehlungen aus dem 4. Periodischen Staatenprüfverfahren (UPR) „sehr ernst“ zu nehmen. Laut Baerbock sprechen diese zentrale Themen wie „den Anteil von Frauen auf unserem Arbeitsmarkt“, den „bedeutenden Gender Pay Gap“ und „die Zahl der Frauenhäuser“ an. Weitere Ratschläge betreffen gesetzliche Standards zur Gleichberechtigung, Abbau von Geschlechter-Stereotypien für freie Studienfachsuche, Schutz vor sexuellen Angriffen und Belästigung, umfassende reproduktive Rechte und Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Bericht der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats zum UPR).

Das DIMR legt in seinem 8. Menschenrechtsbericht vom Dezember 2023 einen Fokus auf den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Das Institut empfiehlt, durch Änderungen im Aufenthaltsgesetz die Situation von gewaltbetroffenen Migrantinnen zu verbessern. Demnach sollte der Gesetzgeber Opfern häuslicher Gewalt und Mitwirkenden in Strafverfahren „verlängerbare() Aufenthaltstitel“ vorsehen, vom Ehepartner abhängigen, gewaltbedrohten Frauen es frühzeitig ermöglichen, eigenständig einen Antrag auf Aufenthalt zu stellen. Zur weiteren Umsetzung der IK schlägt das DIMR vor, der Monitoring-Stelle zur geschlechtsspezifischen Gewalt eine gesetzliche Grundlage zu geben, um die Aufgaben zu vereindeutigen und die Finanzierung abzusichern. Eine staatliche Koordinierungsstelle soll eine umfassende Strategie zur bundesweiten Vorsorge und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erarbeiten, welche die Betroffenen-Rechte in den Mittelpunkt rückt.

Engagement für politische Beteiligung von Frauen und Gewaltschutz

Die Bundesregierung bekennt sich im „Aktionsplan Menschenrechte“ des Berichts zum Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität, gegen Benachteiligung auf der Grundlage sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität und zur Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Einzelne innerdeutsche Maßnahmen betreffen z.B. den Kampf gegen Sexismus durch ein „starkes, lebendiges und wirksames Bündnis“ (gegründet im Februar 2023), das „Aktionsprogramm Kommune“ für einen höheren Frauenanteil in Kommunalparlamenten, Projekte zur Integration geflüchteter Frauen und Mädchen oder effektiveren Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, u.a. durch das Einrichten einer unabhängigen Berichterstatterstelle am DIMR (eröffnet Mai 2022).

Im Abschnitt zur feministischen Außen- und Entwicklungspolitik konstatiert die Regierung, dass Frauenrechte in vielen Ländern nicht verwirklicht sind, sie würden „vielerorts und zum Teil systematisch zurückgedrängt“ (sog. push back). Feministische Außenpolitik soll sich dem Bericht zufolge gegen diese Ungleichheiten richten und „strukturelle Benachteiligungen aller Geschlechter“ berücksichtigen (Leitlinien Februar 2023), feministische Entwicklungspolitik bewertet soziale Ungerechtigkeiten als „Ergebnis diskriminierender Machtstrukturen“ (Strategie März 2023). Weltweit engagiert sich die Bundesregierung nach eigenen Angaben für gleichberechtigte „gesellschaftliche(), wirtschaftliche(), und politische() Teilhabe“ von Frauen, die Beseitigung von geschlechtsbezogener Gewalt und schädlichen, menschenrechtsverletzenden Praktiken, wie weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsheiraten, für sexuelle und reproduktive Rechte, für Vorbeugen und Überwinden von Frauen- und Mädchenhandel.

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