"FEMINISTISCH BELEUCHTET" VON ELKE FERNER : Mehr reproduktive Selbstbestimmung für Frauen - Abschaffung § 219a StGB ist nur ein erster Schritt

18. März 2022 // Elke Ferner

Kolumne im zwd-POLITIKMAGAZIN 390

zwd Saarbrücken. Die Abschaffung des § 219a StGB durch die Ampel-Koalition könne nur als erster Schritt im Kampf um mehr reproduktive Selbstbestimmung für Frauen bewertet werden, schreibt zwd-Autorin Elke Ferner in der Kolumne "Feministisch beleuchtet" im zwd-POLITIKMAGAZIN 390. Elke Ferner ist Vorstandsmitglied des Deutschen Frauenrates und war langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen sowie in der 19. Legislaturperiode des Bundestages Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ.


Die Ampel-Koalition hat vereinbart, die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen zu stärken. Dazu gehört auch, den $ 219a StGB ersatzlos zu streichen. Das ist gut so! Dies gibt Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, Rechtssicherheit, wenn sie über Methoden zum Schwangerschaftsabbruch und/oder das von ihnen angebotene Leistungsspektrum informieren. Frauen in einer Konfliktsituation erhalten dann einen niedrigschwelligen Zugang zu wichtigen medizinischen Informationen. Die Streichung des § 219a StGB sollte einhergehen, mit einer Rehabilitation der nach § 219a StGB verurteilten Arzt*innen, die über ihr medizinisches Leistungsspektrum und/oder Methoden des Schwangerschaftsabbruchs informiert haben.

Die Streichung des § 219a StGB allein, reicht aber nicht aus, um das reproduktive Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu stärken. Auch der§ 218 StGB muss auf den Prüfstand. Ein Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Schwangeren muss auch weiterhin strafbar bleiben. Alle anderen notwendigen Regelungen gehören aber nicht ins Strafrecht.

Nach der Wiedervereinigung wurde 1995 wegen des unterschiedlichen Rechts - Fristenregelung in Ostdeutschland, Indikationsregelung in Westdeutschland - die sog. Fristenregelung mit Beratungspflicht sowie eine erweiterte medizinische und kriminologische Indikationsregelung eingeführt. Diese wurde auch vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert. Demnach ist in den ersten 12 Wochen ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig bleibt aber straffrei, wenn zuvor eine Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle erfolgt ist. Gleichzeitig wurden mit dem Familien- und Schwangerenhilfegesetz grundlegende Verbesserungen der Rahmenbedingungen wie z.B. einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und der bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagesplätzen beschlossen. Seitdem sind die Rahmenbedingungen kontinuierlich verbessert worden, zuletzt wurde ein Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung von Schulkindern ab 2025 eingeführt.

Fast 20 Jahre nach der Liberalisierung des § 218 ff StGB ist es Zeit, Frauen, die sich in einer individuellen Konfliktsituation zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließen, und Ärzt*innen, die ihnen in dieser Situation helfen, nicht mehr im Strafgesetzbuch zu bedrohen. Alle notwendigen Reglungen können auch im Familien- und Schwangerenhilfegesetz verankert werden, wie z.B. der Beratungsanspruch und die Finanzierung der (Konflikt-)Beratungsstellen, aber auch der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Frauen flächendeckend Zugang zu der für sie am besten geeigneten Abbruchmethode haben, und zwar unabhängig davon, ob der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch oder an anderer Stelle geregelt ist, oder ob es sich um einen ambulanten oder stationären Abbruch handelt. Dies ist heute leider nicht überall gewährleistet. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden und Krankenhäuser, die sich aus öffentlichen Mitteln finanzieren, müssen mit zur Versorgungssicherheit beitragen. Familienplanung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Deshalb sollten alle einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln (steuerfinanziert) haben - nicht nur als Satzungsleistung der Krankenkasse (beitragsfinanziert). Es ist Zeit, Frauen nicht länger zu kriminalisieren und die Zwangsberatung abzuschaffen. Frauen sollen jede Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Sie werden damit sorgsam und verantwortungsvoll umgehen.

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