Der Dimension nicht gerecht geworden
Der von der FDP-Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger veranstaltete „Bildungsgipfel“ am 14. und 15. März in Berlin ist, wie von den Spitzen der Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen sowie namhaften Organisationen und Stiftungen der Zivilgesellschaft befürchtet, mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende der Dimension der Herausforderung „nicht gerecht“ geworden. Die etwa 50 Organisationen appellierten deshalb schon am Tag zuvor an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und an die Regierungschef:innen der Länder, „mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten“. Trotz dieser Klatsche hat die Ministerin immerhin eine gewisse – wenn auch für sie negative - Medienöffentlichkeit erzeugt.
Ministerin Stark-Watzinger hatte die zweitägige, mit einer Bildungsforschungstagung verknüpfte Veranstaltung mit einem Aufruf zu einer „neuen Kultur der Zusammenarbeit von Bund und Ländern“ eröffnet. In einer Pressekonferenz versuchte sie später, die geharnischte Kritik im Vorfeld der Tagung mit der Bemerkung zu relativieren, zu einer solchen Veranstaltung (mit mehr als 1.000 Gästen) kämen doch immer nicht alle Eingeladenen. Sie musste sich aber von der Presse vorhalten lassen, dass 14 von 16 Kultusminister:innen der Länder ihrer Einladung ins Berliner Congress-Center erst gar nicht gefolgt waren. Nicht nur die Minister:innen aus den unionsgeführten Ländern, sondern auch grüne und sozialdemokratische Ressortchef:innen erteilten der Ministerin eine Abfuhr. So blieb es lediglich dabei, dass die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Senatorin Astrid-Sabine Busse (Berlin) und der bildungspolitische Sprecher der SPD-geführten sogenannten A-Länder, der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (beide SPD) sowie der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, Kai Gehring (Grüne), sich Zeit nahmen, für ein Podiumsgespräch vorbeizuschauen.
Vor Spießrutenlaufen: Bundesbildungsministerin bei der KMK
Die Ministerin, die zu der am Donnerstag und Freitag dieser Woche stattfindenden 381. Kultusministerkonferenz eingeladen ist, wird sich dort wohl einiges anhören müssen, was sich als Frust bei den Ressortchef:innen der Länder inzwischen aufgestaut hat. Denn sie alle teilen, was mit dem Appell der 50 Organisationen zu Papier gebracht wurde: Mangelhafte Vorbereitung, keine Vorgespräche, keine tragfähige Verhandlungsgrundlage, sondern lapidar lediglich eine schriftliche Einladung, wie Teilnehmende berichteten.
Die Ministerin versuchte auf der Konferenz, mit einem Fünf-Thesenpapier „Fünf Thesen für eine neue Zusammenarbeit in der föderalen Bildungspolitik“ die Wogen zu glätten. Es wurde auf der Konferenz verteilt und war nicht einmal von ihr oder anderen Verantwortlichen als Verfasser:innen gezeichnet worden. In der Konferenz und in der sich anschließenden Pressekonferenz warb die Ministerin für die Schaffung eines „Team Bildung“, in dem sie die „örtliche Umsetzungskraft der Schulträger, die Kultushoheit der Länder, das unterstützende Potenzial des Bundes, das kreative Engagement der Zivilgesellschaft und die unabhängige Expertise der Bildungswissenschaft zu neuer Stärke vereinen“ wolle. Der Bund wolle vor allem dort mitwirken, „wo er wirklich einen Mehrwert bieten kann“. Ob der Versuch gelingt, die Sorgen der Länder vor allzu großer Einflussnahme der Zentralgewalt – ein klassisches Anliegen der Liberalen – herunterzufahren, bleibt zweifelhaft. Bayern hat schon jetzt seine Eigenständigkeit angekündigt und steht hinsichtlich der Inanspruchnahme von finanziellen Programmen des Bundes ohnehin in der letzten Reihe unter den Ländern.
Task-Force soll einen strukturierten Prozess eröffnen
Nach Ankündigung von Ministerin Stark-Watzinger soll nun kurzfristig eine „Task-Force“ gegründet werden, mit der „in einem strukturierten Prozess“ alle beteiligten Akteure die anstehenden Bildungsfragen diskutieren sollten. Ihr Plädoyer: „Springen wir also alle über unseren Schatten, probieren wir Neues aus und lernen wir aus Fehlern“. Das sollte sich nach Einschätzung von Tagungsteilnehmenden wohl sich die Bundesbildungsministerin selbst ins Album schreiben, damit der Scherbenhaufen im Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie den relevanten zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht weiterwächst.
Lehrkräftemangel, marode Schulen und Startchancen-Programm
Dass die Ministerin sich für eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte aussprach, hat vielleicht die Lehrerorganisationen motiviert, einem Podiumsgespräch beizuwohnen: Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern, die den Gipfel als Hügel herunterstufte, nutzte ebenso wie die Vorsitzenden des Verbandes Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, und des Deutschen Lehrerverbandes, Peter Meidinger, die Gelegenheit, den absehbaren Lehrkräftemangel als Versagen der Politik zu brandmarken und insgesamt die Arbeitssituation der Lehrkräfte und den baulichen Zustand der Schulen in den Fokus zu rücken. Bei der Tagung wurde deutlich: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie – teilweise ein unterstellter Lernrückstand von anderthalb Jahren bei den Grundschüler:innen sowie Schulschließungen und Distanzunterricht – haben die ohnehin unübersehbaren Schulprobleme weiter verschärft. Die Integration ukrainischer Flüchtlingskinder und die mangelhafte Digitalisierung stellen das Bildungswesen vor zusätzliche Probleme. Beklagt wurde auch von Minister Stark-Watzinger, dass der Föderalismus an seine Grenzen stoße, wenn der Datenschutz in 16 Bundesländern unterschiedlich ausgelegt werden. Auch der mangelhafte Abfluss der Bundesgelder wird von der Ministerin kritisch beleuchtet, allerdings wird ihr die zu bürokratische Handhabung der Programme durch den Bund entgegengehalten.
Esken: 100 Milliarden Sondervermögen für den Bund
Immerhin investiert der Bund im Rahmen seiner gesamtstaatlichen Verantwortung mit dem KiTa-Qualitätsgesetz 2023 und 2024 insgesamt vier Milliarden Euro in die frühkindliche Bildung, weitere 3,5 Milliarden Euro für den Ganztag in den Grundschulen und noch einmal 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung. Zu wenig Geld für die Bildung, waren sich trotzdem viele Teilnehmende einig, die eher mit dem Vorschlag der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken sympathisieren, neben dem Sondervermögen für die Bundeswehr weitere 100 Milliarden Euro als Sondervermögen für die Bildung bereitzustellen. Das Bildungswesen, vor allem die Schulen, sei ebenso „kaputtgespart“ worden wie der Verteidigungsbereich. Und auch ein anderer Tatbestand wird von allen Beteiligten als unakzeptabel angesehen: Immer noch ist die Quote der Schulabgänger:innen ohne Abschluss zu hoch und die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der Sozialen Herkunft zu groß.
Papiere zum Bildungsgipfel
Der von den Spitzen der Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam mit 50 namhaften Institutionen formulierte Appell an den Bundeskanzler und Regierungschef:innen der Länder, mit einem echten „Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten“, steht hier zum Download zur Verfügung. Auch die Gesellschaft Chancengleichheit (mit dem zwd-POLITIKMAGAZIN) hat sich dieser Initiative angeschlossen.
Das Dokument: „Fünf Thesen für eine neue Zusammenarbeit in der föderalen Bildungspolitik“ können Sie ebenfalls hier downloaden.
Der Link zur Pressekonferenz am 15. März 2023 mit Stark-Watzinger und Busse, die von Phoenix übertragen wurde.