BUNDESTAGS-PETITIONEN GEWAT GEGEN FRAUEN : Petitionen: Sexualdelikte höher bestrafen, Femizide anerkennen

24. Juli 2025 // Ulrike Günther

Höhere Strafen für Sexualdelikte und Anerkennen von Femiziden als Tatbestand im Strafgesetzbuch fordern Petitionen im Bundestag. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung dürften nicht verharmlost werden, mahnen die Bittsteller:innen im einen Fall. Ein differenziertes Strafrecht bei Femiziden sei erforderlich, um Prävention und Strafverfolgung zu verbessern, argumentieren die anderen. Der Deutsche Frauenrat (DF) setzte sich auf seiner Mitgliederversammlung für die „Nur Ja heißt Ja“-Regel und eine Gewaltschutz-Strategie für alle bedrohten Frauen ein.

Feminist:innen kämpfen gegen Verharmlosung von Sexualdelikten. - Bild: Pixabay/ Alexas
Feminist:innen kämpfen gegen Verharmlosung von Sexualdelikten. - Bild: Pixabay/ Alexas

zwd Berlin. Noch bis 14. August läuft im Bundestag die Mitzeichnungsfrist für eine Petition (Nr. 182348), die für „höhere Strafen für Nötigung, sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung“ eintritt. Die Petent:innen begründen ihr Ersuchen damit, dass fast jede Person, vor allem Frauen, bereits eine Form der Nötigung erlebt hätten, z.B. zudringliche Belästigung auf Straßen durch Männer, die sich nicht abweisen ließen. Schlimmer seien Fälle sexuellen Missbrauchs oder von Vergewaltigung, die nach Aussagen der Einsender:innen oftmals nur mit einer Bewährungsstrafe oder einer zweijährigen Freiheitsstrafe geahndet oder für welche Tätern Therapiebesuche angeordnet würden.

Petition mahnt: Missbrauch und Vergewaltigung nicht verharmlosen

Es sei „an der Zeit, (…) die strengere Bestrafung dieser Verbrechen“ zu verlangen, nicht allein, um Opfern Schutz zu gewähren, sondern auch zur Abschreckung potenzieller Täter. „Indem wir strengere Strafen fordern, gestehen wir (…) die Schwere dieser Verbrechen ein“, anstatt über sie zu schweigen, heißt es im Petitionstext. Ein höheres Strafmaß werde Opfer zwar nicht von seelischem Schmerz, vom Trauma oder von Angst befreien, doch eine faire Strafe zeige, dass man „um die Gerechtigkeit für die Opfer“ bemüht sei. Sexueller Missbrauch ebenso wie Vergewaltigung dürften nicht verharmlost werden, betonen die Verfasser:innen, Entschuldigungen oder Therapien würden nicht ausreichen.

Laut Strafgesetzbuch (StGB, Paragraph 177) wird jemand, der „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, (…) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren“ bestraft. Belästigungen sind gesetzlich von sexuellen Übergriffen abgegrenzt und bezeichnen unerwünschtes, verbales, durch Gesten vermitteltes oder körperliches sexualisiertes Verhalten. Bisher haben 297 Personen die Bittschrift unterstützt. Das Quorum für eine öffentliche Beratung des Anliegens im Petitionsausschuss, bei der sich auch die Initiator:innen äußern können, liegt bei 30.000 Unterzeichner:innen in 6 Wochen von der Veröffentlichung an.

Femizide sind „gravierendes gesellschaftliches Problem“

Bis zum 17. Juli lag im Petitions-Forum des Parlamentes ein weiteres Online-Gesuch zu geschlechtsbezogener Gewalt (Nr. 179413) aus, das sich dafür einsetzte, „Femizide als eigenständige(n) Straftatbestand“ anzuerkennen. Die „systematische Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts“ stelle keine „private Tragödie“ dar, sondern sei „Ausdruck tief verwurzelter gesellschaftlicher Machtungleichheiten“, schreiben die Petent:innen. Die Gewalttat differenziert rechtlich zu erfassen, sei erforderlich, „um Prävention, Strafverfolgung und gesellschaftliche Sensibilisierung wirksam zu verbessern“. Femizide würden ein „gravierendes gesellschaftliches Problem“ bilden, das spezifische gesetzliche Maßnahmen nötig mache. Sie als eigenen Tatbestand einzuführen, würde die „besondere Schwere dieser Taten anerkennen".

Mit Daten aus dem Bundeslagebild des Bundeskriminalamtes (BKA), wonach 2023 155 Frauen von ihren (Ex-) Partnern umgebracht und insgesamt 132.966 weibliche Personen Opfer von Gewalt in (Ex-) Partnerschaften wurden, belegten die Einsender:innen, wie dringlich es sei, „geschlechtsspezifische Gewalt gezielt zu adressieren“. Der internationale Vergleich verdeutlicht demnach, dass Länder wie Mexiko oder Argentinien schon – auf der Grundlage der amerikanischen Belém do Pará-Konvention über spezielle Femizid-Gesetze verfügen oder für Strafen erschwerende Umstände akzeptiert hätten. In rechtlicher Hinsicht werde der Umgang mit Femiziden kontrovers diskutiert, führten die Bittsteller:innen in der Begründung aus. Als Begriff würden Femizide in völkerrechtlichen Übereinkommen bisher nicht verwendet, das bundesdeutsche Recht würde sie unter die allgemeinen Tötungsdelikte subsumieren, ohne die geschlechtsbezogene Dimension einzubeziehen.

FHK: Gewaltbeziehungen durch Machtausübung und Kontrolle geprägt

Die Anerkennung von Femiziden als eigenständiger Straftat würde es aus Sicht der Petent/innen ermöglichen, besser die besonderen Hintergründe der Gewaltakte zu erfassen und diese adäquat zu bestrafen. Darüber hinaus würde die gesonderte Aufnahme ins Strafgesetzbuch ein eindeutiges „Signal gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ senden, in der Gesellschaft die Sensibilisierung für das Thema steigern und das Bewusstsein dafür schärfen, wie ernst solche Taten zu nehmen seien. Die Verfasser:innen verweisen auch auf von der Bundesrepublik ratifizierte internationale Abkommen, z.B. die Istanbul-Konvention, welche den Staat verpflichten, gegen Frauen gerichtete Gewalt zu bekämpfen. Die Einführung eines speziellen Straftatbestandes Femizide würde ihrer Auffassung nach den übernommenen Pflichten entsprechen und einen seriösen Umgang mit geschlechtsbezogener Gewalt unterstreichen. Insgesamt unterschrieben 427 Personen die Online-Petition.

Die Frauenhauskoordinierung (FHK) gibt auf ihrer Webseite zur bundesdeutschen Rechtslage zu bedenken, problematisch sei „dass Femizide im Kontext von Partnerschaftsgewalt ‒ insbesondere nach Trennungen ‒ häufig nicht als Mord eingestuft“ würden. Gerichte würden oft nicht der Tatsache Rechnung tragen, „dass Gewaltbeziehungen von Macht und Kontrolle geprägt“ seien. Stattdessen würden sich „Verlustgefühle und vermeintlich gerechtfertigte Besitzansprüche des Täters regelmäßig strafmildernd“ auswirken. Dies widerspreche „den rechtlichen Anforderungen aus internationalen Abkommen wie der Istanbul-Konvention“.

DF für bundesweite Regelungen bei elektronischer Überwachung

Auf seiner Mitgliederversammlung am 27. Juni beschloss der DF u.a. einen Katalog von Forderungen für einen verbesserten Gewaltschutz. Die Organisation rief die Bundesregierung auf, Lücken im neuen Gewalthilfegesetz zu beseitigen und auch für Migrantinnen und Frauen mit Beeinträchtigungen ihren Bedarfen gemäße Hilfen anzubieten. Weiterhin plädierte der DF dafür, bundeseinheitliche Regelungen zur elektronischen Täterüberwachung mittels Fußfesseln bei häuslicher Gewalt zur Gefahrenabwehr und Aufenthaltskontrolle zu schaffen. Der Frauenverband rät der Regierung, eine Gesamtstrategie für Gewaltvorsorge und Schutz von Betroffenen umzusetzen, wozu in erster Linie gehöre, „diskriminierungsfreie() und kostenlose() Zugänge() zu Schutz und Hilfe für alle bedrohten Frauen“ auszubauen.

Der DF appellierte an die Regierung, das bundesdeutsche Strafrecht zu ändern und wie die Vorbilder Spanien oder Schweden die sog. „Nur Ja heißt Ja“-Regel einzuführen. Der Frauenrechtsverein engagiere sich dafür, dass die Bundesrepublik auch künftig „einen gemeinsamen europäischen Standard“ anstrebe, wodurch „sexuelle Handlungen nur bei ausdrücklicher Zustimmung der Beteiligten als einvernehmlich gelten“ würden. Eine solche Reform „würde nicht nur einen wichtigen Schritt im Kampf gegen sexuelle Gewalt darstellen, sondern auch die Rechte und den Schutz von Frauen stärken“, so der DF. Außerdem schlägt der Frauenverband der Regierung vor, durch geschlechtersensible Studien, breite Öffentlichkeitskampagnen und in Lehrplänen verankerte Aufklärung dem Instrumentalisieren und Bagatellisieren von Gewalt gegen Frauen entschlossen entgegenzutreten.






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