Nach einem ZDF-Bericht haben Forscher:innen an Bundesbildungs- und -forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Offene Briefe geschickt, um gegen Ablehnungen, Stopps und Verzögerungen von Zuwendungsbescheiden zu protestieren. Die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Prof.in Paula-Irene Villa Braslavskv (Uni München) hat sich gemeinsam mit 65 Forschenden aus verschiedenen Natur-, Technik- und Geisteswissenschaften an die Ministerin gewandt, weil offensichtlich das erst im März dieses Jahres ausgeschriebene Forschungsprojekt "Gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie - Forschung für Integration, Teilhabe und Erneuerung" gestrichen worden sei. Es sei unklar, ob das Projekt, das teilweise bereits am 1. Juli 2022 beginnen sollte, vom BMBF überhaupt noch gefördert werde. Die Soziologin wurde mit der Aussage zitiert: "Es muss offenbar erneut betont werden, wie 'systemrelevant' die sozialwissenschaftliche Forschung zum Thema 'Gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie' war, ist und auch weiterhin sein wird." In einem YouTube-Interview warnte die Hochschullehrerin vor einer "Politik auf Kosten von jungen Forschenden und ihren Familien".
Zwar hat eine Sprecherin des Bundesforschungsministeriums gegenüber der Bundespressekonferenz versichert, es gebe keinen Förderstopp und auch keinen Auffassungswechsel bei der Leitung ihres Hauses. Die Kürzungen verteidigte die Sprecherin mit denm Hinweis, das Haushaltsjahr 2023 sei von "besonderen Herausforderungen" bestimmt. Dass "Anschlussprojekte" nicht gefördert werden könnten, sei für manche Forscher:innen vielleicht enttäuschend. Dies sei allerdings den Rahmenbedingungen geschuldet, die sich aus dem Ukraine-Krieg und aus der Einhaltung der Schuldenbremse ergäben.
Weniger Geld auch für DAAD-Projekte
Entgegen dem Versprechen des Ampel-Koalitionsvertrages will die Bundesregierung offenbar Gelder aus dem weltweiten Forschungsprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes kürzen. Das Budget der weltweit namhaften Institution, mit dem sie Kooperationen mit mehr als 350 Hochschulen und Universitäten absichert und zugleich mehr als 130.000 Forscher:innen - gestützt auf Mittel aus dem Auswärtigen Amt - fordert, soll von 204 Millionen Euro (2021) auf 191 Millionen Euro im Jahre 2023 sinken (2022 sind 195 Millionen Euro veranschlagt). DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee warnt, dass durch die geplanten Einschnitte die Fördermöglichkeiten für Hochschulen, Studierende und Nachwuchswissenschaftler:innen auf Jahre reduziert würden. Auch der Politikwissenschaftler Carlo Masala (Bundeswehruniversität München) appellierte an Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger und die Koalition, die Kürzungen rückgängig zu machen.
Von weiteren Kürzungen sind offenbar auch das Goethe-Institut und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung betroffen. Im Ampel-Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP noch versprochen, die institutionelle Förderung dieser Einrichtungen analog zum Pakt für Forschung und Innovation zu erhöhen. Politische Beobachter erwarten, dass im Herbst heftige Haushaltsauseinandersetzungen im Bundestag bevorstehen, zumal die Unionsparteien sich nicht entgehen lassen werden, die Ressortminister:innen angesichts dieser Kürzungen vorzuführen.
Streichung der Sprachförderung des Bundes an Kitas
Auch die ersatzlose Streichung des Bundesprogramms zur Kitasprachförderung in Höhe von 210 Millionen Euro hat Proteste bei den Ländern und Bildungsgewerkschaften ausgelöst. Während die Jugend- und Familienminister:innen der Länder in einer gemeinsamen Erklärung die Bundesregierung aufforderten, die Entscheidung zu revidieren, sprach die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft von einem Bruch des Koalitionsvertrages. Für die Bildungsgewerkschaft hat die "Fortschrittskoalition den Rückwärtsgang eingelegt". Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung Udo Beckmann bezeichnete die Einstellung des Bundesprogramms als "unverantwortlich".
Aus Länderkreisen war bekannt geworden, dass das Bundesfamilienministerium die seit sechs Jahren laufende Förderung des Sprach-Kita-Projekts zu Ende dieses Jahres auslaufen lassen wolle. Es habe sich lediglich um ein "befristetes Modellprojekt "gehandelt, hieß es aus dem Ministerium. Damit bestätigt die Bundesregierung indirekt, was SPD und Grünen, vor allen aber den Ländern immer ein Dorn im Auge gewesen ist: Der Mangel an Nachhaltigkeit von Bundesprogrammen. Der Bund, hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann zuletzt den Beratungen über die Ganztagsförderung im vergangenen Jahr im Bundesrat beklagt, stoße immer wieder Modellprojekte an und schiebe danach den Ländern die Verantwortung für die weitere nachhaltige und dauerhafte Förderung dieser Vorhaben zu.
Ministerium verweist auf das "Gute-Kita-Gesetz"
Das Bundesfamilienministerium entgegnete der Kritik mit Hinweis auf das Weiterlaufen des "Gute-Kita"-Bundesgesetzes, das über das eigentlich geplante Laufzeitende zu Ende dieses Jahres um zwei weitere Jahre verlängert worden sei - immerhin mit einem Finanzvolumen von jeweils zwei Milliarden Euro jährlich.