zwd Berlin. Bei seiner ersten Rede vor dem Bundestag bekräftigte Kulturstaatsminister Weimer am 14. Mai, wie schon beim Treffen mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster
am Tag nach seinem Amtsantritt, er beabsichtige, "Antisemitismus in Deutschland konsequenter zu bekämpfen". Aus seiner Sicht gehöre es ganz wesentlich "zu unserer moralischen Integrität" aufzubegehren, wenn "Jüdinnen und Juden sich nicht mehr sicher fühlen" in der Bundesrepublik und in Europa. Der BKM kündigte an, seine Bundesbehörde werde Kulturprojekte, die auch bloß "im Ansatz oder versteckt" antisemitische Ziele verfolgten, künftig nicht finanziell weiter fördern.
Dr. Wolfram Weimer (parteilos): "Es gilt für mich dort eine Nulltoleranzpolitik gegen Antisemitismus. (...) Weil es zum innersten Kern unserer moralischen Integrität gehört, dass wir aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden sich nicht mehr sicher fühlen in Deutschland und Europa. (...) Deswegen werden wir Kulturprojekte, die antisemitische Ziele auch nur im Ansatz oder versteckt verfolgen, nicht mehr finanziell fördern."
SPD: Parlamentsabgeordnete beteiligen

Der Sprecher für Kulturpolitik der SPD-Bundestagsfraktion Helge Lindh möchte den eben erst ins Amt berufenen Weimer an seinen konkreten Taten messen. In einem Kommentar für den zwd vom 12. Mai erklärte Lindh, er wünsche sich von dem BKM, dass er intensiv mit dem Bundestag zusammenarbeite. Anspruch der Parlamentarier:innen sei es, "mehr in die Entscheidungsprozesse eingebunden" zu werden. Das sei angesichts aktueller Kulturkämpfe, "gesellschaftspolitische(r) Aufladung" im Kultur- und Medienbereich und massiver bundesweiter Einsparmaßnahmen dringend geboten.
Helge Lindh (SPD): "Zwar ist es bedauerlich, dass die Union unserer Initiative zur Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz nicht gefolgt ist (...). Umso bedeutsamer ist, dass sich der Bund im föderalen Kontext klar als verlässlicher Kulturpartner positioniert, die Bundeskulturfonds weiterentwickelt werden und Kultur ausdrücklich als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge anerkannt wird. Das sind wichtige kulturpolitische Signale."
Die grüne Kulturpolitikerin Awet Tesfaiesus
sieht Weimers Ernennung mit Sorge. Sie bezweifle, dass er das in Bibliotheken, Museen und Freie Szene gesetzte "hohe Vertrauen" stärken könne, teilte die Grünen-Politikerin dem zwd mit. Weimer baue mit seinen Provokationen eher Fronten auf, als zu verbinden. Was die Kultur jetzt brauche, sei "Überparteilichkeit, die mit Diplomatie unser kulturelles Erbe" schütze und den Zusammenhalt fördere, so Tesfaiesus.
Awet Tesfaiesus (Die Grünen): "Es ist zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD die Fortsetzung vieler wichtiger kulturpolitischer Akzente aus der vergangenen Legislaturperiode festschreibt. Hierzu gehören etwa die SPK-Reform, die Fortsetzung der Reform Filmfördergesetz durch Einführung von steuerlichen Anreizsystemen sowie einer Investitionsverpflichtung, die Fortsetzung von Förderprogrammen wie Aller.Land und die Anerkennung von Clubkultur."
Weimer unter Kulturfachleuten umstritten
Der linke Kulturfachmann David Schliesing vermutete
im zwd-Interview, mit dem "erzkonservativen" Publizisten Weimer dürfte sich die "Wirtschaftsförderung im Medienbereich" intensivieren. Er befürchtet, die Berufung des Staatsministers mit "reaktionäre(m) (...) Gesellschaftsbild" könnte Bekenntnisse zur kulturellen Vielfalt und Kunstfreiheit unterlaufen, die Union werde den "Kulturkampf von rechts absehbar deutlich verschärfen".
David Schliesing (Die Linke): "Am auffälligsten ist hier sicherlich die Streichung der Forderung, Kultur zum ´Staatsziel´ und damit zum Verfassungsgegenstand zu erklären. Dadurch wurde die Chance vertan, endlich politische und juristische Instrumente für eine Kulturpolitik auf Augenhöhe zu schaffen. Stattdessen heißt es nun: ´Unser Land ist ein Kulturstaat, reich an Traditionen und Bräuchen (...)´. Eine Formulierung die vermutlich den Leitkultur-Propagandisten der Union entgegenkommt."
Eine Petition vom ensemble-netzwerk, inzwischen von über 72.300 Personen (28. Mai) unterschrieben, appelliert an Union und SPD, die Besetzung der Position mit Weimer zu stoppen. Dieser sei als BKM ungeeignet, früher von ihm geleitete Medien (Welt, Fokus) würden eindeutig eine wirtschaftsliberale, rechtskonservative Richtung vertreten. Kulturpolitik brauche in Zeiten "wachsender gesellschaftlicher Polarisierung" jemanden, der "Vielfalt, Demokratie und künstlerische Freiheit" fördert.
Kultur nicht als Staatsziel verankert
SPD-Politiker Lindh begrüßte die "zukunftsweisenden kultur- und medienpolitischen Initiativen", die Kulturinfrastruktur nachhaltig stärken würden. In einer Stellungnahme für den zwd bedauerte Lindh wie Grüne, Linke und DK, dass die Union die Aufnahme des Staatsziels Kultur ins Grundgesetz (GG) nicht mitgetragen habe. Als bedeutsam wertete er, dass der Bund sich im Föderalismus als "verlässlicher Kulturpartner" positioniere, die Kulturfonds weiterentwickle und Kultur als "Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge" anerkenne. Programme wie Kultur macht stark fortzusetzen, unterstreiche die Forderung, "kulturelle Teilhabe flächendeckend zu sichern". Lindh mahnte, Förderfonds und Freie Künste "dauerhaft und verlässlich auszustatten".
DK-Geschäftsführer Olaf Zimmermann schrieb in Politik & Kultur (Mai 2025), 20 Jahre nach Vorlegen einer Handlungsempfehlung durch die Enquete-Kommission sei es an der Zeit, das GG um den Zusatz "Der Staat schützt und fördert die Kultur" zu ergänzen. Zimmermann monierte, dass wieder kein Bundeskulturministerium geschaffen wurde, das zur "Stärkung und Sichtbarmachung der Kultur" hätte beitragen können. Auch nach Ansicht von Schliesing hat die Koalition mit der Streichung von Kulturförderung als Staatsziel und Verfassungssache aus dem Sondierungspapier der AG 14 die Chance vergeben, die "politische(n) und juristische(n) Instrumente" zu schaffen, um "Kulturpolitik auf Augenhöhe" zu betreiben.
Olaf Zimmermann (DK): "(Es) wird wiederum kein Bundeskulturministerium eingerichtet. (...) Eine Chance zur Stärkung und Sichtbarmachung der Bundeskulturpolitik wurde vertan. (...) Auch eine Erklärung, das Staatsziel Kultur (...) im Grundgesetz zu verankern, ist nicht zu finden. Es wäre 20 Jahre nach Vorlage der einstimmigen Handlungsempfehlung durch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags (...) Zeit, endlich das Grundgesetz um den Artikel 20 b ´Der Staat schützt und fördert die Kultur´ zu vervollständigen." (Politik & Kultur 5/ 25)
Lindh: "Überfälliger Strukturwandel"
Im angekündigten Restitutionsgesetz, mit Provenienzforschung und Gedenkstättenarbeit sieht Lindh einen "überfällige(n) Strukturwandel in der Erinnerungskultur" eingeleitet, der auch das Aufarbeiten kolonialer Geschichte und eine Politik gerechter Rückgaben einbeziehe. Schliesing hob die Pläne zur Herkunftsforschung und zum Rückgabegesetz als positiv hervor, beklagte jedoch mangelnde Details zur Realisierung. Es seien viele von der Kultur-AG herausgearbeitete Vorhaben weggefallen, wie die Einrichtung einer Enquete-Kommission zu "Demokratiebewusstsein durch Erinnerung an Diktatur und Unrecht" Schliesing räumte zugunsten des Kulturkapitels ein, es widme sich in einem Abschnitt dem Erinnern an Nationalsozialismus, Kolonialismus und SED-Diktatur. Es fehlten aber nähere Erläuterungen zum intensiveren Bewältigen des Kolonialismus, auch würden die Aufarbeitung von NS-Verbrechen an sog. Berufskriminellen und Asozialen sowie die Erinnerung an die NS-Euthanasie-Opfer nicht erwähnt.
Bei Filmförderreform Finanzierung unklar
Grünen-Politikerin Tesfaiesus befürwortet, dass wichtige kulturpolitische Schwerpunkte der Vorgängerregierung, wie die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Filmfördergesetzes, Bundesprogramme wie Aller.Land oder Anerkennung der Clubkultur, weiterführe. Lindh unterstützt den Vorsatz, in Kulturförderprogrammen Mindestgagen und Untergrenzen für Honorare zu berücksichtigen. Schliesing sind in dieser Hinsicht die Absichtserklärungen nicht präzise genug, Tesfaiesus bezieht das auf die Formulierung, die Mittelvergabe an die Bundesfonds zu stabilisieren. Aufgrund der Inflation könne man das nur in der Art verstehen, dass Gagen und Honorare voraussichtlich nicht an steigende Kosten angepasst würden. Das sei "keine Bestandssicherung, sondern ein Rückschritt". Beim Urheberrecht setzt die Koalition laut Lindh auf "fairen Interessenausgleich", indem Kreative, wenn ihre Werke z.B. durch Training von Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt werden, angemessene Vergütung erhalten.
Nach Auffassung von Tesfaiesus bleibt es "völlig offen", wie das Potenzial von KI und Urheberrechte zu vereinbaren sind und wie die Strategie Kultur & KI inhaltlich ausgefüllt ist. Zimmermann empfiehlt, die "Expertise des gesamten Kulturbereichs" einzubeziehen, der DK werde sich "in die Erarbeitung der Strategie" einmischen. Die nächste Stufe der Filmreform mit Steueranreizen und verpflichtenden Investitionen bietet Lindh zufolge "große Chancen für den Filmstandort Deutschland". Clubkultur als "schützenswerte(n) Bestandteil" des Kulturlebens zu legitimieren, sei längst geboten. Insgesamt gelte es, die Vorhaben mit den nötigen Finanzmitteln, eindeutigen Regelungen und im Dialog mit der Kultur-Szene zu verwirklichen. Schliesing erscheint bei Filmreform und Kino-Förderung suspekt, dass sich die Koalition nicht zur Bundes-Finanzierung und deren Aufstockung geäußert hat.
DK: BKM bei Gleichstellung beteiligen
Als zentral sieht es Zimmermann an, den BKM bei der Gleichstellungsstrategie zu beteiligen, damit die "besondere(n) Belange() von Frauen in Kultur und Medien" zur Kenntnis genommen würden. Tesfaiesus und Schliesing missbilligen, Partizipation werde fast auf ländliche Regionen beschränkt. "Von Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und anderen Teilhabeaspekten" fehle jedes Anzeichen, bemängelte die Grünen-Politikerin. Ihr Linken-Kollege fordert Beteiligung für "einkommensschwache Gruppen". Tesfaiesus kritisierte, Kunstfreiheit werde deklaratorisch hervorgehoben, ohne zu konkretisieren, wie z.B. über "rechtssichere Förderrichtlinien" zu gewährleisten ist, dass der Bund keine Projekte mit antisemitischen, rassistischen oder anderen menschenverachtenden Tendenzen unterstützt. Sie wirft der Koalition vor, auf Kultur-Sponsoring, Mäzenatentum und Wirtschaftskooperationen zu verweisen. Grüne wie Linke schätzen den "Finanzierungsvorbehalt" als entscheidend ein. Dadurch wird für Schliesing der Kulturetat (2,2 Mrd. Euro) angezweifelt, unklar sei, wie Bundespolitik "mehr als eine Ergänzung der Kulturhoheit der Länder" sein könne.
Quelle: Wikimedia/ Sandro Halank, Bundestag/ Photothek, Bundestag/ Stefan Kaminski, Bundestag/ Nancy Glor, Wikimedia/ Lilli Iliev,