zwd Berlin. In Berlin erreichten bei den bundesweit durchgeführten VERA 3-Vergleichsarbeiten über zwei Fünftel (fast 43 Prozent) der Drittklässler:innen im Lesen und Zuhören nicht den Mindeststandard (Kompetenzstufe II). Im Fach Mathematik lag knapp die Hälfte (46 Prozent) mit ihren Leistungen unterhalb des Mindestniveaus, wie die dpa mitteilte. Gegenüber dem Vorjahr verschlechterten sich die Ergebnisse der Kompetenztests. Die Berliner Senatorin für Bildung Katharina Günther-Wünsch (CDU) nannte die VERA-Resultate „besorgniserregend“. Ein Rückgang bei den Leistungen habe „sowohl in den Grundschulen als auch in den weiterführenden Schulen“ stattgefunden, erklärte Günther-Wünsch. Berlin schneide „im Bundesvergleich weiterhin schwach“ ab, das sei „nicht akzeptabel“.
Die Qualität der Berliner Bildung zu steigern, bezeichnete Günther-Wünsch als eines der höchsten bildungspolitischen Ziele des Landes und forderte, bereits vereinbarte Maßnahmen zu deren Verbesserung weiterzuentwickeln. Von Mitte April bis Mitte Mai bearbeiteten die Grundschüler:innen im gesamten Bundesgebiet (außer Niedersachsen) in Deutsch Aufgaben in mindestens einem der Bereiche Lesen, Zuhören, Orthographie oder Sprachgebrauch, in Mathematik in allen sog. Leitideen, z.B. Zahlen und Operationen oder Raum und Form.
Senatorin Günther-Wünsch setzt auf geplante Qualitätsstrategie
Dem rbb sagte Bildungssenatorin Günther-Wünsch, es reiche nicht, wie in vorigen Jahren „immer mehr Ressourcen ins System zu geben“. Stattdessen setze sie darauf, die durch sie angeregte Qualitätsstrategie zu verwirklichen. Demnach sollen die Schüler:innen in sämtlichen Fächern, nicht bloß in Deutsch, regelmäßig lesen. Darüber hinaus ist geplant, an Grundschulen sog. Fachleitungsstellen für den Deutsch- und Mathematikunterricht einzurichten, um auf diese Grundfächer verstärkt den Fokus zu legen.
Mit der „Gesamtstrategie zur Steigerung der Bildungsqualität“ strebt die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben „eine Trendumkehr“ an, durch die bis 2026 „mindestens der gleiche Anteil an Schülerinnen und Schülern in der Primarstufe die sprachlichen und mathematischen Mindeststandards“ erlangt wie zehn Jahre zuvor. Alle Qualitätsmaßnahmen müssten dafür die mathematischen und sprachlichen Fähigkeiten in den Mittelpunkt rücken. Ein bis Anfang 2025 einzurichtendes Landesinstitut für Aus-, Fort- und Weiterbildung soll die Umsetzung der Strategie unterstützen.
Deutliche Leistungsunterschiede zwischen Schularten
Von den Berliner Achtklässler:innen, die Integrierte Sekundarschulen oder Gemeinschaftsschulen besuchen, schaffte ein noch höherer Anteil bei den zwei Monate vorher absolvierten VERA 8-Tests bezogen auf die Mittlere Reife nicht das Mindestlevel, im Lesen etwas unter zwei Dritteln (62 Prozent), in Mathematik sogar ca. drei Viertel (74 Prozent). In Orthographie hingegen blieben nur 30 Prozent der Schüler:innen unterhalb des Minimalstandards (Kompetenzstufe I). Die Jugendlichen lösten im Februar Testaufgaben in Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch.
Gymnasiast:innen erzielten in allen geprüften Kompetenzen deutlich bessere Testergebnisse. Bei mathematischen Aufgaben zu Zahlen und Operationen erfüllten 13 Prozent nicht die Mindestanforderungen, im Gebiet Daten und Häufigkeit 21 Prozent. Im Lesen entsprachen die Leistungen von 12 Prozent der Schüler:innen nicht der Kompetenzstufe II, in Rechtschreibung nur ein Prozent. Nach Informationen des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), das die VERA-Testaufgaben entwickelt, dienen die Vergleichsarbeiten Lehrkräften wie Schulen als Rückmeldungen über Lernfortschritte und -defizite. Auf der Grundlage der von der Ständigen Konferenz der Kultusminister:innen festgelegten Bildungsstandards prüfen die Tests, inwieweit die Schüler:innen ein Jahr im Voraus bereits über die in der nächsthöheren Klassenstufe erforderlichen Leistungen verfügen.
Ministerin Schopper: Bildungsreform soll Basiskompetenzen stärken
In Baden-Württemberg fielen die VERA 3- und VERA 8-Vergleichsarbeiten etwas günstiger aus. Dennoch verfehlte auch hier ein beträchtlicher Prozentsatz der Schüler:innen die Mindeststandards. Die am 23. Juli vom Ministerrat vereinbarte Bildungsreform nimmt angesichts der Kenntnislücken nach Aussagen der Landesregierung besonders die vorschulische Lernentwicklung in den Blick. Zentral ist dabei laut Kultusministerin Theresa Schopper (Die Grünen) die Sprachförderung, Kinder mit schlechteren Startbedingungen werden intensive Förderung erhalten. Man habe die eindeutige Priorität, dass mit Ablauf der Grundschulzeit „jede und jeder die Basiskompetenzen beherrschen muss“, hob Schopper nach der Kabinettssitzung hervor.
Aus Sicht der Kultusministerin stimmen die VERA-Testergebnisse mit den „bisherigen Analysen“ überein. Ihr Ministerium habe schon „die richtigen Schwerpunkte“ gesetzt, urteilte Schopper anlässlich der Veröffentlichung der Resultate am 10. Juli. Es sei „von großer Bedeutung“, die vorgesehene Bildungsreform „vor allem bei der Frühförderung“ konsequent umzusetzen und dabei Geduld zu beweisen. Der Bildungserfolg sei „nach wie vor stark vom sozialen Hintergrund abhängig“, wertete das Kultusministerium die Vergleichsarbeiten aus. Ebenso würden sich in beiden Klassenstufen große Leistungsunterschiede „zwischen Kindern mit deutscher und einer anderen Alltagssprache“ bemerkbar machen.
Erhebliche soziokulturelle und sprachbezogene Disparitäten
Rund ein Viertel der baden-württembergischen Drittklässler:innen scheiterten im Lesen (24 Prozent) und Zuhören (28 Prozent) am Mindestniveau, in Mathematik 29 Prozent. Über die Hälfte (Mathematik:53 Prozent, Zuhören: 56 Prozent) zeigten andererseits Fähigkeiten auf dem Regelstandard oder darüber (Kompetenzstufen III – V). Von den Achtklässler:innen unterbot im Lesen etwas mehr als ein Fünftel (22 Prozent) die Minimalanforderungen für den Mittleren Schulabschluss,, in Mathematik knapp ein Drittel (32 Prozent) – mit beachtlichen Unterschieden zwischen den Schularten. Während sich an den Haupt-/ Werkrealschulen die Leistungen von 59 Prozent (Lesen) bzw. 75 Prozent (Mathematik) der Jugendlichen Kompetenzstufe I (unter Mindeststandard) zuordnen ließen, waren es an den Gymnasien lediglich 2 Prozent (Lesen) bzw. 3 Prozent (Mathematik). Weitaus bessere Ergebnisse brachten sie in Englisch zustande, mit durchschnittlich 19 Prozent (Leseverstehen) bzw. 11 Prozent (Hörverstehen) auf unterster Stufe.
Den Daten des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) zufolge variierten bei VERA 3 die Testergebnisse unter dem Mindestlevel zwischen Schüler:innen mit deutscher und nicht deutscher Alltagssprache um bis zu 49 Prozentpunkte (Deutsch Zuhören), bei VERA 8 um bis zu 36 Prozent (Deutsch Zuhören), im Hörverstehen in Englisch jedoch nur um 8 Prozent. Erhebliche Disparitäten ergaben sich auch je nach dem in Familien vorhandenen kulturellen Kapital: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Schüler:innen der dritten Klassen mit 10 oder weniger Büchern daheim unterschritten im Lesen mit ihren Leistungen das Mindestniveau, gegenüber bloß 12 Prozent in Elternhäusern mit über 200 Büchern, bei den Achtklässler:innen waren es 52 Prozent (bis zu 10 Bücher) im Verhältnis zu 15 Prozent (über 200 Bücher). Insgesamt nahmen in dem Bundesland ca. 85.000 Grundschüler/innen an den VERA 3-Vergleichsarbeiten teil, etwa 78.000 Jugendliche an den VERA 8-Tests in Deutsch und Mathematik, ungefähr 76.000 Schüler:innen an den Kompetenztests in Englisch.