zwd Berlin. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen), Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) würdigten bei der Vorstellung des Berichts des Gremiums am Montag einhellig die Leistung, im Laufe der einjährigen Arbeit der vielfältig zusammengesetzten Fachgruppen zu einer "konsensualen Empfehlung" (Paus) gekommen zu sein. Die Familienministerin betonte, wie wichtig es mit Blick auf die in der Fragestellung angesprochenen „ganz zentralen Lebensfelder“ sei, nun eine „sachliche, (…) eine wissenschaftliche Grundlage“ zu haben. Sie sei sich sicher, man werde „eine() größere() Debatte zu den Ergebnissen der Kommission“ führen.
In ihrem Bericht von über 600 Seiten gelangt die Kommission einstimmig zu dem Ergebnis, für die ersten drei Monate der Schwangerschaft Abbrüche mit Einverständnis der Frau als rechtmäßig zu erklären, wobei zu garantieren sei, dass für die Schwangeren die Eingriffe vornehmenden Einrichtungen ebenso wie unterschiedliche Methoden zugänglich sind. In der mittleren Schwangerschaftsphase (bis zur 22. Woche) messen die Expert:innen der Gesetzgebung einen „Gestaltungsspielraum“ zu, wie lange Abbrüche erlaubt sein sollten.
Lauterbach: Handlungsbedarf bei Versorgung von Frauen
Gesundheitsminister Lauterbach kündigte an, die Koalition werde die Einschätzungen der Fachleute „sehr detailliert diskutieren“ und für Regierung und Parlament einen „geordneten Prozess“ für den Umgang damit vorschlagen. Gleichzeitig verwies Lauterbach auf die Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen. Die Resultate einer vom Bund in Auftrag gegebenen Begutachtung und Studienserie seien „ernüchternd gewesen“, es bestehe ganz eindeutig „Handlungsbedarf“. Justizminister Buschmann gab das – von der Kommission ausführlich dargestellte – Problem zu bedenken, welche Freiräume durch die bereits zweimal erfolgten Urteile des Bundesverfassungsgerichtes (1975 und 1993) bleiben, „welche Bindungswirkung“ damit für die Gesetzgeber:innen einhergehe. Genauso sei die von den Fachleuten erörterte Frage zu berücksichtigen, wie sich „die Sach- und Rechtslage“ in dreißig Jahren „möglicherweise (…) verändert“ habe.
Für die ebenfalls auf Legalisierung hin überprüfte sog. Eizellspende schlug das Gremium vor, diese unter der Voraussetzung eines besonderen Schutzes für Spenderinnen und Kindeswohl zu gestatten. Die in ethischer, rechtlicher wie praktischer Hinsicht als problematischer angesehene Leihmutterschaft hingegen soll nach dem Ratschlag der Forscher:innen nur in speziellen, eng umgrenzten Fällen, wie dem „freundschaftliche(n) oder verwandtschaftliche(n) Verhältnis“ von Leihmutter und Eltern mit Kinderwunsch, zulässig sein. Der im März 2023 gemäß der Vorgabe im Koalitionsvertrag von der Regierung eingesetzten Kommission gehörten 18 Professor:innen aus Medizin, Ethik, Psychologie, Sozial-, Gesundheits- und Rechtswissenschaften an, die in zwei unabhängigen Arbeitsgruppen Möglichkeiten für außer-strafrechtliche Regelungen in den genannten Bereichen untersuchten.
SPD fordert „alternative Regelung“ außerhalb des Strafgesetzes
Die sozialdemokratische Sprecherin für Frauenpolitik Leni Breymaier hob anlässlich der Veröffentlichung des Kommissions-Berichtes die Absicht ihrer Bundestagsfraktion hervor, „gesetzgeberische() Spielräume“ zu nutzen und das Recht von Frauen zu stärken, „selbstbestimmt über ihren Körper, ihre Familienplanung und ihr Sexualleben zu entscheiden“. Andererseits müsse man ein „wirksames Konzept“ zum Schutz von Ungeborenen gewährleisten. Wie die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion Maria Klein-Schmeink setzte sich Breymaier für eine „alternative Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs“ ein. Laut Klein-Schmeink muss dabei, übereinstimmend mit den Empfehlungen des Gremiums, "das Schutzniveau für das werdende Leben je nach Phase der Schwangerschaft gewahrt werden“.
Grüne treten für „Recht auf Beratung“ von Schwangeren ein
SPD-Politikerin Breymaier kritisierte, dass für viele schwangere Frauen, je nach ihrem Lebensort, die „medizinische Versorgungslage prekär“ sei. Die Einordnung von Abtreibungen unter das Strafrecht würde nicht nur die Schwangeren, sondern auch Ärzt:innen stigmatisieren. Neben einer dringend nötigen Debatte über Verbesserungen der unzureichenden Versorgung, welche die vor wenigen Tagen präsentierte ELSA-Studie („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer“) belege, forderte die Vize-Chefin der Grünen-Fraktion Klein-Schmeink ein „Recht auf Beratung“. In jedem Fall sei jedoch sicherzustellen, dass „ungewollt Schwangere die (…) Unterstützung erfahren, die sie brauchen“. Auch der Ethikausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) plädierte für ein Beratungsrecht anstelle einer Verpflichtung,, welche der Verband, wie die gesetzlich vorgeschriebene dreitägige Wartefrist, als eine Art von Bevormundung beurteilt. Frauen, die selbst ein Interesse an Beratungen haben, sollten aus Sicht des DÄB umgekehrt "das Recht haben, diese zeit- und wohnortnah zu erhalten".
Linke für Schwangerschaftsabbrüche als Gesundheitsleistung
Der Deutsche Juristinnenbund (djb) wertete den Kommissions-Bericht als „Paradigmenwechsel“, mit Recht unterstrichen die Fachleute, dass das strafrechtliche Abtreibungsverbot für die Frühphase „verfassungs-, europa- und völkerrechtlich nicht haltbar“ sei. Nach Ansicht von djb-Präsidentin Ursula Matthiessen-Kreuder ist es „längst überfällig“, sich mit einer „Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ zu befassen. Die Linken-Politikerin Gökay Akbulut appellierte ausdrücklich an die Koalitionsregierung, den Paragraphen 218 abzuschaffen. Dieser stelle für die ungewollt Schwangeren „eine große Einschüchterung“ dar. Stattdessen müssten Abbrüche gewöhnlicher Teil der Gesundheitsversorgung werden. Zwangsberatungen und Fristen sollten wegfallen, freiwillige Beratungsangebote seien auszubauen.
Ähnlich rief der Frauenrechtsverein Centre for Feminist Foreign Policy (Zentrum für Feministische Außenpolitik, CFFP) in einem offenen, von über 100 Unterstützer:innen unterzeichneten Schreiben die Bundesminister:innen Paus, Lauterbach und Buschmann am Tag vor Veröffentlichung des Kommissionsberichts auf, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren. Auf die Beratungspflicht sowie die Wartefrist zu verzichten, wie es auch das Ziel des CFFP bildet, könne vielfach beeinflussen, welche Methode bei den abtreibungswilligen Frauen noch anwendbar ist. Dass es geboten sei, die geltende Gesetzeslage zu überarbeiten, bestätigt nach Ansicht der Frauenorganisation die erwähnte ELSA-Studie. Demnach hat das Forschungsprojekt deutliche Lücken in der Versorgung aufgezeigt. Viele Befragte erfuhren ELSA-Angaben zufolge Hindernisse beim Schwangerschaftsabbruch, sei es beim Beschaffen von Informationen (59,1 Prozent), bei der Übernahme der Kosten (21,9 Prozent) oder bei Erreichen bzw. Verfügbarkeit der Praxis (mind. eine Barriere: 41,3 Prozent, mehr als eine Barriere: 20,4 Prozent). Bei einer neuen Gesetzesregelung außerhalb des Strafrechts müsse nach Auffassung von CFFP "das Vertrauen in schwangere Menschen" und die "zahlreichen Berater*innen und Ärzt*innen", die sie unterstützen und begleiten, Vorrang haben.