zwd Berlin. Der globale Gleichberechtigungs-Wert (68,8 Prozent) näherte sich 2024 im Vergleich zum Vorjahr um + 0,3 Prozent der Parität (100 Prozent) an, der größte Anstieg seit der Corona-Pandemie. Doch bis zur Gleichstellung dauert es nach Angaben des GGGR bei den derzeitigen Raten durchschnittlich noch ca. 123 Jahre, bisher hat sie kein Land der Welt tatsächlich erreicht. Die Erfolge hätten vor allem „beträchtliche Fortschritte bei der politischen Mitbestimmung und der wirtschaftlichen Teilhabe“ hervorgebracht, schreibt das in Genf ansässige Weltwirtschaftsforum (WEF) anlässlich der Veröffentlichung des Berichts am 12. Juni. Dennoch gebe es bei der politischen Emanzipation mit einem Paritäts-Wert von 22,9 Prozent die höchsten Hürden zu überwinden, ebenso bei Frauen in den obersten Leitungsebenen.
WEF: Gleichstellung als Strategie für verbesserte, produktivere Wirtschaft
Obwohl Frauen weltweit bei der höheren Bildung im Mittel Männer übertreffen und 41,2 Prozent der Arbeitskräfte darstellen, schaffen es nur weit unter einem Drittel (28,8 Prozent) in die Top-Führungspositionen. Gerade mit Blick auf die zurzeit „erhöhte globale wirtschaftliche Unsicherheit“, schwache Konjunkturen und den technologisch-demographischen Wandel sieht WEF-Geschäftsführerin Saadia Zahidi in der Förderung von Geschlechter-Gleichstellung eine „treibende Kraft“ für ökonomische Erneuerung. „Vielfalt von Denken, Kenntnissen und Erfahrung“ stünde oft im Mittelpunkt des Problemlösens, neuer kreativer Bestrebungen und Innovationen, betont Zahidi im Vorwort des GGGR. Investitionen in Geschlechter-Parität könnten Staaten helfen, „eine resilientere, wohlhabendere und produktivere Wirtschaft“ aufzubauen. Das WEF legt seit 2006 jährlich einen GGGR vor, gestützt auf Statistiken und Daten von Organisationen wie UNESCO, OECD, UN Women, World Bank oder WHO. Für seine 19. Ausgabe analysiert der Report die Gleichstellungs-Situation von 148 Ländern für 2024 bzw. in einzelnen Domänen Vorgängerjahre.
Bundesrepublik: Erfolge bei Wirtschafts-Teilhabe, Rückschläge in Politik
Island besetzt auf der Rangliste der untersuchten Staaten zum 16. Mal in Folge die Spitzenposition, mit einem Gleichstellungs-Wert von 92,6 Prozent, gefolgt von Finnland (87,9 Prozent) und Norwegen (86,3 Prozent). Großbritannien verzeichnete seit 2024 mit einer Zunahme von 4,9 Prozentpunkten erhebliche gleichstellungspolitische Fortschritte und landete an 4. Stelle, 10 Plätze höher als 2024. Deutschland (80,3 Prozent) büßte 0,6 Gleichstellungs-Prozente ein und fiel um zwei Plätze auf den 9. Rang zurück, hinter Namibia (81,1 Prozent), das mit dem fünft-platzierten Neuseeland (82,7 Prozent) die einzigen außereuropäischen Länder unter den zehn Besten im Ranking bildet. Islands Gleichstellungs-Wert bei politischer Mitbestimmung ist mit 95,4 Prozent über viermal so hoch wie das globale Mittel, Finnland erlangte bei allen bildungsbezogenen Indikatoren Parität. Die Fortschritte Großbritanniens sind in erster Linie auf mehr politische Teilhabe von Frauen zurückzuführen: Bei den Minister:innenämtern erreichte das britische Kabinett mit einem Frauenanteil von 50 Prozent Gleichstellung, ein Zuwachs um 16,66 Prozent.
In Schweden, das auf der Staatenliste den 6. Rang innehat, erhöhte sich die Paritäts-Rate bei Führungsrollen um 6 Prozent (auf 77,5 Prozent) zu. Moldau, an 7. Stelle, steigerte seine Quote an Ministerinnen um 14,28 Prozent auf 35,71 Prozent. In Namibia sitzen 40,6 Prozent Frauen im Parlament, die Bundesrepublik erzielte bei ökonomischer Teilhabe und Chancen geringfügige Erfolge (+ 0,4 Prozent). Bei Fachkräften und technischem Personal hält Deutschland, wie schon 2023, mit rund 100 Prozent weiterhin die Geschlechter-Balance aufrecht, Rückschläge erfuhr das Streben nach Parität andererseits bei der politischen Ermächtigung: Mit 32,38 Prozent waren zum 01. März 2025 2,92 Prozent weniger weibliche Abgeordnete im Bundestag vertreten als ein Jahr vorher (35,30 Prozent). Im regionalen Vergleich ist Nord-Amerika bei der Gleichstellung mit einem Wert von 75,8 Prozent am erfolgreichsten, Europa nimmt mit 75,1 Prozent die 2. Stelle ein, Lateinamerika und die Karibik, welche seit dem Beginn der GGGR-Datenanalysen mit + 8,6 Prozent die weitreichendsten Fortschritte machten, mit 74,5 Prozent Rang 3.
Fast zwei Drittel der bundesdeutschen Frauen arbeiten in Teilzeit
Im bundesdeutschen Gesundheitswesen sank der mittlere Gleichstellungswert um 0,6 Prozent (auf 96,6 Prozent), der Rang verschlechterte sich im Vergleich auf der Staatenliste um 20 Plätze (auf Rang 93). Beim Bildungsniveau (98,8 Prozent) mit Gleichstellungs-Werten in den Unterabteilungen zwischen 95,0 und 100 Prozent blieb das Geschlechter-Verhältnis bei einer minimalen Zunahme von 0,1 Prozent ungefähr gleich. Der Wert für Entgeltgleichheit stieg dem GGGR gemäß um + 2,2 Prozent (auf 65,8 Prozent), die Lohnlücke reduzierte sich 2023 um 0,13 Prozent (auf 14,25 Prozent). Ebenfalls leicht verbesserte sich der Gleichstellungs-Wert für die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozent (auf 84,9 Prozent).
Mit 56,56 Prozent waren demnach 0,43 Prozent mehr Frauen erwerbstätig, gegenüber 66,65 Prozent der Männer (+ 0,6 Prozent). Die Quote von Firmen mit mehrheitlich weiblichen Eigentümer:innen bzw. Frauen in Management-Positionen stagnierte hingegen bei 12,90 bzw. 14,20 Prozent. Die Arbeitslosenraten nahmen 2024 verglichen mit dem Vorjahr für Frauen und Männer annähernd gleich um + 0,24/ + 0,25 Prozent (auf 3,20/ 3,70 Prozent) zu. Mit knapp zwei Dritteln (60,25 Prozent) waren Frauen 2024 mehr als doppelt so häufig in Teilzeit tätig wie Männer (29,21 Prozent), wobei die Rate bei den weiblichen Beschäftigten verglichen mit 2023 mit + 1,25 Prozent deutlich stärker anstieg als bei männlichen Arbeitnehmer:innen (+ 0,82 Prozent).
Stereotype Berufsverteilung und „Umsetzungs-Lücken“ hemmen Parität
Nach neuesten GGGR-Daten, denen Statistiken der UNESCO zugrunde liegen, absolvierte 2024 in der Bundesrepublik knapp ein Fünftel (19,62 Prozent) der weiblichen Graduierten einen Bildungsgang in einem MINT-Fach, bei Männern waren es über die Hälfte (52,82 Prozent). Mit 15,83 Prozent machten mehr als dreimal so viele Frauen wie Männer (4,02 Prozent) Abschlüsse im Erziehungsbereich, über doppelt so viele weibliche Absolvent:innen wiesen mit 12,96 Prozent die Kunst- und Geisteswissenschaften (M: 5,46 Prozent) sowie mit 11,07 Prozent Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (M: 4,64 Prozent) auf. Umgekehrt herrschten Männer mit einer fast dreimal so hohen Graduierten-Rate (36,11 Prozent) in Ingenieurwissenschaften, verarbeitendem Gewerbe und Bauwesen (F: 9,41 Prozent) sowie in Informations- und Kommunikationstechnologie (M: 8,70 Prozent, F: 2,36 Prozent) vor.
Obwohl der Frauenanteil in traditionell männlich dominierten Berufsfeldern 2024 weltweit um 8,9 Prozentpunkte stieg, blieb dem GGGR zufolge eine geschlechtsbezogene Aufteilung nach Fachrichtungen erhalten, wobei weibliche Beschäftigte immer noch in niedrigbezahlten, sozialen Bereichen, wie Gesundheits- und Pflegediensten (58,5 Prozent) oder Bildungswesen (52,9 Prozent) überwogen. Frauen waren nach Aussagen des GGGR in der Politik mit weniger als einem Drittel parlamentarischen Sprecherinnen unterrepräsentiert, ebenso unverhältnismäßig wenig in einflussreichen ministeriellen Ressorts, wie Wirtschaft, Infrastruktur oder Verteidigung, vertreten. Als einen Hauptfaktor, der Fortschritten bei der Gleichstellung entgegenwirkt, identifiziert das WEF die sog. „Umsetzungs-Lücke“, mit der es das Missverhältnis zwischen geschlechtergerechten Gesetzesregelungen und vorhandener Infrastruktur benennt, durch die sich diese geltend machen lassen. Um Gender Gaps zu beseitigen, seien außer rechtlichen Standards auch „robuste Umsetzungs-Mechanismen“ erforderlich, damit Richtlinien Geschlechter-Parität bewirken.